„Autisme Luxembourg“Besuch der neuen Wohnstruktur in Olm

„Autisme Luxembourg“ / Besuch der neuen Wohnstruktur in Olm
Die Küche ist ein Ort der Begegnung: (v.l.) die Betreuerinnen Romina und Anna, die Bewohner Anne-Catherine, Marc, Mélanie und Sonia Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Anfang Juni zogen acht Bewohner in eine neue Wohnung von „Autisme Luxembourg Asbl“ (AL) in Olm. Dort erhält jede/r von ihnen eine auf ihn/sie zugeschnittene Betreuung.

Fast gleichzeitig treffen wir mit den Bewohnern in Olm ein. Den Tag über verbringen sie an ihrem Arbeits- oder Ausbildungsplatz in Beckerich. (Dort befindet sich das „Centre Roger Thelen“ mit dem Ausbildungszentrum und den Arbeitsateliers). Was auffällt, ist die Größe des Wohnzimmers. Ein Gefühl der Enge kommt hier nicht auf. Auf einer Kommode steht ein Aquarium mit Fischen, den einzigen Haustieren. „Generell sind Haustiere wie Hunde oder Katzen nicht erlaubt, es sei denn, es sind Therapietiere“, erklärt die verantwortliche Sozialpädagogin Barbara Saddi. Bei Goldfischen mache man eine Ausnahme.

Anfang Juni zogen die acht Bewohner in die neue Unterbringungsstruktur im neuen Wohnviertel Elmen in Olm (Gemeinde Kehlen). Fünf von ihnen haben bereits in einer ähnlichen, jedoch kleineren Wohnstruktur in Hollerich zusammengelebt. Die Einrichtung in Olm wurde in Zusammenarbeit mit der „Société nationale des habitations à bon marché“ eingerichtet.

Einige der Mieter haben sich in der Küche versammelt und bereiten sich vor, den Geburtstag einer der Mitbewohnerinnen zu feiern. An einer Wand hängt eine Tafel, an der die Aufgaben des Tages verteilt sind. Ein geordneter Tagesablauf ist wichtig, was aber nicht bedeutet, dass der Tag zu hundert Prozent verplant ist. Die Gruppe wird in ihrem Alltag nur so viel unterstützt, wie sie es braucht.

Gäbe uns Barbara Saddi als Betreuerin vor Ort nicht einige Erklärungen, würde sich die Gruppe auf den ersten Blick nicht von einer Studenten-Wohngemeinschaft unterscheiden, außer, dass einige der Bewohner das normale Studentenalter überschritten haben.

In der 300 Quadratmeter großen Wohnung befinden sich neben dem erwähnten Wohnzimmer und der Küche acht Schlafzimmer und ein Büro für das Betreuungspersonal. Je zwei Bewohner/innen teilen sich ein Badezimmer. Das multidisziplinäre Team setzt sich zusammen aus einer Sozialpädagogin (die Dienststellenleiterin), drei diplomierten Erzieherinnen, einer Krankenschwester, zwei Lebensbetreuern („auxiliare de vie“) und einer Auszubildenden. Punktuell können sie von einer Psychologin, einer Ergotherapeutin und einer Logopädin unterstützt werden.

Die Organisation des Alltags wird individuell an die jeweiligen Bedürfnisse der einzelnen Personen angepasst. Und diese Bedürfnisse können ganz unterschiedlich sein, so wie die Charakteristika von Menschen mit Autismus. Das Spektrum der Symptome ist sehr breit. „Kennst du einen Autisten, dann kennst du nur diesen einen Fall“, sagt die Direktionsbeauftragte Sarah Melcher. Aus diesem Grund spricht man von Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen.

Arbeiten und Ausbildung in Beckerich

Die Dienstleistungen von AL gehen weit über das betreute Wohnen hinaus. Der Verein betreibt elf verschiedene Werkstätten. An seinem Sitz in Beckerich bietet AL seit 2007 einen Berufsbildungsdienst für Jugendliche ab 16 Jahren an. In Sandweiler betreibt der Verein eine Tagesstätte.
Die Vereinigung teilt seine Schützlinge in drei Gruppen ein, erklärt Generaldirektor Marc de Geest.

Einerseits gibt es Personen, die eine große Autonomie besitzen und durchaus ohne ständige Hilfe auskommen. Sie wohnen komplett autonom, dies entweder alleine oder in einer kleinen WG, und brauchen nur punktuell auf Hilfestellung des Außendienstes der Vereinigung zurückzugreifen.

Am anderen Ende des Spektrums befinden sich Personen mit einem sehr hohen Pflegebedarf. In Boxhorn betreibt AL seit 2016 ein Wohnheim, wo elf Personen untergebracht sind, die sehr stark auf Hilfe im Alltag angewiesen sind.

Generaldirektor Marc de Geest
Generaldirektor Marc de Geest Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Zwischen den beiden Extremen gibt es die „mittlere Gruppe“, wie die Bewohner der Wohnstruktur in Olm; sie sind zu einem hohen Grad autonom, werden jedoch in der Alltagsplanung vom Personal unterstützt. Betreuungspersonal ist 24 Stunden am Tag vor Ort.

„Ab einem bestimmten Alter wollen auch solche Menschen nicht mehr bei ihren Familien leben. Wir bieten ihnen diese Form der Unterbringung an, damit sie unabhängiger werden können“, sagt Marc de Geest.

Autisme Luxembourg bleibt nicht vom luxemburgischen Problem der Wohnungsnot verschont. Rund 50 betroffene Personen warten auf einen freien Platz in einer Wohnstruktur der Vereinigung. Abhilfe wird es Anfang 2026 geben; dann wird eine neue Wohnstruktur in Petingen ihre Türen öffnen. Auf dem Gelände des früheren Lycée Mathias Adam, das bereits abgerissen wurde, entstehen u.a. drei Gebäude, die der Vereinigung dort zur Verfügung gestellt werden.

Encoche: Was ist Autismus?

Es gibt viele verschiedene Formen von „Autismus“, die unter dem Fachbegriff „Autismus-Spektrum-Störungen“ zusammengefasst werden. Diese Störungen sind angeboren und bleiben auch im Erwachsenenalter bestehen. Autismus beeinträchtigt den Alltag und das Leben der Betroffenen. Bei Menschen mit Autismus können nicht nur die Wahrnehmung, die Kommunikation und die Interaktion beeinträchtigt sein – in einigen Fällen kann es auch zu einer verminderten Intelligenz kommen. In anderen Fällen treten in Teilbereichen erstaunliche Leistungen auf (Gedächtnis, räumliches Denken, Musik usw.). (Quelle: Autisme Luxembourg Asbl)

Genug Platz für alle gibt es im Wohnzimmer
Genug Platz für alle gibt es im Wohnzimmer Foto: Editpress/Hervé Montaigu