AgrarsektorDie „Foire agricole“ und die Sorgen der Landwirte

Agrarsektor / Die „Foire agricole“ und die Sorgen der Landwirte
Landleben in Luxemburg Foto: Editpress/Julien Garroy

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Alle Jahre wieder etwa zur gleichen Zeit steigt die „Foire agricole Ettelbruck“ (FAE)* – ein Event der Superlative sowie Highlight für die Landwirte in der Region. Einmal mehr strebt „die größte Publikumsmesse“ Luxemburgs in ihrer 41. Ausgabe nach den Worten des Branchenblatts „De Letzeburger Bauer“ auf einen neuen Rekord zu, zumindest was die Zahl der Aussteller angeht. Doch wo steht die luxemburgische Landwirtschaft im ersten Jahr unter Agrarministerin Martine Hansen?

Groß, größer, „Foire agricole“ – könnte man zumindest im regionalen Kontext sagen. Dies gilt dieses Jahr vielleicht auch wieder, was die Besucherzahl angeht. Denn zu den zahlreichen Fachbesuchern kommen noch die Familien hinzu. Zeitgleich finden die Internationalen Grünlandtage (IGLT) der Großregion statt. Organisator der Messe ist die Stadt Ettelbrück, mit Unterstützung des „Lycée technique agricole“ (LTA) und des Landwirtschaftsministeriums.

Warum kommt der FAE eine solch große Bedeutung zu in einem Land, in dem (nach Angaben der Europäischen Kommission) der Primärsektor nur noch 0,2 Prozent der Gesamtbruttowertschöpfung der Volkswirtschaft ausmacht und nur 0,8 Prozent der Gesamtbevölkerung beschäftigt? Das Verhältnis wirkt geradezu asymmetrisch. Nähere Erklärung findet sich jedoch schnell in zwei maßgeblichen Zahlen: 73 Prozent der Fläche Luxemburgs sind ländliche Gebiete, 53 Prozent werden landwirtschaftlich genutzt, 36 Prozent der Fläche besteht aus Wald, von 2015 bis 2020 stieg die Einwohnerzahl in ländlichen Gebieten derweil um 11,2 Prozent. Dies führt zur zweiten Erklärung: Luxemburg ist trotzdem nach wie vor rural geprägt, der biologische Landbau bescheiden, 114 Landwirte bewirtschaften nur sechs Prozent der Agrarfläche ökologisch beziehungsweise biologisch.

Höfesterben und Nachwuchssorgen

Die Frage, welche Zukunft die Landwirtschaft hat, müssen sich die europäischen Bauern allgemein ständig stellen? Das Höfesterben bei gleichzeitigem Anstieg der genutzten Flächen pro Betrieb, die Nachwuchssorgen im Sektor und die Positionierung auf dem Weltmarkt – all das hat nichts mit bäuerlicher Romantik zu tun, sondern mit knallhartem Geschäft, bei dem die Kleinen oft auf der Strecke bleiben und die großen agrarindustriellen Betriebe hohe Profite einfahren. Der Frust darüber kommt gelegentlich in den Protestaktionen der europäischen Landwirte wie etwa Sternfahrten nach Brüssel oder Blockaden und Demos wie etwa gegen die Kürzungen des Agrardiesels, die vom Rest der Bevölkerung oft als störend wahrgenommen werden, wie etwa im Februar dieses Jahres. Viele Landwirte klagen zudem über die ihrer Meinung nach zu vielen Umweltauflagen und über die unter anderem dadurch anfallende administrative Mehrbeanspruchung.

Und was ist mit uns? Rinder in Erpeldingen.
Und was ist mit uns? Rinder in Erpeldingen. Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Damit machen die Landwirte, unsere Ernährer, auf ihre Situation aufmerksam. Mittlerweile wissen auch rechtspopulistische Demagogen dies zu nutzen und versuchen, die Bauern zu vereinnahmen: In Deutschland zum Beispiel haben sich bei der Europawahl am 9. Juni erstmals überdurchschnittlich viele Landwirte für die AfD entschieden. Nach einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen stimmten 18 Prozent für die rechtsextreme Partei, 2019 waren es noch zehn Prozent gewesen. Und in Frankreich stieg Marine Le Pen vom rechtsextremen Rassemblement national (RN) mit auf den Traktor, um vor den Parlamentswahlen Wahlkampf zu betreiben. Die französische „Confédération paysanne“ zeigte sich zumindest besorgt über den Anstieg der extremen Rechten. Inzwischen hat sich manche Sektion der Bauerngewerkschaft gegen den RN gewandt.

Ein herausragendes Thema für die europäischen Bauern ist seit längerem die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), die etwa ein Drittel des EU-Haushalts ausmacht und die aus zwei Fonds aus diesem Budget finanziert wird: Der Europäische Garantiefonds für die Landwirte unterstützt die Landwirte mit Direktzahlungen und setzt sich aus EU-Mitteln zusammen; der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums unterstützt die Maßnahmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes und wird aus den europäischen Mitteln sowie durch eine nationale Kofinanzierung gespeist. Insgesamt werden nach Angaben des Agrarministeriums über die beiden Fonds für den Zeitraum von 2023 bis 2027 etwa 465 Millionen Euro an öffentlichen Mitteln in die Landwirtschaft und nachgeordnete Bereiche investiert. Die Strategie Luxemburgs ziele darauf ab, eine nachhaltige Entwicklung im Agrarsektor zu gewährleisten und die Ziele der GAP umzusetzen. Eine der Prioritäten bestehe darin, heißt es seitens des Ministeriums, ein gerechtes Einkommen für die Landwirte zu garantieren und die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu stärken. Ein weiterer Schwerpunkt sei die Sicherung des Generationenwechsels. Zudem ziele der GAP-Strategieplan unter anderem darauf ab, den biologischen Landbau weiterzuentwickeln und den Einsatz von Pestiziden zu verringern.

Die EU-Kommission reagierte auf die Bauernproteste im Frühjahr und schlug eine Reihe von Änderungen im EU-Recht für die GAP vor, um die Landwirte zu entlasten, nicht zuletzt von der unnötigen Bürokratie. Das Europäische Parlament billigte Ende April die Überarbeitung der GAP, bei der drei Umweltauflagen geändert wurden, die Landwirte einhalten müssen, um Fördermittel zu bekommen, mit 425 Ja-Stimmen zu 130 Nein-Stimmen und bei 33 Enthaltungen. Daraufhin musste die Verordnung vom Europäischen Rat angenommen werden. Die Konferenz der EU-Agrarminister beschloss kürzlich die Erleichterungen für die Förderungen. Nun ist es an den Mitgliedstaaten, dies umzusetzen.

Zwischen Hightech und Umweltschutz

„Es ist zu betonen, dass die Verordnung im Eilverfahren verabschiedet wurde, um den Landwirten angesichts der wachsenden Herausforderungen, der Unvorhersehbarkeit der Wetterbedingungen und der wirtschaftlichen Unsicherheit, mit denen sie konfrontiert sind, mehr Flexibilität bei der Ausübung ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeiten zu bieten“, antwortete Agrarministerin Martine Hansen (CSV) auf eine parlamentarische Frage der Grünen-Abgeordneten Joëlle Welfring. Angesichts der Notwendigkeit kurzfristiger Maßnahmen sei eine Umweltprüfung in der EU-Verordnung nicht vorgesehen. Die Änderungsvorschläge sollen in Absprache mit dem Agrarsektor ausgearbeitet werden, so Hansen. Der zuständige Begleitausschuss des nationalen Strategieplans werde aufgefordert, zu den Vorschlägen zur Änderung des Strategieplans bis zum 10. Juli 2024 Stellung zu nehmen. Eine Genehmigung durch die EU-Kommission werde für diesen Herbst erwartet.

Die CSV-Politikerin hatte im November gleich nach ihrem Amtsantritt gegenüber Vertretern der Landwirtschaftskammer die Institutionalisierung des „Landwirtschaftsdësch“ angekündigt. Am 4. März kam es zum ersten Treffen dieser Art unter ihrer Ägide in Zusammensein mit Umweltminister Serge Wilmes (CSV) auf Schloss Senningen. Dabei ging es um vier Schwerpunkte: das Bauen in den Grünzonen, den Wasserschutz, die Reduktion der Ammoniakemissionen und das Agrargesetz. Vertreter der Biobauern wurden extra empfangen, ebenso Umweltverbände. So traf das „Mouvement écologique“ (Méco) im Mai einen Austausch mit der Ministerin und ihren Beamten. Die Umweltorganisation bedauerte etwa, dass beim „Landwirtschaftsdësch“ nicht über die grundsätzliche Orientierung der Landwirtschaft diskutiert worden sei. Dies wäre jedoch, teilte Méco mit, dringend geboten.

Landwirte haben Nachwuchssorgen, das liebe Vieh eher nicht. Auf einem Hof in Aspelt.
Landwirte haben Nachwuchssorgen, das liebe Vieh eher nicht. Auf einem Hof in Aspelt. Foto: Editpress/Julien Garroy

Die Frage ist in der Tat, ob die Landwirtschaft und ihre Betriebe weiter nach dem Motto „immer größer“ und rein nach dem Wachstumsprinzip funktionieren soll – oder „ob nicht neue Perspektiven für eine mittelständische Landwirtschaft geschaffen werden müssten“, wie es die Umweltschützer ausdrücken. Schließlich trage die heutige Orientierung der Landwirtschaftspolitik „maßgeblich zur Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen bei“. Außerdem spitzt sich die Biodiversitätskrise weiter zu, worauf Méco in einer Stellungnahme kürzlich einmal mehr hinwies.

Agrarfragen müssen daher stets Themen wie Biodiversität und Wasserqualität beinhalten. Dies muss kein Schritt zurück, auch kein simples „back to nature“, aber ein Weg zurück in die Zukunft sein. Die Landwirte brauchen dringend neue Perspektiven. Méco verweist auf das deutsche Modell der „Zukunftskommission Landwirtschaft“, in der Vertreter unter anderem aus Natur- und Umweltschutz und der Landwirtschaft an einem Tisch setzen. Die Bauern von heute arbeiten längst mit Hightechgerät, ihre Zukunft liegt in der nachhaltigen Landwirtschaft zwischen Digitalisierung sowie Klima- und Naturschutz. Einen Eindruck davon erhält man, bei aller Agrarromantik, nicht zuletzt bei der „Foire agricole“.

* Freitag bis Sonntag, Informationen unter www.fae.lu