RusslandEinbrechender Handel und ein drohender Einsatz an der Front: Die Auswirkungen der Ukraine-Krise auf Luxemburg

Russland / Einbrechender Handel und ein drohender Einsatz an der Front: Die Auswirkungen der Ukraine-Krise auf Luxemburg
Kreml-Chef Wladimir Putin will den Einsatz der russischen Armee in der Ostukraine Foto: Thibault Camus/Pool AP/dpa

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Die Ukrainekrise verschärft sich weiter. Nach der Anerkennung der pro-russischen Separatisten-Gebiete Luhansk und Donezk durch Russland und dem Antrag von Präsident Putin für grünes Licht des Parlaments für einen Truppeneinsatz in der Ostukraine reagieren die Westmächte mit scharfen Sanktionen. Die Auswirkungen der geopolitischen Krise treffen dabei auch Luxemburg. 

Alle Augen der Welt sind derzeit auf die russisch-ukrainische Grenze gerichtet. Russland hat am Montag Teile der Ostukraine als unabhängige Staaten anerkannt und damit den Westen schockiert. Am Dienstag dann ein weiterer Schritt: Kreml-Chef Wladimir Putin beantragt beim Oberhaus des Parlaments grünes Licht für den Einsatz der russischen Armee in der Ostukraine, noch während die EU über ein hartes Sanktionspaket diskutiert. Großbritannien und die USA haben zu diesem Zeitpunkt bereits weitere Abstrafung für Russlands Handeln erlassen und drohen mit weiteren Schritten. Am Dienstagabend stellt die EU ein erstes Maßnahmenpaket vor. 

Die geopolitische Krise wird auch in Luxemburg zu spüren sein. Sowohl für die russischen Unternehmen, die in Luxemburg angesiedelt sind und nun mit Sanktionen rechnen müssen, wie auch für die rund 60 luxemburgischen Unternehmen, die in Russland sind. Denn sie müssen mit Gegensanktionen rechnen. Gut informierte Kreise beschreiben die Stimmung bei den Investoren der betroffenen Firmen als sehr nervös. Bis Montag hätten viele das Gebaren von Russland für reines Säbelrasseln gehalten und nicht damit gerechnet, dass es zu einer Eskalation der Lage kommen könnte. 

Russland gehört für das Großherzogtum zwar nicht zu den Top-10-Handelspartnern, doch unwichtig sind die wirtschaftlichen Beziehungen nicht. Das betont auch Cindy Tereba, Direktorin für Internationale Angelegenheiten der luxemburgischen Handelskammer, im Gespräch mit dem Tageblatt. Bei den Exporten aus Luxemburg liegt Russland auf Platz 24, bei den Importen auf Platz 28. Betrachtet man nur die Länder außerhalb der EU, liegt Russland bei den Exporten auf Platz 10 und bei den Importen auf Platz 12. Der Wert der Exporte von Luxemburg nach Russland lag 2013 bei rund 474 Millionen Euro. Im gleichen Jahr umfasste das Importvolumen über 173 Millionen Euro. 

Auswirkungen der Sanktionen

Den größten Teil des Handels zwischen Luxemburg und Russland machen Finanzprodukte aus. Gerade dieser Sektor wird durch die geplanten Sanktionen angezielt. „Der Effekt der letzten Sanktionen gegen Russland ist noch deutlich zu spüren. Nach der ersten Sanktionswelle 2013 brach der Export von Finanzgütern von 104  Millionen Euro (2013) auf 35 Millionen Euro (2020) ein. Kommen neue Einschränkungen, wird der Handel weiter stark darunter leiden.“ 

„Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Luxemburg und Russland sind immer ziemlich stabil gewesen“, antwortet die „Belgisch-Luxemburgische Handelskammer in Russland“ (CCBLR) auf eine Anfrage des Tageblatt. „In Zahlen stellt sich dies zwar nicht so deutlich dar wie bei den Nachbarländern Luxemburgs – Belgien und die Niederlande, Deutschland und Frankreich, aber in den letzten Jahren wurden vor allem im Bereich der nachhaltigen Entwicklung und dem grünen Finanzwesen die Beziehungen ausgebaut.“

Den kommenden Sanktionen blickt die Handelskammer besorgt entgegen: „Um erfolgreiche Handels- und Wirtschaftsbeziehungen aufzubauen, sind jedwede Einschränkungen schädlich. Wir hatten uns erwartet, dass die Covid-19 Pandemie die Nationen eint und dass nun, da diese endet, die wirtschaftlichen Verbindungen wieder hergestellt werden. Unglücklicherweise stellen wir heute eine Zunahme der Risiken und Drohungen fest. Die Geschichte zeigt, dass auf jede Krise ein Wachstum folgt. Je schneller das passiert, desto besser.“ 

„Wir und unsere Mitglieder sind betrübt über die zerstörerischen Entwicklungen zwischen Russland, der Ukraine und der Europäischen Union. Wir zählen auf die Weisheit der politischen Akteure und ihren Willen, einen Kompromiss zu finden“, heißt es von der CCBLR weiter. Ihre Mission der Handelskammer sei allerdings die Entwicklung der Handelsbeziehungen und der Schutz der Aktivitäten ihrer Mitglieder in Russland. Politisch beteiligen würden sie sich nicht. 

Notfallpläne bei ArcelorMittal

Akut betroffen sind auch die luxemburgischen Unternehmen, die in der Ukraine operieren. Dazu gehören SES, Paul Wurth und ArcelorMittal. Der internationale Stahlkonzern gehört zu den größten Investoren im Land. 2005 kaufte das Unternehmen beispielsweise das größte Stahlwerkwerk des Landes Kryviy Rih für 5,2 Milliarden US-Dollar. „Die Situation in der Ukraine ist sehr besorgniserregend und wir hoffen, dass der Frieden und die Stabilität erhalten werden. Wir verfolgen die Situation von ganz nah. Bisher gab es keine Störungen unserer Aktivitäten vor Ort.“

Dennoch scheint ArcelorMittal bereits Vorkehrungen getroffen zu haben: „Wir möchten uns nicht dazu äußern, ob die Situation eskalieren könnte, aber wir haben Notfallpläne ausgearbeitet. Diese beginnen natürlich mit dem Schutz unseres Personals und, sofern möglich, unserer Vermögenswerte.“ Obwohl das Unternehmen bereits eine „vorherige instabile Phase“ im Jahr 2014 mitgemacht habe, handele es sich nun „um eine bisher nie dagewesene Situation“. 

Sorge um die Gaspreise

Doch was bedeutet die Ukrainekrise nun für den einzelnen Bürger im Großherzogtum? Leere Regale in den Supermärkten muss man nicht fürchten, schätzt Tereba. Denn aus Russland importiere Luxemburg hauptsächlich Schwermetalle und elektrische Geräte für die Wirtschaft. Dies könnte höchstes die Lieferketten für einzelne Produkte etwas beeinträchtigen. 

Doch die Krise könnte den Geldbeutel jedes einzelnen treffen. Angetrieben durch die Krise könnten die Gaspreise steigen. Bereits nach der Ankündigung Putins am Montag schnellte der Gaspreis kurzzeitig an den Börsen in die Höhe, ehe er sich wieder stabilisierte. „Russland ist unser zweitwichtigster Energie-Lieferant, direkt nach Norwegen“, betont Tereba. 7.868,7 Terajoule Naturgas bezieht Luxemburg pro Jahr aus Russland. Tereba könne nicht einschätzen, um wie viel die Preise ansteigen werden, doch die Krise werde ziemlich sicher einen Effekt auf die Energiekosten haben. 

NATO-Verpflichtungen

Sollte es zu einem Einmarsch Russlands in die Ukraine und einer Gegenreaktion der NATO kommen, muss Luxemburg außerdem damit rechnen, militärisch in den Konflikt verwickelt zu werden. Aktuell wird Luxemburg in den Statistiken der NATO mit einer Truppenstärke von 900 Soldaten geführt. Spezialisiert hat sich das Großherzogtum vor allem auf terrestrische Aufklärungsmissionen, also darauf, die Truppenbewegungen des Gegners auszukundschaften. Da die NATO das truppenlose Drohnen- und Satellitenprogramm, das der ehemalige Verteidigungsminister Etienne Schneider in seiner Amtszeit antreiben wollte, ablehnte, bedeutet dies wohl auch den Einsatz von Soldaten an einer Front zwischen Russland und der NATO. Weiter könnten Ärzte und Krankenschwestern aus Luxemburg hinter den Fronten aktiv werden: Luxemburg hatte 2017 Pläne vorgelegt, um medizinische Spezialeinheiten für Traumatologie zu entwickeln. 

Ein Militäreinsatz gegen Russland könnte für Luxemburg außerdem bedeuten, dass es seine Verteidigungsausgaben weiter erhöhen muss. Nach scharfen Kritiken in den vergangenen Jahren und einem schlechten Abschneiden beim „NATO Defence Planning Process“ (NDPP) hatte Luxemburg seine Investitionen in diesem Bereich bereits in die Höhe gesetzt und ist dabei, seinen Fuhrpark komplett zu erneuern. 

jean-pierre.goelff
23. Februar 2022 - 17.53

Ach ja,lieber Freund JJ,da ist doch das liebe Geld und der bislang so hochgelobte Gerhard Schröder,Putins Busenfreund!

Filet de Boeuf
23. Februar 2022 - 15.47

Richtig, und der andere Teufel im Westen freut sich über die Fracking-Gas-Exporte und die Rüstungsexporte.

Romain Juni
23. Februar 2022 - 13.30

Was wenn Vladimir kein Gas mehr in den Westen liefert? Die Asiaten würden es dankend abnehmen.Der Westhahn wäre schnell abgedreht.Das US Gas lässt auf sich warten.......

JJ
23. Februar 2022 - 8.48

Handel treiben mit Schurkenstaaten? Dann wundern wir uns wenn der Teufel sein wahres Gesicht zeigt?! Würden sie eine Firma in Nordkorea starten?