ForumBiden oder Plan B? Ein Dilemma in einer ohnehin schon schwierigen US-Präsidentschaftswahl

Forum / Biden oder Plan B? Ein Dilemma in einer ohnehin schon schwierigen US-Präsidentschaftswahl
 Foto: AFP/Saul Loeb

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Vier Monate vor der Präsidentschaftswahl 2024 in den USA sehen sich die Demokraten mit einem perfekten politischen Sturm konfrontiert. Präsident Joe Bidens überraschend unfokussierter Auftritt bei der Debatte gegen Donald Trump hat Parteifunktionäre, Großspender und viele der wahrscheinlichsten Wähler der Demokraten veranlasst, nach einem Austausch des Kandidaten zu rufen. 

Noch vor wenigen Wochen galt die Unterstützung für Biden als beste Hoffnung für die Demokraten. Schließlich ist es nicht einfach, einen Amtsinhaber zu besiegen. Seit 1932 haben nur Herbert Hoover, Jimmy Carter, der ältere George Bush und Trump eine Wiederwahl verfehlt. Szenarien, in denen Biden sich aufs Altenteil zurückzog oder bei den Vorwahlen einen glaubwürdigen Herausforderer stellte, schienen unnötig riskant. Als sich die Demokraten Harry Truman und Lyndon Johnson 1952 bzw. 1968 entschieden, nicht wieder anzutreten, fuhren die Republikaner Dwight Eisenhower und Richard Nixon leichte Siege ein. Ebenso trug die Kandidatur des Demokraten Edward Kennedy bei den Vorwahlen 1980 dazu bei, Carters Wiederwahlkampf zu lähmen, und brachte letztlich Ronald Reagan ins Weiße Haus. 

Vor diesem Hintergrund hielten es die meisten Demokraten für sicherer, an Biden festzuhalten, der Trump bereits einmal besiegt hat. Kein Demokrat, der eines Tages Präsident werden möchte, will derjenige sein, der einen bereits gefährdeten Amtsinhaber behindert. 

Alter als zentrales Wahlkampfthema

Doch sind die wachsenden Sorgen über Bidens Alter – er ist 81 und wäre am Ende einer zweiten Amtszeit 86 Jahre alt – zum zentralen Wahlkampfthema geworden, und das, obwohl nach Trumps Verurteilung wegen eines Verbrechens in New York in Kürze das Strafmaß verkündet wird (ein Indikator dafür, wie dysfunktional die amerikanische Politik inzwischen geworden ist). Nach Bidens Debattendebakel forderte die Redaktionsleitung der New York Times, der maßgeblichen gemäßigt linken Zeitung in den USA, den Präsidenten auf, aus dem Rennen auszusteigen, und jüngste Umfragen zeigen, dass rund die Hälfte der Wähler der Demokratischen Partei dem zustimmt.

Doch wenn Biden nicht freiwillig aus dem Rennen aussteigt, sind die Chancen, ihn zu ersetzen, praktisch null. Er hat sich im Vorwahlkampf die Unterstützung der für die Nominierung auf dem Parteitag im August in Chicago nötigen Delegierten gesichert, und diese Delegierten sind verpflichtet, Biden zu unterstützen, sofern er sie nicht selbst von dieser Pflicht entbindet. Und selbst wenn die Demokraten Biden ohne Weiteres ersetzen könnten: Wer sollte der neue Kandidat der Partei sein? Umfrage um Umfrage zeigt, dass Vizepräsidentin Kamala Harris nicht beliebter ist als Biden, doch sie für einen anderen Kandidaten zur Seite zu schieben, birgt das Risiko, große Teile der Frauen und Minderheitenwähler zu verärgern. 

Was die Alternativen – den Gouverneur von Kalifornien Gavin Newsom, die Gouverneurin von Michigan Gretchen Whitmer, Verkehrsminister Pete Buttigieg und andere – angeht, so haben sich diese auf der nationalen Bühne bisher kaum bewähren können. Um zu verstehen, wie schnell ein unerprobter Kandidat scheitern kann, braucht man nicht weiter zu schauen als bis zum mit Spannung erwarteten, aber katastrophal gescheiterten Versuch des Gouverneurs von Florida Ron DeSantis, Trump bei den diesjährigen republikanischen Vorwahlen zu besiegen.

Biden hat bisher keine Anzeichen erkennen lassen, dass er zurücktreten will, und die demonstrative Unterstützung durch die Ex-Präsidenten Barack Obama und Bill Clinton soll deutlich machen, dass die Partei Fortschritte macht. Die Begründung für Bidens Verbleib im Rennen ist, dass er Trump immer noch schlagen kann. In Amerikas hyperpolarisiertem politischen Umfeld werden Millionen von Menschen, die den Meinungsforschern gegenüber erklären, dass Biden zu alt für eine zweite Amtszeit sei, trotzdem für ihn stimmen, wenn auch nur, um Trump aus dem Weißen Haus fernzuhalten. Da beide Seiten glauben, dass die Zukunft der amerikanischen Demokratie auf dem Spiel steht, dürfte die Wahlbeteiligung hoch sein.

Gelähmte Demokratische Partei

Aber der Berg, den Biden erklimmen muss, wird in den kommenden Wochen steiler werden, da eine stete Flut anonymer demokratischer Parteifunktionäre in den Medien warnt, dass er gehen müsse. Diese stetige negative Berichterstattung wird den Präsidenten in seiner Fähigkeit beeinträchtigen, das Blatt zu wenden – zumindest bis zum Parteitag im nächsten Monat. Eventuelle Gespräche darüber, das Datum der offiziellen Nominierung Bidens vorzuverlegen, würden Spekulationen schüren, dass Biden in Panik gerät, selbst wenn dem nicht so ist. Und all dies wird zu einer Zeit passieren, in der Bidens Wahlkampfteam die Aufmerksamkeit der Medien auf Trumps viele Verfehlungen zu lenken hoffte. 

Im Moment ist die Demokratische Partei gelähmt. Einen amtierenden Präsidenten zu stürzen, wäre ein enormes politisches Wagnis; an einem taumelnden Amtsinhaber festzuhalten, könnte noch riskanter sein. Trump hingegen hat einige glückliche Wochen mit guten Nachrichten genossen. Fast alle seine rechtlichen Kopfschmerzen wurden auf die Zeit nach der Wahl verschoben. Die Verkündung des Strafmaßes in seinem New Yorker „Schweigegeldprozess“ wurde verschoben. Jüngste Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs haben die Wahrscheinlichkeit verringert, dass er ins Gefängnis kommt, und konservative Wähler zugleich daran erinnert, dass er das Gericht nach rechts verschoben hat und dies im Falle seines Wahlsieges erneut tun würde. Die Medien konzentrieren sich derweil mehr auf Trumps Suche nach einem Vizepräsidentschaftskandidaten als auf Trumps eigenes erratisches Verhalten.

Die Entscheidung über Bidens politische Zukunft liegt beim Präsidenten selbst, und es ist unmöglich, zu wissen, was er tun wird. Im Moment scheint er entschlossen, seinen Kurs beizubehalten und zu versuchen, das Thema zu wechseln. Doch wird der Druck, Biden als Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei auszutauschen, mit jedem Tag wachsen. Es ist ein beispielloses Dilemma in einer ohnehin schon einzigartig dysfunktionalen US-Präsidentschaftswahl. 

Ian Bremmer ist Gründer und Präsident der Eurasia Group und von GZERO Media sowie Mitglied des Exekutivkomitees des hochrangigen UN-Beratungsgremiums für Künstliche Intelligenz
Ian Bremmer ist Gründer und Präsident der Eurasia Group und von GZERO Media sowie Mitglied des Exekutivkomitees des hochrangigen UN-Beratungsgremiums für Künstliche Intelligenz Foto: Project Syndicate

Aus dem Englischen von Jan Doolan.

Copyright: Project Syndicate, 2024

www.project-syndicate.org 

JUNG LUC
10. Juli 2024 - 13.55

Immer noch besser Biden als das TRUMPeltier.
Trump ist ein guter Präsident für Nordkorea oder Russland. Er steht seinen Freunden in diesen Ländern in nichts nach.

fraulein smilla
10. Juli 2024 - 10.59

Biden bekam es gestern hin fehlerfrei ,etwas zu laut vom Teleprompter abzulesen , und die Umhaengung der Medal of Freedom fuer Stoltenberg hat auch geklappt .Well made Jo !