Bettelverbot„Eine Politik ohne Herz“: Opposition kritisiert Innenminister Gloden

Bettelverbot / „Eine Politik ohne Herz“: Opposition kritisiert Innenminister Gloden
Rechtfertigt seine Entscheidung zum Bettelverbot: Innen- und Polizeiminister Léon Gloden Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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In der Chamber-Kommission für Innenpolitik präsentiert Minister Gloden die Pläne der neuen Regierung. Auch das Bettelverbot hat die Opposition auf die Tagesordnung setzen lassen – und übt scharfe Kritik. 

Der Tag von Léon Gloden (CSV) beginnt früh. Noch vor der Zusammenkunft des Regierungsrates und vor der Sitzung der Kommission für Innenpolitik trifft sich der Innen- und Polizeiminister am Morgen mit der Bürgermeisterin der Stadt Luxemburg, Lydie Polfer (DP), und Vertretern der Polizei. Man spricht auch über das umstrittene Bettelverbot, genauer: Wie dieser neue Artikel 42 im Polizeireglement der Stadt Luxemburg in der Praxis umgesetzt werden soll.

Die Stadt plane im ersten Schritt eine Informationskampagne mit Flyern, sagt Gloden am Nachmittag nach seinem Besuch bei der Kommission für Innenpolitik. Der Chamber-Ausschuss hatte den Minister eingeladen, um über das Koalitionsabkommen und die Pläne der Regierung zu sprechen. Einen Tag vor der Sitzung hatten LSAP und „déi gréng“ aus aktuellem Anlass den Antrag gestellt, auch das Bettelverbot auf die Tagesordnung zu setzen und den Polizeidirektor Philippe Schrantz einzuladen. Zusätzlich zu der Informationskampagne solle die Polizei auch verstärkte Präsenz auf der Straße zeigen, so Gloden weiter. In einer zweiten Phase sollen die Menschen, die sich nicht an die neuen Regeln halten, mündlich belehrt werden. Die Polizei könne Personen mitnehmen aufs Revier, wenn sie sich nicht ausweisen können. „Das ist kein Platzverweis, das ist ein bisschen falsch dargestellt worden“, so Gloden. Er habe in der Kommission aber ebenfalls angekündigt, im kommenden Jahr einen Gesetzesvorschlag einzubringen, um den bestehenden Platzverweis effektiver zu gestalten.

Verfassungsrechtliche Bedenken bei „déi gréng“

Wenn nun vom Bettelverbot die Rede ist, betonen seine Befürworter immer wieder, dass die neue Regel nicht auf einfache, sondern auf organisierte und aggressive bis gewalttätige Bettelei abziele. Auch Bürgermeisterin Lydie Polfer macht das an diesem Tag wieder deutlich. Im Text der Verordnung ist dennoch in Artikel 42 von „allen anderen Formen“ der Bettelei die Rede. Außerdem gibt es für besonders aggressive Bettelei schon eine Rechtsgrundlage im „Code pénal“, der diese Form als Straftat ansieht. Für Minister Gloden ist das kein Widerspruch: „Es gibt eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts, die besagt, dass eine Gemeinde in ihr ‚Règlement de police’ auch eine strafbare Handlung hineinschreiben kann, die eigentlich im ‚Code pénal’ vorgesehen ist“, sagt Gloden. Das könne außerdem für eine bessere Sichtbarkeit der Gesetze bei der Bevölkerung sorgen. „Die kennen vielleicht eher die Gemeindeverordnung als den ‚Code pénal’.“ Den Punkt, dass es schwer sei, Menschen, die in Zukunft gesetzeswidrig betteln sollten, strafrechtlich zu verfolgen und zu sanktionieren, weil viele von ihnen keinen festen Wohnsitz hätten, weist Gloden ebenfalls zurück: „Das ist kein Argument in einem Rechtsstaat.“ Über die Höhe und Schärfe möglicher Strafen gab es auf Nachfrage der Kommission keine Aussage.

Die Opposition macht an diesem Mittwoch in und nach der Sitzung der Kommission ihrer Kritik Luft. „Die Art und Weise, wie der Minister vorgeht, trifft mich persönlich“, sagt Meris Sehovic („déi gréng“). Die Regierung sei mit großer Symbolpolitik angetreten, jetzt zeige sich aber, dass der Kampf gegen Armut strukturell keine Priorität habe. „Kein Kampf gegen die Armut, sondern ein Kampf gegen Arme.“ Das werde weder das Sicherheitsgefühl der Menschen verbessern, noch strukturelle Probleme lösen, so das Mitglied der Kommission. Sehovic und seine Partei hegen beim Bettelverbot auch verfassungsrechtliche Bedenken: „Es ist phänomenal, dass sich der Minister bei seiner Entscheidung auf ein Dekret von 1789 bezieht und total ignoriert, dass unsere neue Verfassung vorschreibt, dass persönliche Freiheiten nur per Gesetz und nicht per Gemeindeverordnung eingeschränkt werden dürfen.“ Das sei eine „Enttäuschung auf ganzer Linie“, sagt Sehovic.

 Soziale Stigmatisierung statt Kohäsion

Der Vize-Präsident der Kommission, Dan Biancalana (LSAP), erinnert daran, dass die einfache Bettelei bislang nicht verfolgt wurde und es ein „Recht zu betteln“ gab. Das Argument, dass mit der neuen Verordnung nach Aussage von CSV und DP vor allem die aggressive Bettelei verfolgt werden soll, versteht er nicht. „Das geht auch heute schon mit dem ‚Code pénal’“, so Biancalana. Vulnerable Personen würden nun noch weiter stigmatisiert. „Das ist kein Ansatz für soziale Kohäsion.“ Ähnlich sieht es auch Piraten-Politiker Marc Goergen: „Das Bettelverbot trifft die vulnerabelsten Personen.“ Es gebe sowieso schon zu wenige Strukturen, wo diese Menschen hingehen könnten. „Das ist für uns eine Politik ohne Herz, die wir nicht unterstützen können.“ Auf der anderen Seite dürften aber auch keine Zeltstädte entstehen, so Goergen, man müsse einen „guten Zwischenweg“ finden. Die aktuelle Regelung aber würde das Problem nur auf andere Gemeinden mit anderen Gesetzen verlagern, was Goergen „unsolidarisch“ findet.

Für die ADR ist das Bettelverbot ein Schritt in die richtige Richtung. „Anders als andere Oppositionsparteien sind wir im Prinzip damit einverstanden, dass strenger gegen organisierte Bettelei vorgegangen wird“, sagt Fernand Kartheiser. Den geplanten Ansatz sieht er aber dennoch kritisch. Den Menschen, die durch Schicksalsschläge oder ähnliches zur Bettelei gezwungen seien, solle man nichts verbieten, sondern ihnen vielmehr helfen, so das Kommissionsmitglied. Auch bei der organisierten Bettelei schränkt Kartheiser ein: „Es sind nicht die Bettler selbst, die schuld sind, sondern die Organisation dahinter.“

Neben dem Bettelverbot ging es in der Sitzung der Kommission vor allem darum, dass Innen- und Polizeiminister Gloden die Pläne der Regierung aus dem Koalitionsvertrag im Gespräch mit den Parlamentariern erörtert. Doch gerade die Vertreter der Opposition beklagen noch immer fehlende Informationen und ungenaue Aussagen. „Der Minister ist sehr konkret, wenn es um repressive Maßnahmen geht“, sagt Sehovic. Auf der anderen Seite käme nichts Konkretes. „Wenn es um präventive Maßnahmen geht, verspürt man nicht denselben Handlungsdrang.“ Gefragt nach möglichen Präventivmaßnahmen, führt Gloden in der Kommissionssitzung die neue „Police locale“ an. „Die wird von der Regierung hochstilisiert als eine Antwort auf alles“, so Sehovic. Der Minister habe auch die Idee lanciert, dass die Gemeinden bei der Finanzierung einer neuen Polizeieinheit mit in Verantwortung gezogen werden könnten. „Davon war im Wahlkampf nicht die Rede.“

Die Kommission für Innenpolitik stellt Minister Gloden kritische Fragen zu den Plänen der neuen Regierung
Die Kommission für Innenpolitik stellt Minister Gloden kritische Fragen zu den Plänen der neuen Regierung Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante
benschul
18. Dezember 2023 - 14.20

Arm-xxyy. Dat ass mäin Brgrëff zu Denger Bemierkung iwwert Héscherten aus anere Länner. Ass e manner wäert wann en net hei an eisem Kaff Lëtzebuerg gebueren ass? Fir de Misère gëtt et keng Grenzen an all anert Denken ass klengkaréiert. Wann e Mënsch aus dem Senegal hei hinner kënnt fir Deng Poubellen eidel ze machen, oder e Médchen aus Asien Där am Spidol den Hënner ofbotzt, dann sinn se nëtzlech a ginn akzeptéiert. Hunn se hir Arbecht verluer, da schëckste de se eren hém. Ech si frou, dass ech näischt mat Där ze dinn hunn. Du schéinst e Prototip vun engem Egoist ze sinn.

liah1elin2
18. Dezember 2023 - 13.45

@benschul
Einfach schön, engagierte Menschen wie Sie anzutreffen
Lösungen zu diesem Thema scheinen nicht gefragt zu sein, weder von der Regierung noch der Kirche. Ein Großteil der Bevölkerung ist ja zudem mit den Repressionen einverstanden, also Auftrag erfüllt. Ein solcher Zynismus macht sprachlos.
Deshalb liegt es an unserem Engagement, diese geschundene Menschen aufzufangen und die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen.
Herzliche Grüsse

benschul
18. Dezember 2023 - 12.22

JJ. Sie sprechen von ihrer schweren Kindheit und sie sind zurecht stolz Ihr Leben selbst gestaltet zu haben. Die Menschen um die es hier geht, haben einfach die Fähigkeiten nie gehabt oder verloren. Sie haben auch ihren Stolz und die Selbstachtung verloren. Auch Alkoholiker und Drogenabhängige haben sich aufgegeben. Sie können aber in bestimmten Therapie-Einrichtungen lernen, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Das Gleiche gilt auch für Bettler, wenn sie eine Chance bekommen.

benschul
18. Dezember 2023 - 12.09

liah1elin2 - Sie haben vollkommen recht. Es ist wirklich traurig, dass in einem Land wie Luxemburg, das von einer Partei geführt wird, die sich Christlich nennt, ohne sich bewußt zu sein, was sich unter dem Begriff verbirgt und zudem Sozial, auch ein Versprechen, das in diesem Fall nicht gehalten wird. Ich wundere mich, dass bis jetzt der Klerus und das Bistum sich nicht zu dem Problem geäußert haben. Auch sie sind gefordert und hätten die Mittel und Fähigkeiten um Lösungen auszuschaffen. Das Verbot als einzige Lösung anzubieten ist nicht nur zynisch, sondern menschenverachtend. Es handelt sich nicht nicht um Hundehäufchen die entsorgt werden, sondern um Menschen wie Sie Herr Staatsminister, Ihre Familie, meine Nachbarn, unser Kardinal, meine Freunde und ich. Wir sind alle gleich in unseren Bedürfnissen ungeachtet unserer Titel. Müssen wir denn warten, bis der Tod uns beweist, wie gleich dass wir sind?

Heino
17. Dezember 2023 - 16.15

@Grober J-P./ Falsch!
Ich habe klar und deutlich geschrieben "ihre Privatverhältnisse interessieren niemand", und muss wohl um es 100% auch für sie klar zu machen hinzufügen, " und das Gleiche gilt für ihren Status".
Sie tun mir soo leid!

Grober J-P.
17. Dezember 2023 - 9.56

@ Heino. "Ihre Privatverhältnisse interessieren niemand"
Sehen Sie, das ist ja der entscheidende Punkt in einer soo sozialen Gesellschaft hier im Lande.
Wieso sind Sie denn jetzt an meinem Status interessiert?

geimic
16. Dezember 2023 - 17.41

Et ass jo net iwwerall verbueden ze biedelen, just op verschidde Plaatzen an der Stad

benschul
15. Dezember 2023 - 21.37

Es ist ein trauriger Tag für Luxemburg. Es ist ist die armseligste Tat die je von der einer Partei zustande kam. Und dann noch von einer Partei die sich Christlich Sozial nennt. Von diesen beiden Buchstaben sollten sie sich trennen, dann wer sich so nennt und sich an den Ärmsten der Armen vergeht, nachdem er das Volk mit einer Unmenge an Versprechungen auf seine Seite gelockt hat, ist ein Betrüger. Herr Gloden, ich schaffe es nicht Sie, mit Minister anzureden, Sie sind es in meinen Augen nicht würdig. Sie hätten hier die Möglichkeit gehabt, zusammen mit bestehenden Strukturen an einer Lösung zu arbeiten, nicht gegen, sondern für die Armen. Da in einer Regierung aber nur Reiche zusammensitzen, die nie Armut erlebt haben, sind solche Entscheidungen vorprogrammiert. Sollte es zu einer Wende im Sinne der Betroffenen in diesem Trauerspiel kommen, werde ich der Erste sein, der Sie beglückwünscht. Herzliche Grüße

Heino
15. Dezember 2023 - 10.52

@ Grober J-P./14.12.2023-14:50 Genau das war für sie gemeint!
Ihre Privatverhältnisse interessieren niemand. Sie scheinen Scheinheiligkeit mit mit Ehrlichkeit zu verwechseln. Man kann sehr wohl weiterdiskutieren ohne im "Heescherterstatus" gewesen zu sein. Waren sie, da sie anscheinend so gut bescheid wissen??

JJ
14. Dezember 2023 - 21.20

Alle Kommentare in Ehren(fast) aber es geht doch darum ob wir als "normal Schaffende" auf der Straße verkehren dürfen, ohne angebettelt zu werden. Könnte es Leute geben die es einfacher finden mit Smig,oder wie immer die staatliche Unterstützung heißen mag, und etwas Betteln über die Runden zu kommen, ohne sich um eine Arbeit zu bemühen, dann wäre das doch eine Gedanken wert diese "Armen" aus einem anderen Blickwinkel zu bewerten. In meiner Region in Frankreich gibt es 60% Arbeitslosigkeit. Aber es gibt auch Cafés auf denen Leute zwischen 20 und 50 ab 10.00 Uhr morgens ihren "Apéro" zu sich nehmen und jungen Lehrlingen zuwinken die mit dem Fahrrad zu ihrem Ausbildungsplatz radeln.
Es gibt sie schon ,die Profiteure der Wohlstandsgesellschaft.
Egal. Von mir kriegt keiner einen Heller.Ich hatte auch eine schwere Kindheit und...ich habe es geschafft.

max.l
14. Dezember 2023 - 18.55

hei menge Läit mër géifen an engem Schlarafe-Land liëwen..
ok, ët ass normal dat hei zu Lëtzebuërg, vill Läit "Geld" verdingen, wou awer iwwert Meerheet nach NIE am fong "Souë "verdingt huët, wou hiën am Enn vum Mount, nach ee Sou méi recht huët, oder mol nët duër goung vun dem wat era kënnt..

ët kann op eemol ganz séier goën op der Strooss zë landen..
eng Faïte, de Patron huët säi Betriib zou gemaach..
oder soss nach Ursaachen..
ëch ka mër nët viirstellen dat een Heeschert sëch a senger Haut woul fillt
awer mënschlëch denken an handelen .. dat ass eng aaner Klack

liah1elin2
14. Dezember 2023 - 17.01

Es ist diese Hilflosigkeit an Argumenten und Kälte der Bürger die mich schier verzweifeln lassen.
Schon meine Eltern haben in den 60er Jahren Randständige unterstützt und dies habe ich gerne in ihrem Sinne weitergeführt, wie meine Kinder jetzt auc immer ehrenamtlich.
Es ist doch keine grosse Sache, Menschen die nicht auf der Sonnenseite stehen, Respekt, Unterstützung und Wärme zukommen zu lassen.
Aber gerade sehr reiche Länder wie Luxemburg und die Schweiz haben keine Lösungen parat, ausser auf Repressionen zu setzten. Wie

Arm XXXXVII
14. Dezember 2023 - 16.14

@ jean-pierre.goelff / Du méngs "se sollen dofir suergen dass kee brauch heeschen ze goen, awer dât wär vill ze komplizéiert". Jojo, richteg eng gutt Idee, mee wat hu mir mat deene preiseschen, franséischen, belschen a.e.w. Heescherten ze din? Et sin der esouguer aus Iwerséi dobéi. Ass dât elo richteg ukomm?

Grober J-P.
14. Dezember 2023 - 14.50

@ Nomi / Aha, dat war also fir méch gemengt. Huet de Romain dann keng Plaz méi? Bei eis wunnen nach 3 Kanner am Hotel Mama, Zëmmeren all besaat, leider.
Ech kann Iech déi emol op Proufwunnen schécken. Meng Rent ass och zimlech begrenzt, also.
Avis aux amateurs!
Wat gin ët hei am Land Schäinhelleger, ass nët ze verstoen.
Frot w.e.g. emol Leit déi am "Heescherterstatus" woren, an dann diskutéiere weider.

Nomi
14. Dezember 2023 - 14.13

@ Grober : Den Romain huet proposei'ert dass dir kennt een bei iech doheem ennerbrengen !

Grober J-P.
14. Dezember 2023 - 13.25

@ Romain / Wie würden Sie "Bettler" beschreiben?
Sie wünschen sich, dass HART durchgegriffen wird, nicht wahr?

Frau Müller-Lüdenscheid
14. Dezember 2023 - 12.06

Er ist immer noch Vize Premier, oder hab ich die Überschrift nicht richtig verstanden ?

Romain
14. Dezember 2023 - 10.50

Ein jeder der für die Bettler ist kann diese ja unterstützen und ihnen eine Unterkunft zu Hause geben und ein Teil ihres Einkommens geben

jean-pierre.goelff
14. Dezember 2023 - 9.52

....dann suërgt dach einfach derfir,dass keen brauch heeschen ze goën!Jojo,daat ass vill ze komplizeïert......

fraulein smilla
14. Dezember 2023 - 9.01

Die sich zum Empire des Biens zaehlenden Oppostionsparteien sollten sich mal den Satz von Valérie Giscard D 'Estaing aus der TV Debatte mit Francois Mitterand vom 10.05.1974 ins Stammbuch schreiben -" Vous n'avez pas le monopole du coeur "