Spanien/MallorcaAktivisten besetzen „Ballermann“-Strand

Spanien/Mallorca / Aktivisten besetzen „Ballermann“-Strand
„Hallo Deutsche, zu sagen, dass Mallorca euer 17. Bundesland ist, ist beleidigend“, steht auf einem Schild, das an einem Strand auf Mallorca aus Protest gegen den Massentourismus auf der Balearen-Insel gezeigt wird Foto: Clara Margais/dpa

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Bisher verliefen die Proteste gegen die Folgen des Massentourismus auf Mallorca friedlich. Doch der Ton auf der spanischen Mittelmeerinsel, die diesen Sommer auf einen neuen Touristenrekord zusteuert, wird schärfer. Nun tauchen kriminelle Hass- und Hetzparolen auf. Kippt demnächst die Stimmung auf Mallorca, die vor allem von deutschsprachigen und britischen Urlaubern besucht wird?

Die städtischen Reinigungskommandos in der Inselhauptstadt Palma und in anderen mallorquinischen Orten kommen kaum noch hinterher: Sie haben immer mehr Arbeit mit tourismusfeindlichen Schmierereien an Hausfassaden, Bauzäunen oder Müllcontainern. Sprüche wie „Tourist, go home“ (Urlauber, geh nach Hause), „Stop tourism“ (Stoppt den Tourismus) oder „More tourists? No thanks!“ (Mehr Touristen? Nein, danke!“) machen schon seit Monaten die Runde.

Doch diese Slogans sind harmlos verglichen mit jenen, die in den letzten Tagen für Entsetzen sorgten: „Kill a tourist“ (Töte einen Touristen) prangt auf einer Mauer in Manacor, der drittgrößten Inselstadt, die im Osten Mallorcas liegt. Nicht weniger schlimm ist der Spruch „Tourismus macht frei“, der in Palma auf Deutsch auf mehrere Wände gesprüht wurde – eine Parole, die von der verhöhnenden Aufschrift „Arbeit macht frei“ an Nazi-Konzentrationslagern abgeleitet wurde.

Mit diesen Vorkommnissen wird auf Mallorca eine rote Grenze überschritten. Die Autoren dieser Sprüche machen sich nicht nur der Sachbeschädigung, sondern auch der Volksverhetzung und Aufstachelung zum Hass schuldig. Die Förderung von „Hass, Feindseligkeit, Diskriminierung oder Gewalt gegen eine Gruppe oder gegen eine bestimmte Person“ kann auch in Spanien mit Gefängnis geahndet werden – und zwar mit bis zu vier Jahren Haft.

Diese Radikalisierung alarmiert die Tourismusbranche: „Das sind keine friedlichen Forderungen mehr, sondern extremistische Äußerungen“, erklärt die mallorquinische Hotelvereinigung FEHM. Die Hoteliers hatten die bisherigen Demonstrationen mit einem gewissen Verständnis begleitet. Sie teilen sogar die Forderung nach einer Deckelung der Touristenmenge. „Wir brauchen mehr Qualität, aber nicht mehr Quantität.“

Provokationen

Die auf der Insel regierenden Konservativen verurteilten ebenso die „besorgniserregende Ausbreitung von Graffiti mit tourismusfeindlichen Botschaften“. Eine Sprecherin der konservativen Volkspartei in Manacor, wo die „Kill a tourist“-Parole auftauchte, sagte: „Diese Schmiererei spiegelt auf keinen Fall die Mehrheitsgefühle der Einwohner wider. Touristen sind und bleiben willkommen.“

Auch die Mallorca Zeitung kritisierte die radikalen Parolen: „Hetze gegen Urlauber auf Mallorca: Habt ihr sie noch alle?“, überschrieb das Blatt einen Kommentar und beruhigte zugleich: „Von den Sauftouristen abgesehen, muss kein Urlauber auf Mallorca fürchten, nicht mehr willkommen zu sein oder angefeindet zu werden.“ Es handele sich um Provokationen einiger weniger Aktivisten. Der überwiegende Teil der Bevölkerung – und auch der Protestbewegung – teile diese Hetze nicht.

Das gilt ebenfalls für jene etwa einhundert Demonstranten, die am Sonntagmittag an einer friedlichen Aktion an der Playa de Palma, dem „Ballermann“-Strand, teilnahmen. Sie erklärten, „dass wir nicht gegen die Touristen protestieren“, sondern gegen das Modell des unbegrenzten touristischen Wachstums. Mit Sonnenschirmen, Plakaten und mallorquinischen Fahnen machten es sich die Aktivisten im Sand bequem – genau gegenüber dem Strandlokal „Balneario Beach Club Six“, das als „Ballermann 6“ bekannt ist.

Gegenbewegung

Auf einem großen Transparent prangte der Spruch „Lasst uns unsere Strände besetzen“. Eine andere Protestbotschaft lautete: „Stoppt die Zerstörung Mallorcas.“ Ein Sprecher erklärte, dass das Gebiet der Playa de Palma, die wichtigste deutschsprachige Urlauberhochburg, die Probleme des Tourismus symbolisiert. Dazu gehöre, dass sich die Einheimischen zunehmend fremd auf ihrer Insel fühlten.

Die Protestaktion überraschte die Urlauber, die sich zu dieser Zeit am Strand befanden. Einige packten ihre Sachen, um sich dann in sicherer Entfernung wieder niederzulassen. Andere machten Fotos von diesem „Urlaubserlebnis“. Zu Zwischenfällen kam es nicht.

Die Anti-Tourismus-Proteste riefen inzwischen eine Gegenbewegung auf den Plan: die Bürgerinitiative „We love tourism in Mallorca“ (Wir lieben den Tourismus auf Mallorca). Es sei richtig, dass Mallorca ein Problem mit den Folgen des Massentourismus habe, erklärt sie. Aber dafür könne man nicht den Urlaubern die Schuld geben. Man dürfe den Tourismus, von dem die Insel lebe, nicht verteufeln. „Deswegen wollen wir den Feriengästen ein Signal der Unterstützung und des Wohlwollens übermitteln.“