Ski AlpinLuxemburger Skiprofi Matthieu Osch: „Rund die Hälfte der Leistung passiert im Kopf“

Ski Alpin / Luxemburger Skiprofi Matthieu Osch: „Rund die Hälfte der Leistung passiert im Kopf“
Das Abenteuer in Kanada endete für Matthieu Osch zwar nicht wie geplant, umso besser lief es dann näher an der Heimat Foto: AFP/Fabrice Coffrini

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Matthieu Osch hat bereits an drei Weltmeisterschaften und zwei Olympischen Spielen teilgenommen, wo er vor zwei Jahren 28. im Riesenslalom wurde. Diese Saison startete er in Kanada, fuhr natürlich viele Rennen in den Alpen, aber auch in Rumänien oder den Pyrenäen. Mit seinen Kollegen der FLS schließt er seine diesjährige Saison bei den Meisterschaften der flachen Länder Luxemburg, Belgien und Dänemark in Val d’Isère ab.

Tageblatt: Sie leben in Innsbruck in den Alpen, aber waren noch vor einer Woche zum Skifahren in die Pyrenäen. Wie sehr strengt das Reisen an?

Matthieu Osch: Es hängt vom einzelnen Fahrer ab. Ich gehe halt gerne an verschiedene Orte und sammele neue, tolle Erfahrungen. Ich kann meinen Traum als Beruf leben. Es macht Spaß, ein wenig überall in Europa Rennen zu fahren und meinen Sport zu treiben. Als Luxemburger habe ich die Freiheit, mich da zu melden, wo ich will. Unten im Süden war ich noch nicht oft. Nur früher bin ich dort immer ein großes Kinderrennen gefahren. Es war ganz spannend und hat mir gut gefallen, auch wenn ich sportlich kein tolles Resultat rausgefahren habe. Ich hatte zwar nach einem Slalomdurchgang eine gute Ausgangslage, aber wollte dann zu viel und schied aus. Aber so ist es halt beim Skifahren, es ist nicht einfach, die richtige Dosis zu treffen.

Sie sind erst 25, aber fahren bereits Ihre 9. Saison bei den Senioren. Und haben diese Saison mehrmals ihre Karrierebestleistung im Slalom übertroffen. Wo ist Ihr Limit?

Diese Saison hätte ich sicher noch bessere Punkte fahren können. Man kann immer etwas verbessern. Ich bin noch weit von perfekt und auch noch ein gutes Stück von der Weltspitze entfernt. Aber da will ich näher ran. Im Skisport kann es sehr schnell gehen. Man braucht ein wenig Glück und muss im richtigen Rennen in beiden Läufen seine Bestleistung abrufen. Manchmal konnte ich eine gute Ausgangsposition nach dem ersten Durchgang nicht ausnutzen. Es sind noch ein paar wenige Rennen und wenn es da nicht klappt, will ich mein Verbesserungspotenzial mit in die nächste Saison nehmen.

Was ist nach all den Jahren noch der große Reiz von Skirennen?

Es ist ein wenig eine Mischung. Also das Skifahren an sich, die starke Innenlage und das Mega-Gefühl, die Kanten im Schnee zu haben, richtig Winkel zu gehen und wie dich die Skier zur nächsten Kurve rauskatapultieren. Und ebenso der Wettkampf, sich mit den anderen zu messen. In einem tollen Umfeld mit coolen Menschen, mit denen man diese Leidenschaft teilt. Das ist meine Welt. Andere Menschen haben ihre Arbeitskollegen, bei mir sind das diese Skifahrer. Mit meinem Sport konnte ich dann so viel Reisen, so viele Länder und Menschen kennenlernen, was mich enorm bereichert.

Es ist aber sicher nicht alles immer schön. Das Projekt Kanada haben Sie ja bereits an Weihnachten abgebrochen …

Skisport ist ein Individualsport, man hat viel mit dem eigenen Kopf zu kämpfen. Sicher habe ich in meinem Sport viele Fehler gemacht, aber auch daraus gelernt. Natürlich habe ich unterwegs viele Kollegen, um mich auszutauschen, aber am Ende muss man seinen Weg selber gehen. Das ist nicht ganz einfach und Kanada hat für mich einfach nicht gepasst. Nicht nur mit dem Skifahren, sondern auch persönlich, im Leben. Da war der richtige Schritt, wieder zurückzukehren zu dem, was ich kenne. Wo ich mich wohlfühle. Kanada war kein Fehler, sondern ein langjähriger Traum und ich freue mich, dass ich es probiert habe. Auch aus solchen Erfahrungen wächst man. Natürlich gibt es im Sport dann auch noch die bitteren Momente mit den Ausfällen oder Verletzungen. Skisport ist ein bitterer Sport, da es so schnell vorbei sein kann. Aber das ist auch toll, denn man kann ebenso schnell gute Leistungen bringen. Bitter und wunderschön, das motiviert mich weiterzumachen.

Die Saison steht ja kurz vor dem Abschluss. Wie lautet ein erstes Fazit?

Ich hatte eine etwas andere Vorbereitung und in Kanada war der Schnee doch sehr anders. Die ersten Skitage waren dort auch erst spät, sodass mir am Anfang diese Tage fehlten. Meinen Höhepunkt habe ich erst jetzt zum Schluss gefunden, aber konnte es noch nicht über zwei sehr gute Läufe zeigen. Riesenslalom kam diese Saison dann zu kurz. Im Sommer muss ich überlegen, ob ich die beiden Disziplinen mehr in eine Balance bringe, oder aber mich noch mehr auf den Slalom spezialisiere.

Sie sind deutlich besser im Slalom als im Riesenslalom. Wieso diese Disziplin?

Zu meinen Anfängen ging es von Luxemburg ganz viel in die näher gelegenen Skihallen und da kann man halt leider nur Slalom fahren. Ich bin einfach viel mehr Kilometer in einem Slalomkurs als beim Riesenslalom gefahren. Zudem liegt es mir, da ich ziemlich flink und schnellkräftig bin. Doch der Schwung im Riesenslalom ist die Basis von allem, deshalb darf man den auch nicht ganz weglassen. Vor zwei Jahren habe ich noch einmal Super-G probiert. Aber im ersten Rennen machte ich einen dicken Fehler und im zweiten löste sich die Bindung. Das war vielleicht ein Zeichen. Für kleine Nationen ist das Training in den Speed-Disziplinen schwierig, weil immer ganze Strecken abgesperrt und mit Fangnetzen gesichert werden müssen. Zudem habe ich an meinen technischen Disziplinen noch mehr als genug Arbeit.

Wo liegen Ihre Stärken?

Zum starken Skifahrer braucht man eine Mischung von allem. Wie ich mit einigen Drucksituationen umgehe, ist mental bei mir gelegentlich noch eine Baustelle. An der ich mit einer Sportpsychologin arbeite. Rund die Hälfte der Leistung passiert im Kopf. Meine Stärken sind wohl die Arbeit am Material und wie ich mich mit meiner Erfahrung gegen zumeist jüngere Konkurrenten an die unterschiedlichen Bedingungen anpassen kann.

Ihre Skisaison dauert ein gutes halbes Jahr. Was machen Sie eigentlich die restliche Zeit?

Ich muss immer in Bewegung sein. Es fällt mir schwer, meinen Trainern zu gehorchen und zwei, drei Wochen mal nichts zu tun. Sei es Klettern, Tennis, Surfen, Golf, oder mal mit Kollegen einen Städtetrip zu machen. Deshalb lebe ich auch gerne im Sommer in den Bergen, denn dort gibt es immer Möglichkeiten. Die verschiedenen Sportmöglichkeiten bringen mir sowohl mental als auch körperlich etwas fürs Skifahren. Ich habe gelernt, dass strenges, spezifisches Vorbereitungstraining mir schnell langweilig wird und zudem startete ich die letzten Jahre dann bereits mit Wehwehchen in meine Saison.

Ihren runden 25. Geburtstag haben Sie am 1. April bei einem Riesenslalom in Andorra gefeiert, wo Sie im ersten Lauf jedoch ausgeschieden sind. Was haben Sie sich gewünscht?

Dass ich gesund bleibe, um die nächsten Jahre weiter auf hohem Niveau Ski zu fahren. Und mich weiter Richtung Weltspitze bewege.

Skifahren ist allerdings kein billiges Vergnügen. Wie organisieren Sie das eigentlich?

Ich organisiere meine Rennen und Reisen selber und versuche z.B. mit bescheideneren Hotels das Budget relativ klein zu halten. Ein Teil meiner Finanzierung läuft über den COSL-Elitekader, ebenso habe ich meinen konstanten Sold und meine Versicherung als Sportsoldat. Daneben bekomme ich ein kleines Budget von meinem Verband und damit decke ich den größten Teil meiner Saison ab. Skifahren ist aber natürlich ein großer finanzieller Aufwand, den ich ohne meine Eltern niemals hätte leisten können. Gerade am Anfang finanzierten sie alles. Es ist schwierig, in Luxemburg Sponsoren zu finden, die Sportler bei ihren Einsätzen im Ausland unterstützen.

Welche großen Ziele haben Sie noch?

Nächstes Jahr ist die WM in meiner „alten Heimat“ in Saalbach 2025 ein spezielles Ziel, da ich ganz in der Nähe zur Schule ging. Und die Spiele in zwei Jahren in Cortina d‘Ampezzo. Nach Pyeongchang und Peking ist das dann erstmals in einem traditionellen Wintersportort und ich hoffe, dass ich meine Resultate noch einmal verbessern kann.