WirtschaftsministerAcht Jahre Vollgas: Rückblick auf Etienne Schneiders turbulente Karriere

Wirtschaftsminister / Acht Jahre Vollgas: Rückblick auf Etienne Schneiders turbulente Karriere
Ein Stück Luxemburg: Etienne Schneider im Jahr 2018 nach einer Einweihungszeremonie Foto: Julien Garroy

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Am Dienstag (4.2.) gibt Etienne Schneider seine Ämter als Minister ab. Er wurde dazu nicht gezwungen, er wollte es so. Er war ein überaus aktiver Minister. Und er hat Spuren hinterlassen. Noch vergangene Woche war er, gemeinsam mit Erbgroßherzog Guillaume und Finanzminister Pierre Gramegna, für die Luxemburger Wirtschaft auf Mission.

Im Februar 2012 wurde Etienne Schneider Nachfolger von Jeannot Krecké als Minister für Wirtschaft und Außenhandel in der damaligen CSV-LSAP-Regierung. Zuvor war er leitender Regierungsberater im Wirtschaftsministerium.

Einen großen Überraschungscoup lieferte er gleich nach den Wahlen von Oktober 2013. Sein Verzicht auf den Posten des Premierministers führte damals dazu, dass sich die – sechs Jahre später immer noch stehende – Dreierkoalition fand. Die Partei, die am meisten Stimmen eingesammelt hatte, war damit nicht glücklich. Doch die Zahlen gingen auf. Ein historischer Schritt: Erstmals seit Jahrzehnten hatte das Großherzogtum wieder eine Regierung ohne CSV.

Etienne Schneider wurde stellvertretender Premierminister. An seinem Posten als Wirtschaftsminister hielt er fest, auch als er nach den Wahlen von 2018 das Verteidigungsministerium durch das Gesundheitsministerium ersetzte.

Es war eine gute Zeit für die Wirtschaft. Nach der großen Finanzkrise von 2008 war die Konjunktur wieder weltweit auf Wachstumskurs. Unter Schneider wuchs die Luxemburger Wirtschaft weiterhin schneller als in den Nachbarländern. In vielen Bereichen hat er das Land auf die Weltkarte gesetzt. Etwa indem er Luxemburg für Google interessant machte oder indem er die weltgrößte Fabrik zur Herstellung von Nanokarbonfasern ankündigte. In der Energiewirtschaft hat er ein Gesetz hinterlassen, das es Verbrauchern erlaubt, selber Produzent zu werden. Die Arbeitslosigkeit ist in seiner Amtszeit leicht, auf 5,4 Prozent, geschrumpft. Im Februar 2012 lag sie bei 6 Prozent.

Fast 100.000 neue Arbeitsplätze

Die Welt der Unternehmen ist überaus zufrieden mit seiner Leistung. Carlo Thelen von der Luxemburger Handelskammer „bedauert“, dass der Minister nun das Amt abgibt. „Er verstand die Betriebe. Er hat zugehört.“ Zudem habe er seine Teams gut organisiert und dem Ministerium eine klare Strategie gegeben. Er habe viel getan, um Volkswirtschaft und Betriebe voranzubringen.

Ein Bild aus dem Jahr 2014: An der Grenze zu Nordkorea
Ein Bild aus dem Jahr 2014: An der Grenze zu Nordkorea Foto: Christian Muller

Als besondere Initiative hob Thelen den vom Minister initiierten Rifkin-Prozess hervor. „Als er fragte, war ich sofort überzeugt.“ Nun müsse man hoffen, dass es weitergeht mit dem Weg in Richtung qualitatives Wachstum und Kreislaufwirtschaft. Nach wie vor steigt die Zahl der Arbeitsplätze jedoch stark an. Unter Minister Schneider wurden fast 100.000 neue Jobs geschaffen.

Seine pragmatische, organisierte und strukturierte Herangehensweise wurden auch von Finanzminister Gramegna geschätzt, wie er gegenüber dem Tageblatt sagte. Zudem sei der Wirtschaftsminister offen für Kompromisse gewesen und das Abgemachte sei umgesetzt worden. „Es war eine gute Zusammenarbeit“, so der Finanzminister. Auch persönlich habe er Schneider schätzen gelernt: Beide teilen eine Leidenschaft für guten Wein – und Schneider habe ihm bei seiner Auswahl vertraut. Insgesamt sechs Jahre waren sie zusammen in der Regierung.

„Ich werde nun viel Zeit haben“

Seine letzte Reise als Luxemburger Minister brachte Etienne Schneider nach Kuwait und in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Unternehmer, Journalisten, alles war dabei. Eine Abschiedsreise war es trotzdem nicht. Alles verlief wie immer. Wie geplant. Jeder kannte seine Rolle. Die drei Vertreter des Staates sind ein eingespieltes Team. Nur Gramegna erinnerte daran. Gleich mehrmals. Nachdem Schneider in der Handelskammer in Dubai vor Unternehmensvertretern von den Vorzügen Luxemburgs erzählt hatte, fügte der Finanzminister hinzu: „Und das war seine letzte Rede.“

Ein Tag später, in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Schneider und Maggy Nagel, sagte er, dass dies Etienne Schneiders letzte Pressekonferenz als Minister sei. Er hob hervor, dass nicht nur mit den VAE, sondern auch mit Schneider aus Kooperation eine Freundschaft entstanden war. Er hätte zwar gehofft, dass die Zusammenarbeit noch länger dauern würde. „Ich danke ihm für die Zusammenarbeit und die Freundschaft.“

Traurig waren eigentlich nur andere. Schneider selber lachte und sah eher erholt aus. „Es macht mich nicht traurig“, erklärt er. „Ich werde nun viel Zeit haben.“ Seinen 49. Geburtstag, den er in den Emiraten feierte, schien ihn fast mehr zu beschäftigen als das nahende Ende seiner Amtszeit.

Ein Bild aus dem Jahr 2012. Xavier Bettel war damals noch Bürgermeister der Stadt Luxemburg.  
Ein Bild aus dem Jahr 2012. Xavier Bettel war damals noch Bürgermeister der Stadt Luxemburg.   Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Seinen Job hat er immer gerne gemacht. Den Elan spürten auch die Mitarbeiter. „Wenn es mal keine Aktualität gab, dann hat er nur zwei Sätze gesagt … und schon gab es wieder Aktualität“, sagte Paul Zenners aus der Presseabteilung des Wirtschaftsministeriums. „Wir haben uns gut amüsiert.“

Von Kalifornien bis Luxemburg

Er ist ein Wirtschaftsminister, der Spuren hinterlässt. Vor allem mit der Initiative Space Resources hat er weltweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Gemeinsam mit internationalen Partnern erstellte er eine Vision und inspirierte die Welt. So wie es im Silicon Valley vorgelebt wird.

Während hierzulande manche Politiker meinten, wer Visionen hat, solle zum Arzt gehen, arbeitete Schneider an der Umsetzung seiner Vision. Nach und nach holte er weitere Partner hinzu. Als erstes Land unterzeichneten die VAE ein Abkommen mit Luxemburg. Viele andere, von Belgien über Japan bis Polen, folgten. Selbst die US-Regierung entsandte einen Vertreter nach Luxemburg, um im Namen der NASA mit der neuen Weltraummacht Luxemburg ein Kooperationsabkommen zu unterzeichnen. Normalerweise hat ein kleines Land wie Luxemburg zu solchen Zwecken selber nach Washington zu kommen.

Während es vor der aktuellen Regierungskoalition kaum positive Berichte über die Luxemburger Wirtschaft (oder den Finanzplatz) in der internationalen Presse gab, so ist das heute anders. Über Luxemburg gibt es nun auch positive Berichte: vom kostenlosen öffentlichen Verkehr über die grünen Finanzen bis hin zur Legalisierung von Cannabis. Das Space Mining hatte den Anfang gemacht.

Schneider selber erhielt mehrere internationale Auszeichnungen für seine Leistungen. Ein schönes Lob gab es zuletzt von US-Botschafter Randy Evans. Er bezeichnete den Minister als „Visionär, der Punkte verknüpfen kann, wo andere mal keine Punkte erkennen können“.

Keine Seifenblase

Zudem wird die Weltrauminitiative nicht zur Seifenblase der Geschichte verkommen. Schneider hat nachhaltig gearbeitet, ein Beratungsgremium und feste Strukturen geschaffen. Die Luxemburger Weltraumagentur steht. Ein millionenschwerer Investitionsfonds ebenfalls. Auch wenn eine vom Staat getätigte Investition schieflief, so zieht es seit der Ankündigung weiterhin spezialisierte Weltraumunternehmen ins Großherzogtum. 

Er sei nun natürlich, wie wohl jeder in der Regierung, traurig über den Abschied von Etienne Schneider, sagt Gramegna. Doch dies seien immer persönliche Entscheidungen. „Er schien den Stress gut zu meistern“, doch im Endeffekt könne niemand besser als er selber wissen, was am besten für seine Work-Life-Balance und seine Gesundheit ist. Auch Paul Zenners meint: „Nach acht Jahren Vollgas … da kann ich verstehen, wenn man eine Pause einlegen will.“

Dem Mond, auf den viele Oppositionspolitiker den ideenreichen Politiker am liebsten geschickt hätten, wird Etienne Schneider in nächster Zeit wohl keinen Besuch abstatten. Der Weltraum wird ihn aber wohl weiter beschäftigen. Die Chancen stehen gut, dass er kommendes Jahr zum neuen Direktor von Europas Weltraumagentur ESA ernannt werden könnte. Das Mandat vom aktuellen Generaldirektor Jan Woerner wird auslaufen. Berichten zufolge stehen eine Reihe Mitgliedstaaten hinter Etienne Schneider.

Es ist ein schwieriger Posten, da es gilt, die Interessen von Mitgliedstaaten mit den Zielen der Institution selber unter einen Hut zu bringen. Der ideale Kandidat wäre sowohl im Sektor des Weltraums als auch in der Politik ein anerkannter Player. Jemand, der die Technik versteht und die Funktionsweise der schwerfälligen internationalen Organisation verbessern kann. Somit stellt Schneider bereits jetzt die richtigen Bedingungen, um später möglichst viel Handlungsspielraum haben zu können. Er wäre der erste Luxemburger auf diesem Posten.

Januar 2018: Kurz vor dem Start des ersten Luxemburger Militärsatelliten
Januar 2018: Kurz vor dem Start des ersten Luxemburger Militärsatelliten Foto: Christian Muller
J.Scholer
4. Februar 2020 - 14.18

An ihren Taten soll man sie erkennen. Google, Space Mining, Yoghurt Fabrik,.... alles umweltfreundliche wie CO2 verschlingende Projekte.“ Dobai fäellt net an d‘Gewicht , wou ech fréier ze Fouss op den Postbüro gaangen sin , haut mam Auto foueren.“

Charles Munchen
3. Februar 2020 - 22.58

Bravo Etienne, Du bass e Groussen. Vill Gléck wönschen ech Dir fir deng zoukünfteg Karrier(en) und de Succès vun denen ech nët zweifelen.

Charles Munchen
3. Februar 2020 - 22.54

Bravo Etienne, Du bass e Groussen. Vill Gléck fir deng zukünfteg Karrier(en).

Marc Schmit
3. Februar 2020 - 22.08

Ganz gudden Artikkel deen den Etienne Schneider a seng Carrière (vum Conseiller an der Gemengepolitik Käl/Téiteng bis zum Vizepremierminister) exzellent beschreiwen. . . . chapeau

Edmée Olinger
3. Februar 2020 - 20.23

Guter Artikel, ich hätte ihn zwar morgen im Tageblatt gelesen aber so ist das schon geschehen. Etienne Schneider war sicher ein guter Minister, er wird auch weiterhin gute Arbeit leisten.

Le méchant z.Z London
3. Februar 2020 - 19.57

Es ehrt den Mann weil er nicht dauern Minister sein wollte, weil er außerdem auch noch fähig ist einen Karriere in der Wirtschaft zu machen, wo er mehr Zeit hat für sein Privatleben...............