PorträtAntónio Costa, der designierte EU-Ratspräsident

Porträt / António Costa, der designierte EU-Ratspräsident
António Costa besuchte im April 2017 als portugiesischer Premierminister Luxemburg Foto: Editpress-Archiv

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Der ehemalige portugiesische Regierungschef António Costa soll im Herbst die Nachfolge des derzeitigen EU-Ratspräsidenten Charles Michel antreten. Wer ist der Mann?

Im Herbst vergangenen Jahres schien für António Costa das Ende seiner langen politischen Karriere gekommen zu sein: Korruptionsermittler durchsuchten im November den Amtssitz des damaligen portugiesischen Premiers in Lissabon und transportierten kistenweise Material ab. Es bestand der Verdacht, dass Costa, der acht Jahre lang das Land regierte, bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Millionengeldern gemauschelt haben soll.

Der Sozialdemokrat, der als Brüssler Musterschüler galt, weil er Portugal mit großer Disziplin aus einer tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise herausführte, trat noch am selben Tag zurück. Der Premier, der 2022 noch mit absoluter Mehrheit als Regierungschef bestätigt worden war, verabschiedete sich mit den Worten: „Ich habe ein reines Gewissen. Aber das Amt des Ministerpräsidenten ist nicht vereinbar mit dem Verdacht, eine kriminelle Handlung begangen zu haben.“

Ich kenne nur wenige politische Führer mit einem solchen Verhandlungsgeschick wie Costa

Pedro Sánchez, Spaniens Premierminister

Inzwischen ist weitgehend klar, dass Costa zu Unrecht verdächtigt worden war. Die Ermittler mussten zugeben, dass sie in den Protokollen abgehörter und mutmaßlich belastender Telefongespräche den damaligen Premier mit dem Wirtschaftsminister verwechselt hatten, der kurioserweise ebenfalls António Costa hieß. Die Ermittlungen sind zwar noch nicht gänzlich abgeschlossen, aber der frühere Regierungschef gilt inzwischen als weitgehend rehabilitiert.

So wurde für Portugals 62 Jahre alten Ex-Ministerpräsidenten der Weg frei, um neuer Vorsitzender des EU-Rats zu werden. Es wurde erwartet, dass die Staats- und Regierungschefs Costas Kandidatur bestätigen. Den Brüsseler Spitzenposten hatte seit 2019 der frühere belgische Premier Charles Michel inne. Der Ratspräsident führt den Vorsitz bei den Sitzungen der europäischen Staats- und Regierungschefs und vertritt die EU auf internationaler Ebene.

Costa genießt in Brüssel wie in den übrigen europäischen Hauptstädten wegen seiner Dialogfähigkeit und seines Verhandlungstalents großes Ansehen. Seine Gabe, über Parteigrenzen hinweg Brücken bauen zu können, dürfte ihm bei seinem neuen Job zugutekommen. Erst recht in einer EU, in der europaskeptische Regierungschefs wie Ungarns Viktor Orbán oder Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni das Zusammenwachsen bremsen wollen.

„Ich bin Optimist“

„Ich kenne nur wenige politische Führer mit einem solchen Verhandlungsgeschick wie Costa“, lobte Spaniens sozialdemokratischer Premier Pedro Sánchez. Costa gilt als Mann des Ausgleichs. Auch mit der designierten konservativen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versteht er sich blendend. „Er hat viel Erfahrung und ist besonnen“, loben europäische Spitzenpolitiker. Ein Politikveteran, der zudem immer ein freundliches Lächeln auf den Lippen hat.

Costa, Sohn einer Journalistin und eines Schriftstellers mit indischen Vorfahren, arbeitete als Anwalt, bevor er vor rund 40 Jahren in die Politik ging. Er begann seine politische Karriere im Stadtrat Lissabons. Es folgten Stationen als Staatssekretär, Minister, Europaabgeordneter und Bürgermeister der Hauptstadt Lissabon. 2015 stieg er dann als Parteichef seiner Sozialistischen Partei zum Ministerpräsidenten Portugals auf. Ein Amt, das er bis zu seinem Rücktritt im Herbst 2023 bekleidete.

Costa ist berühmt für seine fast grenzenlose Geduld, die er sich nach eigenem Bekenntnis bei einer seiner Lieblingsbeschäftigungen, dem Puzzeln, aneignete. Zudem sagt der mit einer Lehrerin verheiratete Vater zweier Kinder gerne über sich selbst: „Ich bin Optimist.“ Ein Wesenszug, der ihm bei der Bewältigung der europäischen Herausforderungen helfen könnte. Und der von seinem früheren Universitätslehrer, dem heutigen Staatspräsidenten Portugals Marcelo Rebelo de Sousa, einmal als „chronisch und leicht nervtötend“ beschrieben wurde.