Hinter den KulissenDer Herr der Fragen: Wie der „Service secrétariat général“ den Austausch zwischen Abgeordneten und Regierung koordiniert

Hinter den Kulissen / Der Herr der Fragen: Wie der „Service secrétariat général“ den Austausch zwischen Abgeordneten und Regierung koordiniert
Seit 2008 im Dienste der Chamber: Christian Alff, stellvertretender Abteilungsleiter, zuständig für parlamentarische Dokumente Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Luxemburgs Abgeordnete stellen der Regierung regelmäßig Fragen – und diese muss antworten. Doch wer koordiniert den wichtigen Austausch zwischen Parlament und Ministern? Ein Besuch beim „Service secrétariat général, archives et recherche scientifique“.

Wenn ein Abgeordneter etwas von einem Minister wissen will, dann braucht er Christian Alff. Alff ist stellvertretender Abteilungsleiter des „Service secrétariat général, archives et recherche scientifique“ der Chamber-Verwaltung. Und er ist hauptsächlich zuständig für parlamentarische Anfragen und Dokumente. Alle Fragen, die Luxemburgs Abgeordnete an die Minister der Regierung stellen, laufen über die Schreibtische von Alff und seinen Kollegen. „Man weiß am Morgen nie, was tagsüber auf einen zukommt“, sagt Christian Alff in seinem Büro am Krautmarkt. Die Bearbeitung der parlamentarischen Fragen sei eine „sehr reaktive Arbeit“, nicht vorhersehbar. Wobei, so ganz stimme das nicht. Teilweise könne man es sich schon denken, was an parlamentarischen Anfragen auf einen zukommen könnte, wenn man morgens beim Kaffee durch die Medien schaue, so Alff.

Hinter den Kulissen

Das Parlament besteht nicht allein aus 60 Abgeordneten. Insgesamt arbeiten rund 160 Menschen für die Chamber, und das in den unterschiedlichsten Bereichen. In der Serie „Hinter den Kulissen der Chamber“ stellt das Tageblatt verschiedene Abteilungen des Parlaments vor, die meist nicht so in der Öffentlichkeit stehen und dennoch das gute Funktionieren von Luxemburgs Demokratie garantieren. 
Bisher erschien in der Serie: 
Teil 1: „Das Hinterzimmer: Wie der ,Service Séances plénières‘ die Chamber-Sitzungen vorbereitet“, am 27. August
Teil 2: „Der unsichtbare Dienst am Land: Wie der ,Service logistique‘ die Chamber am Laufen hält“, am 30. August
Teil 3: „In zweiter Reihe und doch vorne dabei: Wie der ,Service international‘ Präsidenten und Abgeordnete begleitet“, am 2. September
Teil 4: „Puzzlestück für mehr Professionalität: Hinter den Kulissen der Chamber: die ,Cellule scientifique‘“, am 4. September

Der Arbeitsablauf selbst ist streng getaktet und verläuft nach festen Vorgaben. Die parlamentarischen Fragen kommen per Mail in der Abteilung an. „Wir schauen drüber, ob sie annehmbar sind“, sagt Alff. Die Verordnung schreibt verschiedene Kriterien vor. Die finale Prüfung obliege dann dem Chamber-Präsidenten und dem Generalsekretär der Chamber. „Wenn wir das Okay vom Präsidenten bekommen, werden die Fragen publiziert und an die Regierung weitergeleitet.“ Auch deren Antworten kommen per Mail und werden von Alff und seinem Team an die Abgeordneten geschickt. Ähnlich läuft es mit parlamentarischen Dokumenten wie Gesetzesentwürfen oder Gesetzesvorschlägen. Auch die werden im Generalsekretariat gesammelt und verteilt.

Immer mehr Fragen

Wenn Nachfragen ein Gradmesser für den Zustand der Demokratie sind, dann geht es dem luxemburgischen Parlamentarismus so gut wie lange nicht mehr. Denn die Zahl der parlamentarischen Fragen ist in den vergangenen Jahren explodiert. Vor 2018 habe man zwischen 700 und 900 Fragen pro Jahr erhalten, dann 1.200, so Alff. Zu Hochzeiten der Corona-Pandemie seien es dann 2.400 Fragen gewesen – sieben bis acht pro Tag. Bearbeitet von Alff und einer weiteren Person. Der stellvertretende Abteilungsleiter erzählt von einem Austausch mit Kollegen der französischen Nationalversammlung. In Luxemburg habe man zeitweise ähnlich viele Fragen zu bearbeiten gehabt wie in Paris. „Dort sitzen aber 20 Leute an den parlamentarischen Fragen.“

Seit Mai 2008 arbeitet Christian Alff in der Chamber-Verwaltung. Seitdem ist er der Herr der Fragen. Ob er sich an eine besondere Anfrage erinnere? Alff zögert nicht. „Da ist die berühmt-berüchtigte Frage 1800, die sich über beinahe drei Legislaturen gezogen hat, ohne je eine Antwort zu bekommen. Die war schon in der Abteilung, als ich hier angefangen habe“. Die Frage bezog sich auf das Château Mansfeld in Clausen. Nach sieben oder acht Jahren, erinnert sich Alff, habe der Autor seine Frage zurückgezogen. Abgesehen davon seien auch immer wieder Fragen zur luxemburgischen Tierwelt in Mode, zum Beispiel über Kormorane oder Mufflons.

Parlamentarische Fragen und ihre Antworten

In Artikel 80 der Chamber-Verordnung sind die Voraussetzungen für schriftliche Fragen niedergeschrieben. Darin ist auch festgelegt, dass die betreffenden Minister innerhalb von einem Monat schriftlich auf die Frage eines Abgeordneten antworten müssen. Wenn ein Regierungsmitglied diese Frist nicht einhalten kann, muss es den Präsidenten der Chamber über die Gründe informieren und einen Ersatztermin kommunizieren, dem der Präsident zustimmen muss.

Und noch etwas erinnert Alff an seine Anfangsjahre. „Früher kamen alle Fragen per Fax.“ Man sei am Montagmorgen angekommen und es habe einen ein Stapel Faxe erwartet, mit Fragen, die die Abgeordneten am Wochenende verschickt hatten. Vor sechs oder sieben Jahren aber sei man auf Mails umgestiegen. Dann kam Corona, der „große Digitalisierungsschub“, so Alff. Jeden Morgen kommt die gesamte Post der Chamber im Generalsekretariat an, von dort aus wird sie verteilt. „Das ist in den vergangenen Jahren sehr viel weniger geworden“, sagt Alff. Papierpost gebe es nur noch zwei bis drei Umschläge pro Tag, mehr nicht.

Vor der Regierungsfragestunde wird es hektisch

Mittlerweile sind auch alle legislativen Prozeduren komplett digitalisiert. „Da sind wir froh darüber“, gesteht Alff. Einzige Ausnahme: das physische Archiv aller parlamentarischen Dokumente, das sich über die Keller der Chamber-Gebäude verteilt. Das Archiv war auch der einzige Teil von Alffs Arbeit, die er während der Pandemie nicht im Homeoffice erledigen konnte. „Ich war relativ skeptisch, dass meine Arbeit vom Homeoffice aus machbar sei, aber das Gegenteil hat sich herausgestellt.“

Besonders intensiv werde sein Job ein bis zwei Mal im Monat, immer dann wenn eine Regierungsfragestunde in der Chamber anstehe. Das sei ein „hektischer Dienstagmorgen“, so Alff. Das Reglement des Parlaments sieht vor, dass alle Fragen bis spätestens drei Stunden vor Beginn der Fragestunde schriftlich vorliegen müssen. Manchmal müsse seine Abteilung dann den Abgeordneten hinterhertelefonieren – während gleichzeitig schon die Minister anklopfen, um die Fragen zu bekommen, weil sie diese bis nach der Mittagspause beantworten müssen. Streitthemen und Konflikte gebe es in seiner Abteilung aber nicht, so Alff. Höchstens organisatorische Probleme: Zum Beispiel, wenn ein Abgeordneter eine mündliche Frage stellt, die kurz zuvor ein anderer schon schriftlich gestellt hat. „Da probieren wir dann das zusammenzulegen, wenn die Abgeordneten einverstanden sind.“

Politik habe ihn schon immer interessiert, sagt Alff, auch deshalb habe er sich für einen Job in der Chamber beworben. Bewerten möchte er die Fragen der Abgeordneten jedoch nicht. „Das überlasse ich den Journalisten.“ Letzte Frage: Was muss man mitbringen, um so einen Job wie seinen machen zu können? „Man muss flexibel sein und auch mal ein bisschen improvisieren können“, sagt Alff. Die Liebe fürs Detail, die komme dann mit der Zeit.