„Doktere vun der Welt“Aktivitätsbericht 2023 zeigt wachsende Anzahl an Hilfsbedürftigen

„Doktere vun der Welt“ / Aktivitätsbericht 2023 zeigt wachsende Anzahl an Hilfsbedürftigen
 Foto: Editpress/Julien Garroy

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Der Zugang zu einer medizinischen Versorgung ist ein Menschenrecht, in dessen Genuss im reichen Luxemburg aber noch lange nicht jeder kommt. 2023 mussten 1.193 Personen auf medizinische Hilfe der „Médecins du Monde Luxembourg“ (MdM) zurückgreifen. Am Mittwoch stellte die Hilfsorganisation ihren Aktivitätsbericht 2023 vor. Dieser spiegelt vor allem die steigende Armut hierzulande wider.

Die Zahlen steigen seit 2015 kontinuierlich (mit Ausnahme des Lockdown-Jahres 2020). Neben den 1.193 Patienten, wurden insgesamt 3.255 Beratungen gezählt. Der Unterschied liegt darin, dass den meisten Hilfsbedürftigen auf medizinischem Plan schnell geholfen werden kann, wie z.B. mit „einem Nasenspray“, wie Sekretär Ralph Hanck es ausdrückt.

„Sehr oft versteckt sich aber hinter einem einfachen Schnupfen eine große soziale Armut“, fügt Präsident Dr. Bernard Thill hinzu. Er habe sich manchmal gefragt, was er als Arzt eigentlich in der Organisation soll, es würden vor allem Sozialarbeiter benötigt. Es sei vor allem die soziale Misere, die den Leuten zu schaffen mache.

Es sei schwer, mit Leuten, die kein Dach über dem Kopf haben, ein Lebensprojekt zu erstellen. Bei ihnen müsse man eher von „Überlebensprojekt“ reden. Die Erstellung eines Lebensprojekts ist allerdings eine der Bedingungen, um in den Genuss der CUSS zu kommen, der „Couverture universelle des soins de santé“ (universelle Abdeckung der Gesundheitsversorgung), die 2022 als Pilotprojekt eingeführt wurde. MdM ist eine der Hilfsorganisationen, die in dem Rahmen Hilfsbedürftige sozial versichern darf (die anderen sind CNDS, Stëmm vun der Strooss, Médecins du Monde, Jugend- an Drogenhëllef und das Rote Kreuz). 27 Personen konnten 2023 über diesen Weg von MdM sozialversichert werden.

MdM fordert allerdings für jeden, der sich in Luxemburg aufhält, eine umfassende medizinische Versorgung, weil es ganz einfach ein Menschenrecht ist, so wie es sowohl von den Vereinten Nationen als auch von der europäischen Menschenrechtsdeklaration von 1950 anerkannt ist. In Luxemburg leben trotzdem etliche Menschen, wie z.B. Obdachlose, die nicht sozialversichert sind und damit auch keinen Zugang zu einer normalen medizinischen Versorgung haben. Oder Menschen, die trotz Arbeit und Unterkunft nicht sozial abgesichert sind.

Legale Basis für CUSS gefordert

MdM fordert eine Anpassung der CUSS. Vor allem müssen eine eigene gesetzliche Basis dafür geschaffen werden sowie einige der Parameter geändert werden, wie z.B. die Karenzzeit von drei Monaten, nach der Bedürftige erst Anspruch auf eine soziale Absicherung erhalten.

Die Tatsache, dass nur sechs Organisationen die CUSS anbieten können, hat die Zahl der Antragsteller bei MdM in die Höhe schnellen lassen. Mit einer einzigen Sozialarbeiterin sei MdM aber an seine Grenzen gestoßen. Der administrative Aufwand sei mit dem aktuellen Personalbestand nicht zu schaffen.

Dringend benötigt würden in Luxemburg Unterkünfte für kranke Obdachlose. Eine solche ist die „Maison L’Escale“ in Esch/Alzette. Sechs der insgesamt zehn Betten seien allerdings dauerhaft belegt – von Menschen, die so krank seien, dass sie auf der Straße nicht überleben würden. MdM hofft für das Haus auf staatliche Unterstützung.

Ein Großteil der Patienten von MdM sind Immigranten aus Drittländern (Brasilien, Nordafrika; aber keine Flüchtlinge, diese haben mit der Anerkennung ihres Statuts Anspruch auf Sozialversicherung). Mit jedem Patienten führt die MdM eine Befragung durch, wobei auch gefragt wird, warum sie nach Luxemburg kamen. Lediglich 3,2 Prozent gäben an, sie seien speziell nach Luxemburg gekommen, um hier von der Gesundheitsversorgung zu profitieren. Alle andere kommen aus anderen Gründen. Damit wäre der Mythos des Sozialschmarotzers widerlegt, meint Dr. Thill.

2023 finanzierten sich die „Doktere vun der Welt“ zu 57 Prozent von Spendengeldern; 1.585.492,30 Euro nahmen sie ein, gegenüber 1.064.341,72 im Vorjahr. Den Anstieg um rund 50 Prozent führt Sekretär Ralph Hanck allerdings darauf zurück, dass die MdM im Jahr 2023 ihr zehnjähriges Bestehen feierten. Für 2024 rechne man nicht mit der gleichen Summe.

2023 in Zahlen

160 freiwillige Helfer
1.193 Patienten (71% Männer)
50 Patienten unter 18 Jahren
90 verschiedene Nationalitäten
3.255 Sprechstunden
Spenden: 1.585.492,30 Euro