EditorialCovid-Proteste: Wer schreit, hat keine Argumente

Editorial / Covid-Proteste: Wer schreit, hat keine Argumente
 Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Gegner der aktuellen Covid-Politik haben ein Recht auf freie Meinungsäußerung. Eine in den Grundfesten der modernen Gesellschaft verankerte Berechtigung, ihre Bedenken, Kritiken und Meinungen zu den jüngsten Entwicklungen im Kampf gegen die Pandemie kundzutun. Ein demokratisches Privileg, das – ob geimpft oder nicht – kein progressiver, frei denkender Mensch infrage stellt.

Auch nicht jene Bürger, die die Covid-Politik der Regierung befürworten, sich den Demonstranten nicht anschließen und die Auswüchse der jüngsten Proteste kritisieren. Auch nicht jene Polizisten, die an Wochenenden damit beauftragt werden, die öffentliche Ordnung während der Protestveranstaltungen aufrechtzuerhalten und Krawallmacher in die Schranken zu weisen. Und auch nicht jene Verantwortungsträger, die den Demonstranten Protestzonen zuweisen, um Unbeteiligte vor den Auswirkungen dieser Veranstaltungen zu bewahren.

Für Weihnachten wurden in den einschlägigen Gruppen der sozialen Netzwerke erneut Proteste angekündigt. Veranstaltungen, die angesichts der jüngsten Entscheidungen der Regierung durchaus Zündstoff bergen. Also werden die Behörden auch an den Feiertagen darauf achten, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung gewahrt bleibt, ohne dass Drittpersonen beeinträchtigt werden, Hass verbreitet wird oder Institutionen und Menschen zu Schaden kommen.

Dabei handelt es sich aber nicht um eine Beschneidung der Grundrechte, sondern um eine demokratische Gratwanderung zwischen der Redefreiheit und dem Recht auf Unversehrtheit. Dennoch werden auch über Weihnachten wieder etliche Demonstranten versuchen, diese Maßnahmen als Beschneidung ihrer Privilegien zu kritisieren und die Proteste in die Innenstadt zu verlagern. Sich über die Regeln hinwegzusetzen und Beamte anzupöbeln, nur um im Nachhinein zu beklagen, die Polizei habe „friedfertige Demonstranten tätlich angegriffen“.

Damit schadet eine Minderheit nicht nur Unbeteiligten, die ihre Feiertage in Ruhe verbringen wollen, sondern auch jenen Menschen, die ihrem Frust und ihren Ängsten friedfertig Ausdruck verleihen, im Schall und Rauch der Anstifter und Krawallmacher allerdings untergehen. Sorgen, die – wenn auch unberechtigt – durchaus nachvollziehbar sind und mit der richtigen Herangehensweise sogar aus der Welt geschafft werden könnten.

So aber werden alle über einen Kamm geschert und mit Verschwörungstheoretikern, Krawallmachern und Rechtsextremisten in einen Topf geworfen. Sie werden mit Menschen assoziiert, die die eigene Situation mit der Verfolgung der Juden vergleichen und sich als Widerstandskämpfer inszenieren, die einem vermeintlichen Terror-Regime die Stirn bieten.

Von Selbstdarstellern werden sie geleitet, die sich nicht von Ausschreitungen distanzieren und diese noch zwischen den Zeilen zusätzlich befeuern. Von Anhängern dubioser Theorien werden sie instrumentalisiert, die sich keiner Mittel zu schade sind, um das eigene Narrativ zu fördern und sich dabei wie Heilsbringer feiern zu lassen. Von Hooligans werden sie unterwandert, die offensichtlich aus dem Ausland anreisen, um dem Krawall als Hobby zu frönen und mit Pöbeleien gegen Ordnungskräfte von den eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken.

Die Zeit ist gekommen, sich deutlicher von diesen Menschen abzugrenzen. Sich die Frage zu stellen, was man eigentlich noch mit den Protesten in ihrer aktuellen Form erreichen möchte. Wer sich hinter Menschen stellt, die Polizisten bepöbeln, Kinder als Schutzschilde missbrauchen, Böller in Menschenmengen werfen und Weihnachtsmärkte stürmen, kann nicht davon ausgehen, Politiker zu überzeugen. Geschweige denn jene 620.000 Luxemburger, die nicht an den Protesten teilgenommen haben.

Wer schreit, hat keine Argumente. Seien wir mal ehrlich: Nur selten gelangen Menschen in einem von Demonstranten verursachten Stau plötzlich zur Einsicht, dass die Urheber doch eigentlich recht haben könnten.