EditorialDoping: Glaubwürdigkeit wieder einmal am Pranger

Editorial / Doping: Glaubwürdigkeit wieder einmal am Pranger
 Foto: AFP/Eric Thomas

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Wie kann der Führende der Tennis-Weltrangliste zweimal positiv getestet werden und sich trotzdem freiklagen? Warum können elf chinesische Schwimmer an Olympia 2024 teilnehmen, obwohl sie mit leistungssteigernden Substanzen im Körper erwischt wurden? Die Anti-Doping-Agenturen auf der Welt und allen voran die WADA („World Anti-Doping Agency“) haben ein Problem. Ihre Glaubwürdigkeit steht wieder einmal am Pranger.

Die Ausreden, die von den Sportlern benutzt werden, könnten hanebüchener nicht sein. Das Schlimme ist: Sie kommen damit durch. Im Fall von Tennis-Ass Jannik Sinner soll das Steroid Clostebol durch eine physiotherapeutische Behandlung in den Körper gelangt sein. Bei den Chinesen war verseuchtes Essen schuld. Anscheinend waren die Kochtöpfe mit einem verbotenen Herzmittel kontaminiert. Wer’s glaubt … 

Sinner wurde nach seinem positiven Dopingtest im März 2024 durch ein unabhängiges Gericht freigesprochen und darf deshalb weiterhin an Wettbewerben teilnehmen. Bei den Schwimmern sorgte die chinesische Anti-Doping-Agentur Chinada dafür, dass es zu keiner Sperre kam. 

Die WADA machte gleich zwei Fehler. Der Fall wurde zunächst nicht öffentlich gemacht und es wurde keine unabhängige Ermittlung eingeleitet. Dabei basierte der Freispruch der 23 Sportler auf sehr dünnen Argumenten. Einen faden Beigeschmack liefert die Nähe dieser Institution zu China. Einer der Großsponsoren und die Vizepräsidentin der WADA, Yang Yang, kommen aus dem Reich der Mitte.

Im Sinner-Fall will die WADA den Fall zunächst „gründlich prüfen“. Weder der Italiener noch die Chinesen wurden vorläufig gesperrt, um der Sache so richtig auf den Grund zu gehen. Dieses Verhalten grenzt an grobe Fahrlässigkeit.

Dabei müsste die WADA eigentlich aus der Vergangenheit gelernt haben. Die Wunden, die das russische Staatsdoping hinterließ, sind noch immer nicht verheilt und damit ist auch das Image der Welt-Anti-Doping-Agentur noch immer angekratzt. Das scheint diese Institution jedoch anders wahrzunehmen. Anders ist ihr passives und naives Verhalten in den beiden Fällen nicht zu erklären.

Viele professionelle Sportler empört das Verhalten dieses Gremiums. Die Glaubwürdigkeit ging in den vergangenen Monaten immer mehr verloren und es wird Jahre dauern, bis diese wiederhergestellt ist. Dies setzt jedoch voraus, dass die WADA ihre eigenen Fehler eingesteht und ihre Politik grundlegend ändert. Passiert das nicht, bekommen viele Sportler und Verbände einen Freifahrtschein für Doping geliefert und die nächste wilde Erklärung für einen positiven Doping-Test wird nicht lange auf sich warten lassen.