Porträt Pierre MellinaEhemaliger Petinger Bürgermeister zieht einen Schlussstrich: „Familie, Freizeit, Freunde und Ferien“statt Politik

Porträt Pierre Mellina / Ehemaliger Petinger Bürgermeister zieht einen Schlussstrich: „Familie, Freizeit, Freunde und Ferien“statt Politik
Pierre Mellina hat gut lachen: Nach 30 Jahren Politik stehen nun „Familie, Freizeit, Freunde und Ferien“ auf dem Programm. Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Mit 67 Jahren zieht Pierre Mellina (CSV) einen Schlussstrich. Nach 30 Jahren Petinger Kommunalpolitik. Seit 1994 war der in Grevenmacher geborene Enkelsohn eines italienischen Einwanderers Ratsmitglied, Schöffe, Langzeit-Bürgermeister, kurze Zeit auch Abgeordneter und noch vieles mehr. Vergangene Woche gab er im Gemeinderat seinen Rücktritt bekannt. Mit „Familie, Freizeit, Freunden und Ferien“ fasst er seinen Zukunftsplan zusammen. Ein Gespräch mit jemandem, der offensichtlich loslassen kann. 

An einem Tag im Jahr 1921, wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, bricht Marco Mellina auf. Er begibt sich auf die Suche nach einer besseren Welt – für sich und seine noch zu gründende Familie. Als er Aviano in der norditalienischen Region Friaul verlässt, dürfte er kaum geahnt haben, was in seiner neuen Heimat, Luxemburg, aus einem seiner späteren Enkel werden würde.

Diesem Enkel, Pierre Mellina, scheint die italienische Herkunft stets etwas fremd geblieben. Italienisch spricht er nicht. „Das wurde auch zu Hause nicht gesprochen.“ Aviano ist nicht sein Feriendomizil. Sein Zuhause ist die Gemeinde Petingen, eine Faschingshochburg. „Eine tolle Sache für die Ortschaft, aber ein echter Karnevaljeck bin ich nicht geworden“, sagt er mit seiner festen Stimme und einem Lächeln.

Er wohnt in einer ruhigen Gegend. Das Haus hat er 1981 gebaut. Es hat einen großen Garten mit Teich, direkt dahinter beginnt der Titelberg. „Von hier aus sehe ich bis nach Belgien“, sagt er bei der Begrüßung.

Von Bahnhof zu Bahnhof

1957 kommt er in Grevenmacher zur Welt. Den Großvater aus Italien, der eine Luxemburgerin heiratet, lernt er nie kennen. Dieser stirbt bereits 1931. Pierre Mellinas Vater, 1927 geboren, ist Eisenbahner, „Chef de gare“. „Deshalb sind wir von Bahnhof zu Bahnhof gezogen, wo wir dann auch gewohnt haben, es war kein Leben in Armut, aber es war auch kein Floribus, in der Stahlindustrie wurde damals wesentlich besser verdient.“

Pierre Mellina ist zehn, als der Vater in die Gemeinde Petingen wechselt, nach Rodange, wegen der Grenze zu Belgien ein damals wichtiger Eisenbahnknotenpunkt. „Das war mein erster Kontakt mit dem Süden des Landes.“ Ostern kommt er ins vierte Schuljahr. Einer seiner Klassenkameraden ist Jean-Marie Halsdorf. „Wir wurden richtig gute Freunde, haben zusammen Fußball gespielt und uns nur etwas aus den Augen verloren, als er ins Internat nach Echternach ging, heute wohnen wir in derselben Straße.“

Der Süden wird den Mellinas zur Heimat. Denn auch nach dem Wechsel des Vaters in die Verwaltung der CFL bleibt die Familie in der Südgemeinde wohnen, baut ein Haus.

Im „Lycée de garçons“ in Esch schreibt Pierre Mellina seine Abiturprüfungen. Auf der D-Sektion (Wirtschaftswissenschaften). Er lernt einen anderen späteren Politiker kennen, nämlich Alex Bodry. „Nach dem Abitur habe ich es noch ein Jahr an der Uni versucht, mich dann aber dafür entschieden, arbeiten zu gehen.“

1978 tritt er eine Stelle beim „Institut belgo-luxembourgeois du change“ an. „Jacques Poos, damaliger Finanzminister, hat mich als Beamter vereidigt.“ Das Institut war im Rahmen der Währungsunion mit Belgien für die Wechselkurse zwischen den Nachbarländern tätig. Als der Euro im Anmarsch ist, wird die Kontrolle hinfällig. 1994 wechselt er zum Statec (Nationales Institut für Statistik und Wirtschaftsstudien). Im selben Jahr beginnt seine politische Karriere.

In seiner Jugend ist er auch sportlich aktiv. Neben Fußball begeistert ihn vor allem die Leichtathletik. „Ich war auch mal Luxemburger Meister auf den 5.000 Metern. Meine Zeit ist immer noch die viertbeste im Land. Lange Jahre hatte ich die drittbeste, aber der Sohn meines Bruders hat mich verdrängt.“ Die Bestzeit in der Disziplin hält übrigens immer noch Justin Gloden. Sportlich aktiv ist Pierre Mellina auch heute noch: „Aber nur auf dem Hometrainer.“

Der Weg in die Politik

Zur Politik kommt er durch den damaligen Petinger CSV-Bürgermeister René Putzeys. „Der meinte, ich solle doch mit in die Kommunalwahlen gehen. Das war Neuland, aber zur CSV hatte ich einen gewissen Bezug. Teils durch die Familientradition, aber auch weil mir die Sozial- und Wirtschaftspolitik der Partei gefiel.“

1993 tritt Pierre Mellina an und darf gleich in der ersten Sitzung des neu gewählten Gemeinderates im Januar 1994 für seinen Mentor René Putzeys nachrücken. Doch die CSV muss in die Opposition, genau wie die DP. Rot-Grün übernimmt das Sagen im Rathaus. Ein Jahr wird auch die DP in die Koalition aufgenommen. Bei den Gemeindewahlen 1999 gewinnt die CSV drei Sitze. Jean-Marie Halsdorf wird Bürgermeister und Pierre Mellina Erster Schöffe.

Als Halsdorf 2004 in die Regierung wechselt, übernimmt Mellina. Damals allerdings noch nicht als Vollzeit-Bürgermeister, sondern nur mit 18 Stunden politischem Urlaub. „Das kann man sich heute nur schwer vorstellen, die Aufteilung zwischen Job und Bürgermeisterposten war schwer zu stemmen.“ Erst im Februar 2009 bekommen Gemeinden ab 10.000 Einwohnern einen Vollzeitbürgermeister. „Zum Glück, denn wenn sich nichts geändert hätte, dann wäre ich 2011 bei den Kommunalwahlen nicht mehr angetreten“, sagt Pierre Mellina.

Abgeordneter ist er auch mal gewesen, „Aber nur wenige Monate von Mai bis Oktober 2013, als Marc Spautz Minister wurde und ich auf der Südliste nachrückte.“

2023 wollte Pierre Mellina eigentlich nicht mehr bei den Kommunalwahlen antreten „Das schien mir ein guter Abschied, sowieso bin ich der Meinung, man solle es nicht überstrapazieren und mit fast 70 noch als Bürgermeister oder Schöffe arbeiten.“ Er hat sich aber doch von den Kollegen überzeugen lassen: „Ja, auch um in verschiedenen Dossiers mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, ich kenne die Gemeinde ja wirklich gut und Jean-Marie Halsdorf war längere Zeit weg aus dem kommunalen Geschehen. Ich habe aber klargemacht, dass ich nicht mehr in den Schöffenrat möchte.“

Und was nun?

Aber nun ist definitiv Schluss. Am vergangenen Montag war seine letzte Gemeinderatssitzung, 391 seien es insgesamt gewesen, sagt er und betont seine Begeisterung für Zahlen. „Ich habe mich mit dem Abschied nicht so genau festgelegt, habe auch mal Ende 2024 in Erwägung gezogen, aber jetzt schien mir das Datum, genau ein Jahr nach den Gemeindewahlen, als der richtige Moment. Es ist jetzt auch wichtig, dass Jüngere nachrücken und aufgebaut werden können.“ Nachfolger im Gemeinderat wird übrigens Patrick Remacle, der bereits einmal im Gemeinderat saß.

1981 hat Pierre Mellina geheiratet. Er hat zwei Töchter und einen Sohn sowie zwei Enkelkinder, die öfters zu Besuch bei den Großeltern sind.

Und was will er in Zukunft machen? Er lacht: „Nun stehen Familie, Freizeit, Freunde und Ferien auf dem Programm. Reiseziele, wie Südafrika, Südamerika oder Australien kamen nie infrage, weil ich der Arbeit im Rathaus nicht so lange fernbleiben konnte. Jetzt kann ich zum Beispiel in aller Ruhe meine Tochter in Brasilien besuchen. Sie ist dort als Diplomatin in unserer Botschaft in Brasilia tätig.“

Pierre Mellina freut sich sichtlich auf das, was kommt. Seine 30 Jahre in der Politik bedauert er keinesfalls. Manchmal sei es etwas heftig gewesen, aber insgesamt gut. „Sonst hätte ich wahrscheinlich schon früher aufgehört.“ Auch die Stimmung im Gemeinderat sei gut gewesen: „Das haben mir am Montag bei der letzten Sitzung alle bestätigt.“

Rückblick

Was bleibt aus 30 Jahren Politik hängen? „Der Tornado 2019, das war schon sehr schlimm für unsere Gemeinde, für Käerjeng und auch für mich persönlich“, sagt Pierre Mellina. Er erinnert sich aber auch an 2011, als davon die Rede ging, das ArcelorMittal-Werk in Rodange zu schließen. „So weit kam es zum Glück nicht und so konnten wir 2022 den 150. Geburtstag der Schmelz feiern.“ Geprägt hätten ihn aber auch die Gespräche über die Fusion der verschiedenen Südkrankenhäuser mit dem CHEM („Centre hospitalier Emile Mayrisch“), die Krise rund um das „OPE“ (Objectif plein emploi) oder die Entwicklung beim interkommunalen Transportsyndikat TICE, dessen Präsident er längere Zeit war. „Zufrieden bin ich aber auch, dass sich die finanzielle Situation der Gemeinde dahingehend geändert hat, dass wir kaum Anleihen und höhere Reserven als Schulden haben.“

Pierre Mellina scheint mit sich im Reinen. Er blickt zufrieden auf seinen Garten. Die Sonne scheint. Auch auf das Gartenhäuschen, das nur äußerlich aussieht wie aus sauber gestrichenem Holz, jedoch aus Betonplatten gemacht ist. Eigentlich könnte es sinnbildlich für den Menschen und ehemaligen Politiker stehen. „Es ist ein Schweizer Konstrukt und kann Stürme mit hohen Windgeschwindigkeiten aushalten“, sagt Pierre Mellina. Nun denn, Stürme wünscht man ihm in Zukunft keine mehr, stattdessen aber viel frischen Wind in den Segeln.

Grober J-P.
18. Juni 2024 - 14.47

" ist Eisenbahner, „Chef de gare“. Nicht schlecht, viel besser im Vergleich zum "Zugführer" oder "Billetsknipser!

Grober J-P.
18. Juni 2024 - 14.11

"das ArcelorMittal-Werk in Rodange zu schließen." Wird noch kommen, wenn man sieht was andernorts in Schienenproduktion investiert wird.