SpanienDemonstranten wollen „Ballermann“ besetzen

Spanien / Demonstranten wollen „Ballermann“ besetzen
An der Playa de Muro im Osten der Insel ist der Andrang weniger groß Foto: Guy Kemp

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Immer mehr Touristen: Mallorca meldet diesen Sommer schon wieder einen historischen Rekord. Die Zahl der Feriengäste stieg seit Jahresbeginn erneut um zehn Prozent. Bis Ende Juni waren nach Angaben des spanischen Statistikinstituts nahezu sechs Millionen Feriengäste auf der Insel. Allein jetzt im August werden mehr als zwei Millionen Urlauber erwartet.

So voll war es noch nie auf der spanischen Mittelmeerinsel, die zunehmend unter Überfüllung, Verkehrschaos, Trinkwassermangel und Umweltzerstörung leidet. Die Welle der Proteste, die seit Monaten über die Insel rollt, scheint niemanden abzuschrecken. Bereits zweimal demonstrierten in den letzten Wochen Zehntausende in der Inselhauptstadt Palma gegen die negativen Folgen des Massentourismus und dafür, die Urlauberzahlen zu begrenzen. Hinzu kamen zahlreiche Aktionen wie Kundgebungen an Stränden, Straßenblockaden oder Fake-Strafzettel für Feriengäste. Unschöne Schmierereien mit Parolen wie „Tourists go home“ tauchten auf. Mietwagen wurden mit Aufklebern verunziert, auf denen touristenfeindliche Sprüche prangten.

An diesem Sonntag ist der nächste öffentliche Protest geplant. Dieses Mal mitten in der wichtigsten deutschsprachigen Urlauberhochburg an der Playa de Palma. Dort soll am Sonntagvormittag von 11 bis 13 Uhr eine symbolische Strandbesetzung stattfinden, und zwar an der „Ballermann“-Partymeile in Höhe des „Balneario Beach Club Six“, der auch als „Ballermann 6“ bekannt ist. Vor allem an diesem Teil der Strandpromenade und im dahinter liegenden Partyviertel kommt es immer wieder zu Problemen durch betrunkene Touristen.

Die Organisatoren der geplanten Kundgebung haben zu einer „friedlichen und festlichen“ Aktion aufgerufen, um gegen den „Overtourism“ zu demonstrieren. Die Playa de Palma stehe wie kaum ein anderer Ort auf Mallorca dafür, dass die Insel überfüllt sei und die Einheimischen zunehmend von ihren Stränden verdrängt würden, erklären die Veranstalter in einer Mitteilung. Hinter dem Protest steht die Bürgerinitiative „Mallorca Platja Tour“, die bereits mehrfach unter dem Motto „Besetzt unsere Strände“ mit Aktionen auf sich aufmerksam machte.

Kein Protest gegen die Touristen

Die Bürgerinitiative betont, „dass wir nicht gegen die Touristen protestieren, sondern gegen das Tourismusmodell“. Und dagegen, dass die Inselregierung bisher nichts unternommen habe, um den Wildwuchs des Massentourismus auf Mallorca in nachhaltige und verträgliche Bahnen zu lenken. Zu den Forderungen der Bürgerbewegungen und Umweltschützer auf der Insel gehören eine Reduzierung von Hotelbetten und Airbnb-Apartments, die Beschränkung von Immobilienkäufen für Nichtresidenten und Schritte für mehr Küsten- und Klimaschutz.

Andere spanische Touristenhochburgen wie etwa Barcelona oder Teneriffa, wo die Einheimischen in den letzten Wochen ebenfalls gegen den Massentourismus auf die Straße gingen, haben inzwischen erste Konsequenzen gezogen. Barcelona kündigte an, dass bis Ende 2028 die Vermietung von Touristenwohnungen völlig verboten wird, um der damit einhergehenden Immobilienspekulation Einhalt zu gebieten. Teneriffa beschloss unterdessen, für überlaufene Naturparadiese Besucherlimits zu verhängen und zudem Eintritt zu verlangen.

Die seit einem Jahr regierende konservative Regionalregierung Mallorcas erklärte hingegen, dass sie dieses Jahr noch keine konkreten Maßnahmen beschließen werde. Man wolle sich erst einmal mit den Repräsentanten der Tourismusindustrie und der Bürgerinitiativen an einen Tisch setzen und mögliche Lösungen diskutieren. Insel-Ministerpräsidentin Marga Prohens äußerte aber Verständnis für die Proteste gegen den Massentourismus und sagte: „Zweifellos sind wir an eine Grenze gekommen.“ Sie stellte aber auch klar: „Wir leben vom Tourismus.“ Und: „Die Urlauber sind willkommen.“

Illegale Schlafplätze für Touristen in Abtei

Mallorca ist ein Beispiel dafür, wie schwierig es ist, den seit Jahrzehnten mit vielen Werbekampagnen angekurbelten Fremdenverkehr wieder unter Kontrolle zu bekommen. Seit 2022 gilt zum Beispiel ein Moratorium für touristische Betten in Hotels und Ferienwohnungen, das von der rot-grünen Vorgängerregierung beschlossen worden war. Die Zahl der offiziellen Übernachtungsplätze wurde damals auf 430.000 eingefroren. Theoretisch wenigstens. Trotzdem kommen immer mehr Touristen auf die Insel. Wie ist dies möglich?

Zum einen, weil sich Mallorca zunehmend vom Sommer- zum Ganzjahresziel entwickelt und diese Saisonausweitung entsprechend die Besucherzahlen hochtreibt. Zum anderen, weil die Zahl der illegalen Touristenwohnungen in den letzten Jahren explodierte und inzwischen in die Tausende geht. Allein in der Inselhauptstadt Palma soll es bis zu 5.000 Airbnb-Wohnungen ohne die erforderliche Vermietungslizenz geben.

Das schwarze Vermietungsgeschäft treibt zuweilen wilde Blüten. So wurde vor Kurzem ein hoher Beamter der Inselverwaltung entlassen, weil er in seiner Landfinca 14 Touristenbetten ohne Genehmigung vermietet hatte. Auch die Ordensbrüder eines Klosters im Tramontana-Gebirge wurden als Sünder entlarvt: Sie hatten 268 Urlauberschlafplätze in ihrer Abtei unerlaubt über Airbnb und andere Plattformen vermarktet.