GesellschaftEin Duschbus für Obdachlose: Wie es mit einem solchen Projekt in Luxemburg aussieht

Gesellschaft / Ein Duschbus für Obdachlose: Wie es mit einem solchen Projekt in Luxemburg aussieht
Ein ausrangierter Linienbus rollt seit 2019 durch Hamburg, damit Menschen ohne feste Unterkunft sich darin waschen können Foto: GoBanyo 

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Fachkräfte aus dem sozialen Bereich und Gesundheitspersonal schlugen Anfang Juli in Luxemburg Alarm. Denn die Hilfsangebote für Menschen ohne feste Unterkunft reichen ihnen zufolge nicht aus – darunter auch die Möglichkeiten, um Grundbedürfnisse zu befriedigen. Im deutschen Hamburg kennt man das Problem und hat mit dem Umbau eines gespendeten Linienbusses darauf reagiert.

„Wenn man nicht duschen kann, macht das was mit einem: Das Selbstwertgefühl leidet und man fühlt sich dreckig. Wir wollen nicht, dass Menschen sich wie Dreck fühlen“, erklärt Dominik Bloh in einem Telefongespräch mit dem Tageblatt. Der 36-Jährige wohnt in Deutschland und lebte während elf Jahren auf den Straßen von Hamburg. Er kennt das Gefühl, sich nicht regelmäßig waschen zu können: „An der Obdachlosigkeit war das für mich das Schwierigste. Wenn das Äußere schmutzig ist, schlägt das auf das Innere: Ich dachte von mir selbst, dass ich Dreck bin.“

Gedanken, die vielleicht auch Menschen ohne feste Unterkunft in Luxemburg kennen. Mindestens 450 leben wohl in den zwei größten Städten des Landes, genaue Zahlen dazu gibt es allerdings nicht. Anfang Juli machten Fachkräfte aus dem sozialen Bereich und Gesundheitspersonal in einem Weckruf darauf aufmerksam, dass die vorhandenen Hilfsangebote nicht ausreichen und ein „eklatanter Mangel“ an Notunterkünften herrscht – die oft auch Duschmöglichkeiten beherbergen. Bereits zuvor hatte die Vereinigung „Solidaritéit mat den Heescherten“ im Gespräch mit dem Tageblatt darauf aufmerksam gemacht, dass es zu wenig Möglichkeiten gibt, Grundbedürfnisse zu befriedigen. 

Nicht nur warmes Wasser

Ein Problem, das man so auch in Hamburg kennt. Um dagegen vorzugehen, ist seit 2019 dort der Duschbus der gemeinnützigen GmbH „GoBanyo“ unterwegs. In gleich mehreren Sprachen – zum Beispiel im Türkischen – steht „Banyo“ für „Badezimmer“ bzw. „Dusche“. An fünf Tagen pro Woche macht der ausrangierte und gespendete Linienbus an drei verschiedenen Orten in der Stadt Halt. In drei voll ausgestatteten Badezimmern können Menschen ohne feste Unterkunft kostenlos eine warme Dusche nehmen, bekommen neue Unterwäsche, saubere Kleidung sowie Pflegeprodukte oder einen Haarschnitt.

Dominik Bloh von „GoBanyo“ hat elf Jahre auf den Straßen von Hamburg gelebt und weiß deshalb, was eine simple Dusche bewirken kann
Dominik Bloh von „GoBanyo“ hat elf Jahre auf den Straßen von Hamburg gelebt und weiß deshalb, was eine simple Dusche bewirken kann Foto: Julia Schwendner

Als „Hilfe zur Selbsthilfe“ beschreibt Gründungsmitglied und Botschafter von „GoBanyo“ Dominik Bloh es, wenn Obdachlose in den Bus steigen, die Tür hinter sich schließen und während einer halben Stunde warmes Wasser über ihre Körper laufen lassen. „Es hat einen Effekt, wenn die Leute dann frisch geduscht aus der Kabine kommen. Vielleicht trauen sie sich dann, beim Arbeitsamt vorstellig zu werden oder sich bei der Wohnungssuche in eine Schlange einzureihen“. In dem Moment fühle man sich dem 36-Jährigen zufolge nämlich nicht mehr als „verwahrloster Obdachloser“ wahrgenommen: „Das verschafft Teilhabe und viele Chancen.“

Die mobile Lösung kommt zu denen, die sie brauchen – und umgeht damit eine Hürde, die beim Aufsuchen fester Duschstrukturen zum Problem werden kann. „Sie schämen sich für ihren Geruch und merken, dass andere Menschen aus Ekel auf Abstand gehen. Das schürt Isolation.“ Beim Duschbus allerdings sollen die Nutzerinnen und Nutzer stets herzlich empfangen werden. Das Engagement der gemeinnützigen GmbH betrifft laut deren Webseite nicht „nur“ die Notversorgung, sondern auch „sozialpolitische Forderungen und Aktivitäten.“

Fokus auf Ausbau der Strukturen

Das Team aus fünf Hauptamtlichen und über 100 Ehrenamtlichen hilft bereitwillig weiter, wenn in anderen Städten ein ähnliches Projekt umgesetzt werden soll. Mit Berlin, Köln oder München, aber auch Dublin, Paris und Mailand wurde sich bereits ausgetauscht oder dort gar ein Duschbus eingeführt. Als Lösung aller Probleme sieht man die Initiative aber nicht. Denn, so Dominik Bloh: „Eine Dusche ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Ziel ist nicht, so viele Duschbusse wie möglich zu schaffen. Es muss sein, die Wohnungskrise zu lösen und Obdachlosigkeit zu beenden.“ 

In Luxemburg liegt der Fokus beim Ministerium für Familie, Solidarität, Zusammenleben und Unterbringung von Flüchtlingen aktuell eher auf dem Ausbau des bestehenden Angebots an Notfallstrukturen und deren Dezentralisierung – wie die Pressestelle des Ministeriums auf Nachfrage erklärt. Ihr zufolge ist bisher noch keine Anfrage beim Ministerium eingegangen, um den Duschbus ins Großherzogtum zu bringen. Auch ist nichts dazu bekannt, dass es ein ähnliches Projekt bereits gibt. Obdachlose können dem Ministerium zufolge aber in vier Notunterkünften übernachten und dort die Sanitäranlagen nutzen. In den kälteren Monaten ist das auch in den Räumlichkeiten der Winteraktion am Findel möglich.

Details zum Projekt

2018 gründeten Dominik Bloh, Chris Poelmann und Gülay Ulaş „GoBanyo“, um in Hamburg einen Duschbus für Obdachlose ins Rollen zu bringen. Das Startkapital liehen die drei sich laut der Webseite der gemeinnützigen GmbH aus dem privaten Umfeld. Der Umbau des gespendeten Busses sowie ein halbes Jahr Betriebskosten wurden durch eine Crowdfunding-Kampagne finanziert: Über 3.500 Personen und Firmen spendeten 168.000 Euro. Im Dezember 2019 fuhr der Duschbus zum ersten Mal durch die Hansestadt, rund 26.000 Duschgänge wurden bis heute verzeichnet. Aktuell sind laut der Pressestelle der Gesellschaft fünf Hauptamtliche und mehr als 100 Ehrenamtliche im Einsatz. Ca. 60.000 Euro Betriebskosten fallen jedes Jahr an. Ziel ist es, dass sich das Sozialprojekt durch den Vertrieb eines eigenen Duschgels selbst tragen soll. Mehr Informationen gibt es unter gobanyo.org. Dominik Bloh ist inzwischen übrigens Autor und hat ein Buch über seine Lebensgeschichte geschrieben. Am 7. und 8. November 2024 wird er im „Brandbau“ in Wiltz daraus vorlesen. Details findet man unter prabbeli.lu. 

Des Weiteren finanzieren laut Familienministerium die Stadt Luxemburg sowie das Gesundheitsministerium weitere Dienste mit Duschmöglichkeiten. Eine mobile Lösung könne das bestehende Angebot zwar punktuell ergänzen – vor allem in Gegenden, in denen es noch keine Einrichtungen für Obdachlose gibt – allerdings würde diese das ausschließlich im Bereich der Hygiene tun. Das Ministerium verfolgt eher den Ansatz, Notunterkünfte dezentral im ganzen Land auszubauen, in denen eine ganzheitliche Unterstützung angeboten wird – also Zugang zu Sanitäranlagen, zu Nahrung oder auch sozialer Begleitung. 

Bedarf wächst

Die Präsidentin der „Stëmm vun der Strooss“, Alexandra Oxacelay, sieht im Duschbus eine gute Ergänzung zu existierenden Einrichtungen
Die Präsidentin der „Stëmm vun der Strooss“, Alexandra Oxacelay, sieht im Duschbus eine gute Ergänzung zu existierenden Einrichtungen Foto: Editpress/Julien Garroy

Für Alexandra Oxacelay von der „Stëmm vun der Strooss“ gibt es kein „entweder oder“. Für sie ist es eine Frage von „auch“. Kleine Einrichtungen, größere und auch ein Duschbus. Die Präsidentin der Vereinigung findet, dass ein solches Projekt eine gute Idee ist: „Da auch Leute den Duschbus nutzen würden, die aus verschiedenen Gründen nicht in die Strukturen gehen. Vielleicht würden sie sich dort aber waschen. Man müsste es ausprobieren.“ Sie weist darauf hin, dass der Duschbus auch zu anderen Uhrzeiten genutzt werden könnte. Auch Alexandra Oxacelay ist indes kein Ort in Luxemburg bekannt, an dem ein solches Fahrzeug bereits Halt macht. 

Vielleicht könnte das aber in Zukunft nötig werden. Denn zumindest bei der „Stëmm“ stellt man fest, dass der Bedarf an Möglichkeiten zum Waschen steigt. Neun Duschen stehen von montags bis freitags zwischen 12 und 15.30 Uhr in den Räumlichkeiten in Luxemburg-Stadt und Esch zur Verfügung. „Im Moment kommen wir der Nachfrage noch nach, aber es dauert nicht mehr lange, bis das nicht mehr der Fall ist“, stellt Alexandra Oxacelay fest. Überlegungen in Richtung eines Duschbusses gab es bei der Vereinigung bereits.

Aber: „Gute Ideen gibt es viele, aber man braucht die Möglichkeiten, diese umzusetzen“, erklärt die Präsidentin und denkt dabei an das notwendige Einverständnis, damit das Fahrzeug an einem Ort halten kann, an finanzielle Mittel oder auch ans Personal. Für Alexandra Oxacelay allerdings steht fest, dass gehandelt werden muss. Denn: „Die Armut wächst und es gibt Lösungen. Wir brauchen nur die Möglichkeiten, diese umzusetzen. So, wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben.“ 


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