Märchenpark BettemburgEin Blick hinter die Kulissen des „Parc merveilleux“

Märchenpark Bettemburg / Ein Blick hinter die Kulissen des „Parc merveilleux“
„De Ris“, das Maskottchen des Parks – einfach immer am Dösen Fotos: Carole Theisen

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Der Märchenpark in Bettemburg zählt seit Jahren zu den beliebtesten Touristenattraktionen des Landes. Rund 200.000 Besucher waren es vergangenes Jahr. Seit 1997 wird der Park von der Vereinigung APEMH geleitet. Das Tageblatt durfte einen exklusiven Blick hinter die Kulissen werfen und herausfinden, wie der „Parc merveilleux“ wirklich funktioniert und wer eigentlich dafür sorgt, dass hinter dem Zauber der 25 Hektar großen Anlage alles reibungslos funktioniert.

Der „Parc merveilleux“ wird langsam wach
Der „Parc merveilleux“ wird langsam wach  

Es ist halb 9 Uhr morgens, und die Sonne wirft ihre ersten Strahlen durch das Blätterdach des „Parc merveilleux“ in Bettemburg. Der Morgen liegt ruhig über dem Park, nur das gelegentliche Zwitschern von Vögeln durchbricht die Stille. Doch hinter den geschlossenen Toren ist bereits rege Betriebsamkeit: Ein unsichtbares Team von Mitarbeitern bereitet den Park auf den bevorstehenden Tag vor. Sie putzen Wege, füttern Tiere, überprüfen Attraktionen und beseitigen die letzten Spuren des Vortages. Noch ist der Park in einen friedlichen Dornröschenschlaf gehüllt, doch das Erwachen steht kurz bevor.

Um 9.30 Uhr öffnen sich die Tore, und der Trubel beginnt: Familien strömen hinein, Kinder rennen zu den Spielplätzen, zu den Tiergehegen und lassen sich von den Märchenstationen in andere Welten entführen. Aber wer sorgt eigentlich dafür, dass hinter all diesem Zauber alles reibungslos abläuft? Das Tageblatt durfte einen exklusiven Blick hinter die Kulissen werfen und herausfinden, wie der „Parc merveilleux“ wirklich funktioniert.

Das Team genießt gemeinsam die Mittagspause
Das Team genießt gemeinsam die Mittagspause  

Marc Neu, der Direktor des Parks, nimmt sich an diesem Morgen vier Stunden Zeit, um nicht nur durch die idyllischen Tiergehege und Märchenstationen, sondern auch tief in die versteckten Katakomben des Parks zu führen. „Unsere Arbeit beginnt lange bevor die ersten Besucher eintreffen. Hier im Park arbeiten während der Saison rund 200 Menschen, darunter 100 Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung, die im Rahmen des ‚Atelier d‘inclusion professionnelle‘ von Januar bis Dezember im Park aktiv sind. Der größte Bereich ist die Reinigung, dann haben wir die Tierpflege, das Restaurant, die Elektriker, die Schreiner, die Gärtner – es ist eine ganze Palette an Berufen.“ Diese Integration sei ein Kernstück der Parkphilosophie, erzählt er.

Seit 1997 wird der Park nämlich von der APEMH („Association des parents d’enfants mentalement handicapés“) geleitet, die damals nach einem neuen Standort für ihre sozialen Aktivitäten suchte. Zu dieser Zeit war der Park in einem desolaten Zustand. „Damals hatten wir keine Ahnung vom Management eines Freizeit- und Tierparks“, erinnert sich Neu. „Wir mussten alles von Grund auf lernen.“ Heute ist der Park nicht nur ein beliebtes Ausflugsziel, sondern auch ein Ort, an dem Menschen mit Beeinträchtigungen aktiv am täglichen Betrieb mitwirken und auch eigene Ideen einbringen können.

Daniel bringt den Shop auf Vordermann
Daniel bringt den Shop auf Vordermann  

Tägliche Herausforderungen und kreative Lösungen

Ein Thema, das hinter den Kulissen immer wieder aufkommt, sind die Herausforderungen, denen sich der Park in Bezug auf die Logistik stellen muss. „Wir haben nur gut sechs Monate im Jahr geöffnet“, erklärt Neu. „Unsere Einnahmen sind also stark begrenzt, aber die Kosten laufen das ganze Jahr über.“ Ein erheblicher Teil dieser Kosten fließt in die Fütterung der Tiere, die ein anspruchsvolles und vielfältiges Menü erfordern. „Wir haben Vereinbarungen mit Supermärkten, die uns Obst und Gemüse spenden. Oft kurz vor Ablauf des Verfallsdatums, aber immer noch von guter Qualität“, erzählt Neu. Diese Spenden helfen, die Futterkosten zu senken, doch zusätzliche und auch spezielle Lieferungen sind dennoch unumgänglich.

Gemüse, Körner, Ratten, da ist für alle das Passende dabei
Gemüse, Körner, Ratten, da ist für alle das Passende dabei

Vorbereitet wird die Nahrung in der Futterküche im Untergeschoss des großen Pavillons auf dem Hauptplatz des Parks. Dort wartet schon Natascha, eine der Tierpflegerinnen, die seit zwei Jahren im Park arbeitet. „Ich liebe es hier“, sagt sie lächelnd, während sie sorgfältig die Futterportionen für die Tiere vorbereitet. „Jeder Tag ist anders, und jedes Tier hat seinen eigenen Speiseplan. Wir haben genaue Fütterungszeiten und spezielle Futterpläne für jedes Tier. Morgens bekommen einige Tiere Körner, um 11 Uhr ist die Hauptfütterungszeit, und um 13.30 Uhr gibt es Obst.“ Auf einem Tablet ist alles detailliert geplant – sogar wie das Futter geschnitten werden muss. „Es soll so naturgetreu wie möglich sein“, erklärt sie.

Direkt nebenan befindet sich der Raum mit den „Quarantäneaquarien“. Hier sind zurzeit Fische untergebracht, die nach einem Feuer in der Aquariumsausstellung evakuiert wurden. „Zum Glück haben 90 Prozent der Fische das Feuer überlebt“, erzählt Neu. „Jetzt warten sie hier in der Quarantäne, bis die Ausstellung wiederhergestellt ist.“

In den Quarantäneaquarien sind seit einem Brand alle Fische untergebracht
In den Quarantäneaquarien sind seit einem Brand alle Fische untergebracht  

Der nächste Stopp auf der Tour führt in die „Katakomben“ des Parks, wo die Technik versteckt ist, die den gesamten Betrieb am Laufen hält. Im früheren „Lunapark“, einst ein Kicker- und Flipper-Paradies, befinden sich heute die technischen Einrichtungen für die Belüftungssysteme sowie Lagerräume.

Im angrenzenden Amazonashaus sind hunderte exotische Pflanzen und Tiere beherbergt. „Das Haus sollte ursprünglich einstöckig sein“, erzählt Neu. „Aber wir entschieden uns schnell um, als wir merkten, dass die Technik und Vorbereitungsräume mindestens genau so viel Platz in Anspruch nehmen wie die Ausstellungsräume selbst.“ Auch das Madagaskarhaus hat eine ähnliche Geschichte: Ursprünglich als kleines Gebäude geplant, wuchs es schnell zu einer beeindruckenden Struktur heran, die nun riesige tropische Bäume und Pflanzen beherbergen kann für ein echtes Dschungelfeeling. „Die Konstruktion kam von einer externen Firma, aber alles andere – Pflanzen, Dekoration, selbst die Installationen – haben wir mit unseren eigenen Teams gemacht.“

Tom wechselt die Filter der Aquariumanlagen
Tom wechselt die Filter der Aquariumanlagen  

Hinter den exotischen Landschaften, die die Besucher so bewundern, steckt jedoch viel Technik. „Die Temperatur und Luftfeuchtigkeit müssen das ganze Jahr über konstant gehalten werden, auch im Winter“, erklärt Neu. Ein einziger Ausfall könnte die empfindlichen Pflanzen und Tiere gefährden.

Sorgen und Freuden der Tierpflege

Ein besonders bewegendes Thema für die Mitarbeiter des Parks ist der Umgang mit den Tieren – vor allem, wenn es zu Verlusten kommt. „Das Schwierigste ist, wenn ein Tier stirbt“, erzählt Neu. „Wir hatten einen Fall, wo ein Affenweibchen ihr Junges verloren hat. Sie hat eine Woche lang das tote Baby mit sich herumgetragen, bis wir es ihr abnehmen konnten. Das war wirklich schwer zu ertragen, aber es war ihre Art, zu trauern.“

Auch zwischen den Tieren kommt es manchmal zu Konflikten. „Bei den Wölfen kam es zu Dominanzkämpfen, bei denen zwei Tiere gestorben sind. Es ist hart, aber das ist die Natur.“ Trotz dieser schwierigen Momente gibt es auch viele Freuden: Besonders stolz ist das Team auf die erfolgreiche Nachzucht bei den Pinguinen. „Wir haben regelmäßig Nachwuchs, was ein gutes Zeichen dafür ist, dass es den Tieren hier gut geht.“

Während der Park in den letzten Jahrzehnten enorm gewachsen ist, bleibt die Vision für die Zukunft klar: „Wir wollen kein Disneyland werden“, sagt Neu mit Nachdruck. „Unser Ziel ist es, ein Ort zu bleiben, an dem Familien sich wohlfühlen. Wir investieren kontinuierlich in neue Projekte, aber immer mit dem Fokus, die natürliche und familiäre Atmosphäre zu bewahren.“

Ein Beispiel für diese Balance zwischen Innovation und Tradition ist die Zusammenarbeit mit Künstlern aus der Region. „In unseren Pavillons haben wir einen Ausstellungsraum, in dem wir jeden Monat eine andere Ausstellung zeigen“, erklärt Neu. „Es ist eine tolle Art und Weise, den Kindern Kunst näherzubringen.“
Neben den Einnahmen aus Eintrittskarten erhält der Park regelmäßig Unterstützung von Sponsoren und dem Ministerium. Luxemburgische Unternehmen treten an den Park heran, um Projekte wie Spielplätze oder Attraktionen zu unterstützen. „Das Ministerium übernimmt die Hälfte der Baukosten, der Rest kommt von den Sponsoren. So können wir kontinuierlich neue Attraktionen schaffen“, erklärt Marc Neu. Daneben haben Besucher auch die Möglichkeit, Tiere zu „adoptieren“. „Über die Patenschaften haben wir in diesem Jahr bereits rund 100.000 Euro eingenommen, was uns hilft, die Futterkosten zu decken“, erklärt Neu. „Es reicht zwar nicht für alles, aber es hilft uns enorm weiter.“

Where the magic happens: die „unsichtbare Arbeit“

Die Werkstätten des „Parc merveilleux“ sind der Dreh- und Angelpunkt für alle Bau- und Reparaturarbeiten im Park. Abseits der Besucherströme werden hier nicht nur neue Gehege und Attraktionen gebaut, sondern auch bestehende Anlagen gepflegt und repariert.

Die beiden Pferdchen warten in der Werkstatt darauf, repariert zu werden
Die beiden Pferdchen warten in der Werkstatt darauf, repariert zu werden  

In der Holzwerkstatt ist heute einiges los. Mitarbeiter arbeiten an neuen Unterkünften für die Baumstachler, die schon bald bezugsfähig sind. Die Werkstätten sind für die meisten handwerklichen Projekte im Park verantwortlich. „Wir bevorzugen Holz für viele unserer Projekte, weil es sich besser in die natürliche Umgebung des Parks einfügt“, erklärt Neu. Das ist jedoch auch mit einem höheren Wartungsaufwand verbunden. Holz muss regelmäßig gepflegt, behandelt und ausgetauscht werden, damit es dem Wetter und der Beanspruchung durch die Tiere und Besucher standhält.

In einer angrenzenden Werkstatt sind Elektriker und Mechaniker damit beschäftigt, elektrische Geräte zu warten und technische Probleme zu beheben. Dort warten unter anderem bereits zwei mechanische Pferdchen darauf, repariert zu werden. „Für den Pferdchenzug am Eingang des Parks gibt es keine Ersatzteile mehr, daher müssen wir die Reparaturen so gut es geht selbst durchführen“, erklärt Neu.

Der Park verfügt sogar über eine eigene Wäscherei mit Nähwerkstatt
Der Park verfügt sogar über eine eigene Wäscherei mit Nähwerkstatt  

Auch Dekorationsarbeiten gehören zum Alltag in den Werkstätten, wo täglich neue Dekorationselemente entworfen und gebaut werden. „Wir stellen vieles, was im Park zu sehen ist, hier selbst her“, erklärt Neu stolz.
Neben den Werkstätten spielt auch der hauseigene Waschsalon eine wichtige Rolle im täglichen Betrieb des Parks. Hier wird die Arbeitskleidung der Mitarbeiter regelmäßig gereinigt. Aber nicht nur die Reinigung der Kleidung, sondern auch kleinere Reparaturen werden hier durchgeführt. Kaputte oder verschlissene Arbeitskleidung wird geflickt und für den weiteren Einsatz vorbereitet.

Nach vier Stunden hinter den Kulissen wird eines deutlich: Der „Parc merveilleux“ ist ein Ort der Inklusion und des Engagements, wo unzählige unsichtbare Hände Tag für Tag im Hintergrund arbeiten, damit der Park für die Besucher eine märchenhafte Oase bleibt.

Für alle, die jetzt auf den Geschmack gekommen sind: Der „Parc merveilleux“ ist noch bis zum zweiten Oktoberwochenende einschließlich geöffnet.

„Parc merveilleux“ – Fakten und Zahlen

• Gegründet: 1956
• Größe: 25 Hektar
• Besucher 2023: 200.000
• Mitarbeiter: Rund 200 Personen während der Saison, davon 100 mit einer intellektuellen Beeinträchtigung

Chinesischer Themenpark

Bevor die APHEM den Park 1997 übernahm, war ein chinesisches Konsortium daran interessiert, die ganze Anlage zu kaufen. Es gab sogar schon konkrete Pläne für einen chinesischen Themenpark (siehe Foto).