EditorialDüstere Tage: Kommt nach dem Faschisten in Thüringen der „Volkskanzler“ in Österreich?

Editorial / Düstere Tage: Kommt nach dem Faschisten in Thüringen der „Volkskanzler“ in Österreich?
Hat ein Faible für Fantasieuniformen und für Nazibergriffe: Herbert Kickl will die Wahlen in Österreich gewinnen Foto: dpa/Eva Manhart

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In Thüringen hat ein Faschist die Wahlen gewonnen. Regieren wird Björn Höcke aber erst mal nicht. Die Brandmauer steht, das hat auch die CDU unterstrichen, die in dem ostdeutschen Bundesland auf dem zweiten Platz landete. Allerdings wird dieser demokratische Wall gegen die gesichert rechtsextreme thüringische AfD sehr bunt werden und eine Koalition kommt um das schwer greifbare Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nicht herum. Aber eine gemeinsame Linie zwischen Christdemokraten und BSW zu finden, wird nicht einfach. Da werden alle viel Wasser in ihren Wein gießen müssen. Man kann nur hoffen, dass sie es auch tun werden.

In Österreich, das Ende September ein neues Parlament wählt, war der Jubel der rechtsextremen FPÖ nach den AfD-Erfolgen in Thüringen und in Sachsen groß. Spitzenkandidat Herbert Kickl, der gerne im Nazi-Jargon fischt und sich selbst als „Volkskanzler“ bezeichnet, führt mit seiner Partei alle Umfragen an. Nicht nur in zwei ostdeutschen Bundesländern, auch in der Alpenrepublik dürfte demnach eine rechtsextreme, für „Remigration“ eintretende Partei die Wahl gewinnen. Kommt es erneut zu einer Regierungsbeteiligung der FPÖ, wird die Demokratie in Österreich auf eine harte Probe gestellt. Kickl, ein Mann mit Faible für Fantasieuniformen, macht keinen Hehl aus seinen Vorstellungen, er will das Land zwischen Innsbruck und Wien nach dem Orban-Modell umkrempeln und Presse und Justiz an die kurze Leine nehmen.

Nicht nur in Deutschland und in Österreich haben die Rechten Migration, Kriminalität und islamistischen Terror in einen Topf geworfen und aus diesen eigentlich verschiedenen Themen erfolgreich ihr spaltendes Gemisch zusammengebraut. Die Reaktion der Mitte-Parteien bot und bietet, und das ist leider wenig überraschend, keine Überraschung: Auch sie wollen die Schrauben in Migrationsfragen jetzt enger ziehen – als würde das bei irgendeinem AfD- oder FPÖ-Wähler einen plötzlichen Sinneswandel auslösen und ihn dazu veranlassen, beim nächsten Mal doch wieder die eigene Stimme für Sozialdemokraten, Konservative oder Liberale abzugeben. Man tappt also munter weiter in die Falle, in die man zuvor schon zigmal getappt ist.

Offenbar vergessen ist, welche Rolle die Corona-Pandemie beim Aufschwung der Rechten beziehungsweise der Abnutzung der Wählerschaften der traditionellen Parteien gespielt hat. Vor allem die FPÖ mutierte während der Pandemie schneller als das Virus. Wollte man anfangs noch strenger sein als alle anderen, wurde das potenzielle Reservoir an von den Seuchenmaßnahmen Enttäuschten schnell erkannt – und die FPÖ quasi über Nacht und bis zum heutigen Tag zum sicheren Hafen für sehr viele Corona-Leugner oder Maßnahmenskeptiker.

Das hat sich bis heute nicht geändert und ist nicht nur in Österreich der Fall. In Luxemburg schlüpfte die ADR erfolgreich in diese Rolle und profitiert seitdem ebenfalls von steigenden Beliebtheitswerten. Flankiert wurde und wird das vom bei Donald Trump abgekupferten Verbreiten von Lügen beziehungsweise Halbwahrheiten und dem Herumhacken auf sozial Schwachen und hier insbesondere Menschen mit einer anderen Staatsangehörigkeit.

Die jüngsten und die in Bälde zu erwartenden Erfolge der extremen Rechten gründen nicht darauf, dass sie besonders schlaue Ideen zum Beispiel bei der Migrationspolitik hätten. Sondern darauf, dass die Parteien der Mitte mittlerweile zu viel Vertrauen verspielt haben. Schlauer als erneut rechte Ideen zu kopieren und als eigene Politik zu verkaufen, wäre es, das verloren gegangene Vertrauen wieder aufzubauen. Die Angst vor Fremden geht auch immer einher mit der Angst vor dem eigenen Abstieg – und Letztere wird, statt mit Hetze, am besten mit einer guten Wirtschafts- und Sozialpolitik bekämpft.

porcedda daniel m
5. September 2024 - 12.52

@fraulein smilla
Hätten Sie meinen Beitrag aufmerksam gelesen, wäre Ihnen aufgefallen, dass ich die Situation in Luxemburg beschreiben habe, "in unserem Land".
Zusätzlich geht es meinen beiden Absätzen um grundsätzliche Aspekte verschiedener Bevölkerungsgruppen, ohne dabei zu behaupten, dass beide Gruppen jeweils die Mehrheit stellen. Auf die regionalen Unterschiede bei Wählerprofilen von der ursprünglichen Rentenpartei, der ADR, hier eingehen zu wollen, würde den Rahmen sprengen.
Ein weiterer Aspekt bei rechten Parteien, nicht bloß in Luxemburg, ist ihre fundamentalchristliche Ausrichtung, womit ebenfalls eine entsprechende Wählerschaft "motiviert" wird.

fraulein smilla
5. September 2024 - 0.21

@ porcedda Woher beziehen Sie eigentlich Ihre Informationen ,die Sie und hier zum besten geben . Am Sonntag lagen die 18-29 jaehrigen AFD Waehler ueber dem Durchschnitt ( Thuehringen 36 % ) ,waehrend die aelteren AFD Waehler unter dem Durchschnitt lagen .

porcedda daniel m
4. September 2024 - 20.44

Soziale Ungleichheit ist ein Problem für die Demokratie. Insbesondere Menschen mit niedrigem Bildungshintergrund sind anfällig für plumpe rechte Rhetorik. Menschen mit niedrigem Bildungsniveau haben meist ein geringeres Einkommen und fühlen sich sozial benachteiligt. Die von rechten Parteien zelebrierte Kritik an der politischen „Elite“, verbunden mit prägenden aber völlig sinnfreien Parolen, sind für diesen Teil der Bevölkerung leicht verständlich und daher „nachvollziehbar“. „Diese Partei versteht uns, die wählen wir“, ist dann der logische Rückschluss vieler dieser Bürger. Der Kreis schließt sich.

Leider jedoch ist dies nicht die einzige Gruppe rechtsaffiner Bürger. Auch viele „gutsituierte Bürger“ in unserem Land sind empfänglich für dumpfen Rechtssprech. Es sind überwiegend ältere Bürger, für die jede Veränderung einer persönlichen Bedrohung gleichkommt. Rechts ist konservativ, extrem konservativ. Von dieser Seite sind „radikale“ Veränderungen, die in den eigenen Lebensbereich hineindringen, kaum zu erwarten. Die Status-Quo-Bewahrer aus Politik und Gesellschaft sind sich einig und schreiten frohgemut im Gleichschritt mit Rechtsdrall voran.

JUNG LUC
4. September 2024 - 10.51

Wieder ein Land wo die Parteien vertrauen verspielt haben.