Lügen, Propaganda, wirre TheorienDas sind Luxemburgs gefährliche Schwurbel-Influencer

Lügen, Propaganda, wirre Theorien / Das sind Luxemburgs gefährliche Schwurbel-Influencer

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Impfgegner radikalisieren sich – auch in Luxemburg, wie die Ereignisse des vergangenen Wochenendes gezeigt haben. Befeuert werden sie dabei durch ein Dauer-Stakkato von Lügen, verrückten Theorien und Propaganda auf Facebook, Telegram oder anderen Kanälen. Wir haben die einflussreichsten und gefährlichsten Protagonisten der Luxemburger Schwurbel-Szene unter die Lupe genommen.

Roy Reding

Roy Reding
Roy Reding Archivfoto: Editpress/Alain Rischard

Roy Reding ist seit 2013 Abgeordneter für die ADR – und mittlerweile bekannter „Anti-Vax“-Politiker. So treibt sich der 56-Jährige in der Schwurbler-Telegramm-Gruppe „NëtgepicktLU2.0“ herum, in der er vor Kurzem eine Presseanfrage samt Telefonnummer eines Tageblatt-Journalisten veröffentlichte. Das Resultat: Belästigung durch die User, Gestapo-Vergleiche und andere Verunglimpfungen, die sich das Tageblatt nicht bieten lässt und auch die Luxemburger Journalistenvereinigung ALJP zu einer Stellungnahme verleitete. Reding gab den radikalisierten Anhängern damit eine Vorlage, um Druck auf den Journalisten und die Pressefreiheit auszuüben. Seitdem tut Reding so, als ob das rechte Unschuldslamm nicht gewusst habe, was es tat. Gegenüber dem Radiosender 100,7 sagte Roy Reding 2016, dass er ein „Sympathisant“ von Donald Trump sei. Laut Reporter.lu gehörte Reding 2018 zu den Topverdienern unter den Parlamentariern: Mindestens 200.000 Euro verdiente er pro Jahr als Anwalt und Verwalter von diversen Gesellschaften.

Roy Redings Unternehmen „Flying Wings S.A.“ stand 2013 unter Verdacht, mehreren „Hooters“-Betreibern illegale Unterlizenzen verkauft zu haben. Gegen den ADR-Politiker wurden allerdings keine Ermittlungen aufgenommen und das Verfahren wurde im Januar 2015 ergebnislos eingestellt. In der „Hooters-Affäre“ hatte Reding dann 2016 eine Verleumdungsklage gegen die drei früheren Geschäftspartner und Kläger aus Deutschland eingereicht. Diese wurde allerdings 2016 am Berufungsgericht abgewiesen.

Reding musste 2015 50.000 Euro Strafe zahlen, weil er in einem Haus, das seiner Firma gehörte, Umbauarbeiten ohne Baugenehmigung machen ließ. Eine Wand im Erdgeschoss soll unerlaubt eingerissen worden sein, womit aus zwei ursprünglich als Keller bezeichneten Räumen eine weitere Wohnung geschaffen worden sei.

2019 hing Reding seine Anwaltskarriere an den Nagel. „Dies gibt mir die Unabhängigkeit, in jedem Dossier schreiben und sagen zu können, was notwendig ist, ohne berufliche Konsequenzen befürchten zu müssen“, schrieb der ADR-Abgeordnete damals. Redings Rücktritt folgte auf eine Auseinandersetzung mit der Generalstaatsanwältin Martine Solovieff. Reding hatte der Justiz in einem RTL-Interview vorgeworfen, „systematisch“ Informationen an die Presse zu leaken.

Der Parlamentarier schrieb letzte Woche auf den sozialen Netzwerken: „Ich fahre jetzt nach Südafrika und bringe den sanften Omikron mit. Gratis. Und ansonsten bin ich im Streik!“ Chamber-Präsident Fernand Etgen nannte diese Aussage RTL gegenüber für einen Volksvertreter „unverantwortlich“. Eine Untertreibung, wie wir finden.

Sacha Borsellini

Sacha Borsellini
Sacha Borsellini Foto: Editpress

Als einer der neuen Wortführer der Schwurbler-Szene hat sich der Escher Sacha Borsellini entpuppt. Der 27-jährige Gefängniswärter äußert sich seit knapp einem Jahr über die sozialen Medien immer kritischer zu den Corona-Maßnahmen der Regierung und war am Samstag einer der Wortführer der Protestgruppe auf der „Kinnekswiss“. Er sei schon früher „kritisch“ gewesen, doch seitdem habe er sich weitergebildet, sich unter anderem mit „Propaganda“, „Manipulation“ und „Psychologie“ auseinandergesetzt. Jetzt sei er „noch kritischer“. So zumindest schildert er es im Interview mit dem Schwurbler Bas Schagen.

„Keen eenzegen Mënsch misst an engem Land wéi Lëtzebuerg ob d’Stross goen wann net permanent géiff gelunn ginn an wann net offensichtlech dem Vollék an den Réck gefall géiff ginn!“, schreibt Borsellini in einem Statement zu den Geschehnissen am Samstag. Er scheint vor allem von Politikverdrossenheit motiviert, pauschalisiert allerdings ständig und verfällt immer wieder in rechtspopulistische Rhetorik. Die Regierung bezeichnet er in fast allen politischen Posts als „Verspriechensbriecher“ und „Lügner“, die Presse als „instrumentalisiert“ und „gesteuert“. Das Volk solle „manipuliert“ werden. „Sie wëssen net méi waat se den Mënschen nach verzielen sollen, wéieng Statistiken se nach verfälschen sollen oder wéieng Mutatioun se nach op den Marché kënnen bréngen vir eis an Angscht ze haalen an eis gefügeg ze maachen“, schreibt er am 26. November. Konkrete Beispiele für seine Vorwürfe nennt er nicht. Oft bleibt er oberflächlich und vage, lässt seinen Unterstützern damit den Raum, den eigenen Hass in seine Worte hineinzuinterpretieren.

Wie viele aus der Schwurbler-Szene versucht Borsellini, die Corona-Maßnahmen als Schikane und Diskriminierung darzustellen, anstatt als Schutzfunktion für die Schwächsten unserer Gesellschaft. In einem Post vom 29. November bemüht er gar den haarsträubenden Vergleich mit dem Faschismus, den das Tageblatt dekonstruiert hat. Hier sein Zitat im Original: „Mir beweegen eis mat rasanter Vitesse an een Impf-Apartheidsstaat mat kloëren Unzeechen vun engem Impf-Faschismus deen awer absolut näischt mat Gesondheet zedin huet, mais just als Alibi benotzt gëtt vir eng Minoritéit aus ze grenzen an ze diskriminéieren.“

Wem der Name aus einer anderen hitzigen Debatte der vergangenen Monate bekannt vorkommt, irrt nicht: Der Escher ist auch eine der Personen, die die Forderung nach einem Referendum laut unterstützten und für ihre Ansichten instrumentalisieren. „Ech denken et ass nëmmen méi wéi richteg dass den Lëtzebuerger mat iwwer déi Verfassungsännerung bestëmmen kann an net nëmmen e puer Politiker, déi wéi mir déi lescht Méint oft hunn missten realiséieren komplett niewend der Spuur waren an méi wéi eng kéier hirt Versprichen gebrach hunn!“, heißt es in einem Post am 20. November.

Immer wieder betont Borsellini, dass „viele“ oder sogar eine „Mehrheit“ hinter ihm stehen. Mehrfach behauptet er in den sozialen Medien, dass die Polizei die Proteste gegen die Regierung unterstütze – das wisse er als Staatsbeamter. Auf der Arbeit habe er nach eigenen Aussagen im Schagen-Interview keine Anfeindung erlebt, aber die Gefängnisverwaltung habe ihm ein „ordre de justification“ zugeschickt. Als er mit einem Anwalt gedroht habe, seien danach keine weiteren Schritte erfolgt. Auf Nachfrage des Tageblatt heißt es von der Verwaltung, man gebe keine Details zu Personalfragen preis.

Zu Gewalttätigkeiten ruft Borsellini in seinen Posts nicht auf, doch er war einer der Einheizer, die am Samstagabend die Grundstimmung in die Höhe peitschten. Am Sonntag versuchte er zunächst den Zusammenhalt der Szene zu beschwören: „Mir mussen ALLEGUERTEN een kloëren Kapp behaalen well elo kommen Zäiten wou mam Fanger ob eis ALLEGUERTEN gewisen gëtt vir eis alt ërem ALLEGUERTEN an een Dëppen ze geheien an eis eng weider kéier ze stigmatiséieren!“, ehe er dann doch die Gewalt verurteilt – und im gleichen Satz versucht, das Verhalten der Protestteilnehmer zu verteidigen. Denen gestand er im Vorfeld des Protests am Samstag auch zu, dass sie sich „ein bisschen vermummen“ können. „Vir déi wou kommen wellen an net erkannt wellen gin.“

Benoît Ochs

Benoît Ochs
Benoît Ochs Foto: Editpress

Noch praktiziert Benoît Ochs als Allgemeinmediziner in Gonderingen. Aber das könnte sich im Januar ändern. Dann soll die Disziplinarkammer in zweiter Instanz über ein einjähriges Berufsverbot entscheiden, das das Luxemburger „Collège médical“ gegenüber Ochs verhangen hat. Der Termin für das Berufungsverfahren wurde aus „prozeduralen Gründen“ vom 15. Dezember in den Januar gelegt. 

Gegen die Entscheidung der ersten Instanz im Sommer hatte Ochs Berufung eingelegt – darin hatte die Disziplinarkammer dem „Collège“ recht gegeben. „Mit all dem, was er den Menschen sagt, ist er nicht im Einklang mit den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen“, sagte ein Sprecher des „Collège médical“ am vergangenen Montag gegenüber dem Tageblatt

Das ist etwas euphemistisch ausgedrückt. Ochs verbreitet Angst und Schrecken vor der Corona-Impfung – und begründet seine Thesen auf falschen oder irrsinnig vereinfachenden Daten. Und auch Ochs spart natürlich ebenfalls nicht mit den in der Szene angesagten unangebrachten Nazi-Bildern: Diejenigen, die Kindern den Impfstoff verabreichten, seien mit jenen Medizinern vergleichbar, die man in „Nürnberg“ vorfand, lautet einer seiner Ergüsse. Gleichzeitig verschrieb Ochs laut dem Luxemburger Wort Patienten das Entwurmungsmittel Ivermectin.

Ochs gilt neben BasTV als einer der Organisatoren bzw. Masterminds der Luxemburger Corona-Proteste. Schlagzeilen macht er auch in Frankreich – zum Beispiel durch Auftritte bei Demonstrationen in der Großregion sowie Videos auf französischen Anti-Vax-Seiten. Die internationale Nachrichtenagentur AFP widmete dem „médecin luxembourgeois“ sogar einen eigenen Fact-Checking-Artikel – und widerlegte darin seine Theorien über die Thrombosegefahr durch Impfungen.

Durch seine gefährlichen Thesen und den Medienrummel um seinen Prozess ist Ochs inzwischen zu einem der bekanntesten Gesichter der Impfgegner-Bewegung geworden. Legendär sein Auftritt bei der „Marche blanche“ im Oktober, als er mit seiner weißen Daunenjacke – und ohne Maske natürlich – auf die Treppen vor der Chamber kletterte und sich wie ein Sektenguru von seinen Anhängern feiern ließ. „Ein Arzt ist da, um die Menschen zu heilen – und nicht, um ihnen egal was zu erzählen“, sagt der Sprecher des „Collège médical“. Vielleicht sollten Ochs’ Anhänger einmal darüber nachdenken.

Dieser Text wurde am 13. Dezember aktualisiert. 

Peter Freitag

Peter Freitag
Peter Freitag Foto: Editpress

Peter Freitag verglich „Santé“-Direktor Jean-Claude Schmit in den sozialen Medien mit dem nationalsozialistischen Kriegsverbrecher Josef Mengele. Auf seinem Twitter-Account postete Freitag zudem am 31. Oktober unkommentiert einen Screenshot von einem grün aufleuchtenden Covid-Check-Impfzertifikat mit dem zugewiesenen Namen Adolf Hitler. Ob er das gefälschte Zertifikat selbst erstellt hat oder die Fälschung einfach nur amüsant findet, verrät er in dem Post nicht.

Erst kürzlich organisierte Freitag gemeinsam mit Schwurbler Jean-Marie Jacoby die Demonstration mit dem Namen „Saturday for Liberty & Polonaise Solidaire mat Party in the City“. In der Ankündigung vom 18. November zu der Veranstaltung schreiben die beiden Organisatoren: „Die Regierung bringt mit den Covid-Gesetzen ständig Texte ein, die gegen die Luxemburger Verfassung verstoßen“, darunter zum Beispiel mit einem „Maskenzwang, der zur Gesundheitsschädigung zwingt“. Man wolle mit den Demonstrationen bis zum „Ende der Covid-Diktatur“ weitermachen.

Freitag war bereits in der Vergangenheit in der Luxemburger Politik aktiv – er hatte für die Piratenpartei gearbeitet, mittlerweile ist er aber ein Ex-Pirat. Der Piraten-Abgeordnete Sven Clement sagte in einem Tageblatt-Interview im August 2020 über Freitag und einen weiteren Ex-Piraten-Kandidaten, Christian Isekin: „Bei diesen beiden hätten wir besser aufpassen müssen.“ Krach mit seiner eigenen Partei gab es für Freitag bereits Mitte 2019: Laut einem Bericht von L’essentiel warf die Piratenpartei damals dem Magazin Reporter.lu vor, Falschinformationen verbreitet zu haben – dabei ging es um einen Reporter-Bericht, in dem sich Peter Freitag negativ über die Partei geäußert haben soll. „In der Partei herrscht eine Atmosphäre von Angst und Unterdrückung“, wird Freitag in dem Bericht zitiert. Weiter heißt es: „Wie RTL berichtet, wirft Generalsekretär Marc Goergen dem Mitarbeiter der Partei vor, Daten gestohlen zu haben. Die Piraten wollen ihn daher anklagen.“ Freitag ist darüber hinaus dafür bekannt, Journalisten in den sozialen Medien frontal anzugreifen, oft aufgrund einer dünnen bis inexistenten Faktenlage.

Jean-Marie Jacoby

Jean-Marie Jacoby
Jean-Marie Jacoby Foto: Editpress

Jean-Marie Jacoby ist – als einer der Organisatoren der „Marches blanches“ – eine Schlüsselperson in der Schwurblerszene Luxemburgs. Auf Fotos der Protestaktion vom Samstag sieht man, wie Jacoby den Weihnachtsmarkt stürmt. Als „Opinion leader“ unter den Verschwörungstheoretikern verbreitet er auch die gängige Rhetorik dieser Kreise. So setzt er das Covid-Check-Zertifikat öffentlich mit dem „Judenstern“ gleich – ein „nicht akzeptabler Vergleich“, sagt Frank Schroeder, Direktionsbeauftragter des Luxemburger Resistenz- und Menschenrechtsmuseums, im Tageblatt-Gespräch am Montag. „Sie vergleichen die Einschränkungen, die sie hinnehmen müssen, mit dem größten Völkermord, den es auf der Welt gegeben hat“, sagt Schroeder.

In einem Brief an Lydie Polfer, Bürgermeisterin der Stadt Luxemburg, schreibt Jacoby am Sonntag zu den bereits angekündigten Protesten: „Wenn Sie Ihr Verhalten nicht verändern, oder in die falsche Richtung ändern, dann wird es immer härter zugehen.“

Jean-Marie Jacoby scheint außerdem der Meinung zu sein, dass Masken nicht nur unnütz, sondern sogar schädlich sind. Anfang September hat er dies gegenüber zwei Polizisten zum Ausdruck gebracht. In einem Video auf Facebook sieht man Jacoby, wie er ohne Maske vor einem Polizisten steht, ihm mit dem Finger drohend im Gesicht fuchtelt und sagt: „Ich mache mich nicht lächerlich, du bist lächerlich mit deiner Maske.“ Kurz darauf behauptet er, die Masken würden „krank machen“. Überhaupt scheint Jacoby ein Problem mit der Autorität der Polizei zu haben – jedenfalls dann, wenn es um die Corona-Maßnahmen geht. „Immer, wenn die Polizei versucht, die illegitimen Covid-Gesetze zu vollziehen, müssen wir ihr jede Autorität über uns absprechen“, schreiben Jacoby und Peter Freitag in einer Pressemitteilung zum einjährigen Jubiläum der „Saturday for Liberty & Polonaise Solidaire mat Party in the City“.

Mit Maske, ohne Jacoby

Jean-Marie Jacoby hatte sich am 13. Januar 2021 während einer Pressekonferenz des Ministeriums für Innere Sicherheit geweigert, eine Maske anzuziehen – und das, obwohl die Veranstaltung einer Maskenpflicht unterlag. Der Grund: Laut eigenen Aussagen sei dies wegen gesundheitlicher Probleme nicht möglich. Ein Tageblatt-Journalist war zu dem Zeitpunkt vor Ort. Die Pressesprecher hatten Jacoby die Möglichkeit gegeben, die Konferenz in einem Nebenraum per Livestream mitzuverfolgen und anschließend dem Minister Fragen zu stellen. Jacoby weigerte sich allerdings und verließ die Pressekonferenz.

Jean-Marie Jacoby arbeitet momentan als Journalist bei der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek der kommunistischen Partei KPL – das steht auch ganz oben in seinem Facebook-Profil. „Das ist absolut problematisch, weil das, was er schreibt, geht absolut gegen unsere Linie“, sagt Ali Ruckert, Präsident der KPL und Chefredakteur bei der kommunistischen Zeitung, dem Tageblatt gegenüber. Jacoby schreibe allerdings nur über Themen, die nichts mit Corona zu haben. Die Zeitung sei dabei zu überlegen, was sie „dagegen machen kann“. „Wir haben ein Arbeitsrecht in Luxemburg und darüber kann man sich auch nicht so einfach hinwegsetzen“, sagt Ruckert.

Jean-Marie Jacoby ist laut Ruckert „nicht immer so gewesen“, aber dies habe sich vergangenes Jahr verschlimmert. Der Journalist sei seit dem 2. April nicht mehr Mitglied der KPL. „Herr Jacoby ist aus der kommunistischen Partei ausgetreten – und wenn er nicht ausgetreten wäre, dann wäre er ausgeschlossen worden“, sagt Ruckert.

Dass Jacoby als Journalist arbeitet, stört auch die Luxemburger Journalistenvereinigung ALJP. „Wir wurden von sehr vielen Menschen angeschrieben, die sich gefragt haben, ob das geht, dass so jemand eine Pressekarte hat“, sagt ALJP-Präsident Roger Infalt gegenüber dem Tageblatt. Daraufhin habe die ALJP den Presserat am Sonntag in Kenntnis gesetzt, dass die öffentlichen Äußerungen und Aktivitäten von Jean-Marie Jacoby nicht kompatibel mit seiner Pressekarte seien. „Soweit ich weiß, ist der Presserat dabei, nachzuschauen, ob man einer Person die Pressekarte abnehmen kann“, sagt Infalt. Das sei bis jetzt noch nicht vorgekommen. Grundsätzlich sei es allerdings möglich, die jährliche Pressekarte einfach nicht mehr zu verlängern.

Bas Schagen

Bas Schagen
Bas Schagen Foto: Radio 100,7

Bas Schagen hat sich einen festen Platz in der Riege der Schwurbler erarbeitet. Er gehört zur Fraktion der „Man wird doch wohl noch Fragen stellen dürfen“-Gesellen. Der frühere RTL- und DNR-Mitarbeiter betreibt die Schwurbler-Plattform „BasTV“ und gibt sich dabei sehr „nett“. Der Inhalt des „Medienkanals“ gliedert sich grob in drei Teile: Leserbriefe, die ungefiltert als „Artikel“ verkauft werden, teils ohne Autorennamen erscheinen und nicht als Meinungsbeiträge markiert sind. „Videos“, die teils satirische Inhalte, teils Podcasts von Schagen beinhalten. Und „Interviews“: Hier unterhält sich der 56-Jährige mit allen, die in der Schwurbler-Welt, auch international, zu Hause sind.

Mit dabei sind acht Beiträge mit Dr. Benoît Ochs sowie mehrere Gespräche mit dem Arzt, ehemaligen ADR-Abgeordneten und Gründer der Partei für Integrale Demokratie, Jean Colombera. Der Corona-Kritiker Sucharit Bhakdi, der 2020 noch erklärte, es gebe gar keine Pandemie, und der Psychologe Harald Walach, der davon überzeugt ist, dass Impfungen ebenso viele Menschen töten wie sie retten, dürfen ebenfalls ihre wirren Ansichten zum Besten geben. In fast allen Interviews von Schagen finden sich Teile von Verschwörungstheorien, werden alternative Heilpraktiken gepriesen und die Angst vor der Impfung aktiv geschürt. Kritisch hinterfragt werden die Thesen der eingeladenen Gäste nicht.

Gemeinsam mit Benoît Ochs gilt Schagen laut Land als einer der Strippenzieher hinter den „Marches blanches“. In den sozialen Medien skandiert er, dass „die große Mehrheit kritisch ist. Sie trauten sich nur nicht auf die Straße – aus Angst vor möglichen Konsequenzen. Das haben mir ganz viele gesagt.“ In einem Video vom 12. November macht Schagen deutlich, was er von seinen ehemaligen Arbeitskollegen und der Luxemburger Presse hält: „Die“ seien alle „regierungsgesteuert“, würden die Protestler „diffamieren“, hätten „ihre Journalistenkarte nicht verdient“.

Guy Kaiser
Guy Kaiser Archivfoto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Guy Kaiser

Guy Kaiser, in Luxemburg bekannt als langjähriger Chefredakteur von RTL-Radio, ist mittlerweile nicht mehr an der Spitze des Medienunternehmens aktiv. 2017 hat er sich in die Rente verabschiedet. Untätig ist er seitdem allerdings nicht – er äußert sich in Form von Textbeiträgen regelmäßig auf einer eigenen Internetseite. Die Inspiration dafür findet er offenbar im aktuellen Tagesgeschehen im Großherzogtum und in den seiner Meinung nach fragwürdigen politischen Entscheidungen der Luxemburger Regierung.

Auf seiner Internetseite ließ Kaiser in den vergangenen Monaten nach eigener Aussage aber mehrfach auch Impfgegner und Impfskeptiker zu Wort kommen, weil sie „von den klassischen Medien größtenteils königlich ignoriert werden“. Das Ignorieren wendet Kaiser allerdings scheinbar selbst hin und wieder in seinen Beiträgen an, wenn es darum geht, Fakten seriös zu belegen. Die Quellen in seinen Beiträgen sind dabei unter anderem solche: „Ich weiß von einer Frau (…)“, „Von einer Person, die im Gesundheitssektor arbeitet, bekam ich von einem jungen Mann erzählt (…)“ oder „Das ist wie gesagt kein Einzelfall“. Die Pressemitteilung, die zu der „Polonaise Solitaire“ aufruft und von Jean-Marie Jacoby und Peter Freitag unterzeichnet wurde, veröffentlichte Kaiser ebenfalls nahezu unverändert und unkommentiert auf seiner Website.

Am vergangenen Sonntag veröffentlichte er jedoch einen Beitrag, der das Vorgehen der Demonstranten am Samstag kritisierte: „Ich hatte und ich habe (noch immer) viel Verständnis für Leute, die Angst haben, sich impfen zu lassen. (…) Komplett inakzeptabel ist, dass ihr seit Tagen bei Politikern daheim vorbeigeht, gestern noch beim Staatsminister. Das nennt man Einschüchterung und hat nichts mehr mit demokratischen Methoden zu tun“, schreibt Kaiser in seinem Beitrag. Er vermutet: „Wahrscheinlich ist den Organisatoren der marche blanche silencieuse die Kontrolle entglitten.“ Ob da jemand kalte Füße bekommen hat, nach Monaten des Schönredens?

Timon Müllenheim

Timon Müllenheim
Timon Müllenheim Foto: Editpress/Julien Garroy

Ebenfalls bekannt als Kritiker der Corona-Maßnahmen der Regierung ist der Ex-ADR-Politiker Timon Müllenheim. Laut mehreren Medienberichten wurde Müllenheim bereits im Jahr 2012 nahegelegt, aus der Alternativ Demokratesch Reformpartei auszutreten. L’essentiel versah den entsprechenden Bericht damals mit der Überschrift: „Zu weit rechts für die ADR?“ Laut dem Artikel mussten Müllenheim und ein weiterer ADR-Politiker gehen, weil sie „im Internet auf eigene Initiative islamophobes und rechtsextremistisches Gedankengut verbreitet hatten“. Offiziell seien die beiden freiwillig ausgetreten, bevor sie herausgeworfen werden konnten.

Auf seiner Facebookseite teilte Müllenheim am Samstag ein Demonstrationsvideo, das die Menschenmenge auf dem Platz und der Treppe vor dem Parlament zeigt, und bezeichnete die Versammlung als „friddlech Demonstratioun“. Auf einem weiteren Foto ist Müllenheim zu sehen, wie er in Luxemburg-Stadt mit einer Luxemburg-Fahne gemeinsam mit anderen Menschen durch eine Straße läuft und den Zeige- und Mittelfinger zu einem „Peace“-Zeichen hebt. Ein Foto von Müllenheim in ähnlicher Pose ziert sein Facebook-Profilbild – sein T-Shirt trägt die Aufschrift „Freiheit! Im Gedenken an die Opfer des 17. Juni 1953“. An dem Tag gab es einen Arbeiterprotest und Generalstreik in der DDR, aus dem sich spontan ein Volksaufstand entwickelte, der schließlich blutig niedergeschlagen wurde. Müllenheim wurde auch bei den Protesten rund um das Mahnmal der „Gëlle Fra“ gesehen, auf dessen Sockel ein Banner befestigt wurde, das den QR-Code eines Impfzertifikates mit dem Judenstern gleichsetzte. Ein nachweislich gefährlich und sinnloser Vergleich, den das Tageblatt dekonstruiert hat.

Müllenheim zeigt sich auf Facebook als Regierungsgegner und äußert sich mehrfach abfällig über deren Entscheidungen. Beispielsweise wirbt er für eine Petition zur Kinderbetreuung mit den Worten: „Unterzeichnen Sie die Petition (…), denn die Koalition ‚Gambia‘ setzt alles daran, dass sich Eltern nicht mehr um ihre Kinder kümmern und diese nach sozialistischem Modell von klein an staatlich indoktriniert werden.“ Und auch für Medien hat er wenig freundliche Worte übrig. Zu einem RTL-Artikel, der den Tag behandelt, an dem allein fünf Menschen in Ettelbrück auf der Intensivstation liegen, während sich draußen rund 2.000 Menschen versammeln, um gegen die aktuellen Corona-Maßnahmen zu demonstrieren, schreibt Müllenheim: „RTL Lëtzebuerg spillt d’Bierger géinteneen aus a spléckt domat weider“. Im Oktober teilte er wiederum einen Beitrag der Schwurbel-Website Expressis-Verbis mit dem Titel „1200 Ignoranten kann man nicht ignorieren“.

Christianne Wickler
Christianne Wickler Archivfoto: Cargolux

Christianne Wickler

Eigentlich sollten die Texte der Schwurbel-Website Expressis-Verbis offenbar den Lesern ein „unbeschwertes Lächeln ins Gesicht zaubern“ – ob das mit Titeln wie zum Beispiel „Die Angst frisst die Seele auf“ gelingt, ist zumindest fraglich. Stattdessen erreichen zahlreiche der auf der Webseite veröffentlichten Texte nicht einmal den Status „steile These“. Eher müssen sie sich mit dem Prädikat „wirres Zeug“ abfinden – trotz als Vorwand dienender Mitarbeit von „Ärzten, Gesundheitsberatern, Juristen und Mathematikern“.

Die grüne Unternehmerin Christianne Wickler gründete die Internetplattform Expressis-Verbis – zu Deutsch „ausdrücklich“ – mitten in der Corona-Pandemie. Die neue Informationsseite soll dem Leser „pure Information“ liefern, so der Slogan. Besonders in der Anfangszeit der Plattform wurden die meisten Texte unter Pseudonymen veröffentlicht und verbreiteten Falschinformationen zur Corona-Pandemie. Wickler und Mitgründerin Nathalie Meier Wickler stellten ihre Plattform auch auf dem Luxemburger Verschwörungstheoretiker-Kanal BasTV vor.

Im April 2021, also nur wenige Woche nach dem Start von Expressis-Verbis, wurde Wickler für das Amt der Präsidentin des Cargolux-Verwaltungsrates nominiert. Einem Tageblatt-Artikel, der Wicklers Medienaktivitäten an den Tag legte, folgte ein medialer und politischer Aufschrei. Wicklers Handlungen und Rechtfertigungen riefen großes Unverständnis in der Politik hervor. David Wagner von „déi Lénk“ sagte zu dem Fall: „Frau Wickler scheint auch teils esoterische Ansichten in ihrem ‚komischen Verein‘ zu vertreten. (…) Sie darf ihre persönliche Meinung haben – jedoch kann man ihr Urteilsvermögen dann schon infrage stellen.“ Der Piraten-Abgeordnete Sven Clement holte sogar zum Rundumschlag gegen die „déi gréng“ aus: „Die Grünen sind anscheinend der Meinung, dass Fakten leugnen eine Meinung ist.“ Die Ausrede, dass Wickler ihre grüne Parteikarte abgegeben habe, wollte Clement dabei nicht gelten lassen.

Wickler zog sich schließlich von Expressis-Verbis zurück – verteidigte jedoch die auf der Seite verbreiteten Inhalte. „Expressis-Verbis ist keine Seite für Verschwörungstheoretiker“, sagte die Cargolux-Vorsitzende in einem Interview mit Paperjam.

Die 61-jährige Unternehmerin war lange Zeit politisch aktiv – zuerst auf Gemeindeebene in Beckerich, ehe sie bei den Nationalwahlen 2013 den Sprung ins Luxemburger Parlament schaffte, als sie für Camille Gira nachrückte. Nach acht Monaten gab Wickler den Posten aber wieder auf, um sich ihrem Unternehmen in Oberpallen zu widmen. Während der heißen Phase ihrer öffentlichen Schwurbler-Auftritte provozierte Wickler auch und fragte z.B. in einem kritischen Radio-Interview, ob sich 100,7-Journalist Maurice Molitor auf den „Schlips getrëppelt“ fühle. Nach öffentlichem Druck distanzierten sich die Grünen von Wicklers energischem Geschwurbel.

Myoko
7. Dezember 2021 - 11.42

Respekt Tageblatt. Merci fir är Zivilcourage. Nieft dësen Haaptleit sinn d'Matleefer leider Opfer ginn vun Desinformatiounscampagnen di zum Deel schonn iwwer Joren lafen, gestéiert vum Kreml, AFDR'ler an aneren manipulativen Kräften.

Öllevom
7. Dezember 2021 - 11.35

Es kann einfach nicht sein, dass Mitmenschen, die für die freie Impfwahl sind, gleich als R(echtsr)adikale bezeichnet werden! Die beiden Sachen haben rein gar nix mit einander zu tun! Nur gibt es Extremisten, die die Situation zu ihren Gunsten — und zum Ungunsten sehr viele Menschen, die für die freie Impfwahl stehen :(( — ausnutzen!

Unverschämtheit!

ARM
7. Dezember 2021 - 11.29

Super. Elo wësse vill Leit wien déi Oberw..... sin déi schon erëm vir de 11. Dezember 2021 um 1400 Auer op d'Mobilsatioun no 2 invitéiert hun. Bravo Tageblatt il faut le faire!

Miette
7. Dezember 2021 - 10.20

Danke Tageblatt,
für diesen mutigen Beitrag???

Alain
7. Dezember 2021 - 10.18

Eigentlech, dierft een deenen Doten, guer keng Bün ginn, soss gitt der se ni méi lass. Haut ass et Impfung, muer den Klima an dann Chemtrails an di Platt Äerd. An Si wäerten ëmmer puer fannen, déi hinnen nolafen, bis se eng Kéier een vun hiren Follower, dozou kréien, eppes Dommes ze maachen

Klod
7. Dezember 2021 - 10.10

Eine doch sehr heteroklite liste.
Unter den boesen die hier denunziert werden gibt es also eine gruene,ein ex pirat,ein adr ex anwalt,ein kommunist,ein ex rtl mann,ein arzt und ein escher gefaengnis waerter und noch den bas...hoffentlich hab ich jetzt niemanden vergessen.

Grober J-P.
7. Dezember 2021 - 9.58

Würde gerne erfahren wie die Kindheit und das Erwachsenwerden dieser Leute war. Es kommt bestimmt nicht von ungefähr wenn sich Ideen in solche Richtung entwickelt.
"Villäicht puer Deeg fräiwëlleg op enger Intensivstatioun hëllefen? "
Fräiwëlleg, sehr gut!
Dazu sind solche Leute zu feige.

3xGeimpftAnTopFit
7. Dezember 2021 - 9.44

Dei Leit geheieren alleguer virun den Parquet! Leider wärt daat erem Joeren dauern bis do eppes passeiert!

Romain
7. Dezember 2021 - 9.32

ech mengen do kinnten nach aner Fotoen vun "Promien" derbäi sinn!
gut Initiatif awer wahrscheinlech och geféierlech

Germain
7. Dezember 2021 - 9.17

Merci fir dësen Artikel.
ass am Fong vu leit gewosst, déi d'Szene kritesch nokuken, awer ebe net vu jidderengen.
T'kann ee sech och virstellen dass do viller vun de Schwurbeler geeschteg Problemer hunn.

Jacques Zeyen
7. Dezember 2021 - 9.04

@Moutschen,
virwaat denken ech lo gläich un den Charlie Hebdo wann ech ären Text liesen? Solle mir deenen domme Menschen hir Aktiounen stëll erdroen ouni dass mir se un de Pranger stellen? Wann de Staat elo hir Identitéit kennt,kann e jo (hoffentlech) eppes ënnerhuelen fir déi Leit onschiedlech ze machen. Villäicht puer Deeg fräiwëlleg op enger Intensivstatioun hëllefen? Wéi gesot:wa mir lo géifen iwwer Steierreformen o.ä. streiden,dann kënnten se demonstréieren bis den 31.Februar.Awer mir hunn eng Pandemie um Bockel wou Leit stierwen. An dem d'TB deenen Hetzprediger hir Identitéit verëffentlecht kréien si e Status op deen ech perséinlech gär wëllt verzichten.Déi Chaoten aus dem Capitol sin och duerch Biller iwwerfouert ginn.Bravo TB.
PS: Wann e Lydie Polfer Dreebréiwer geschriwwe kritt wësse mir wou mir stinn.Op dat elo en Ochs ass mat engem Dr-Diplom oder e Jacoby dee keng Loft méi kritt wann en eng Mask undeet ass egal.Se schëdden Bensinn an d'Feier.

Jupp
7. Dezember 2021 - 8.54

Super Initiativ vum Tageblatt. Waat deen honorablen Här ugeet, deen einfach esou donnée weidergëtt, do hoffen ech datt deen sech muss virun Gericht dowéngst veräntwerten.

Wieder Mann
7. Dezember 2021 - 8.28

Do beweist d‘Tageblatt ,d’Auteuren mat desem Artikel groussen Zivilcourage an riskéiert zur Zielscheiw vun diversen Notabilitéiten aus derer geféierlecher Impfgéigner Szene an hiren Matschwemmer ze gin.Do sin ech solidarisch mam Tageblatt an groussen Respekt fir äert Optrieden.

Paul Moutschen
7. Dezember 2021 - 8.04

Gudden Moien,

ech ginn dervun aus dass dir iech dat gutt iwerlued hutt mee durch esou Artikelen gidd dir dem Wiederstand Gesichter. Domadder gidd dir deenen Leit eng Positioun dei sie net brauchen.

Anererseits ass et gutt ze wessen mat weem een et ze dinn huet.

Enger weiderer Radikaliseierung steet domadder neischt mei am Wee. Virun allem ass elo kloer dass et net nemmen e pur Idioten sinn mee dass sie an hierer Idiotie dann awer System hunn.

Vleit sollt een sozial Medien einfach fir eng Zeit verbidden! Telefon an E-mail geif et jo och maachen. Oder Flugblätter. Oder Wasserwerfer an eng beschleuegt Spezialprozedur fir Leit dei eng öffentlech Geor duerstellen virun Gericht.

Mat frendlechen Gréiss

Paul Moutschen