Kirmes-KulinarikEssen und Trinken gehört seit 1341 stets dazu: Die Fouer-Gastronomie im Wandel der Zeit

Kirmes-Kulinarik / Essen und Trinken gehört seit 1341 stets dazu: Die Fouer-Gastronomie im Wandel der Zeit
Was wäre ein Fouer-Besuch ohne ein gemeinsames deftiges Mittag- oder Abendessen Foto: Editpress/Alain Rischard

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Es bleiben noch einige Tage, um sich auf dem Glacis mit der einen oder anderen Fouer-Spezialität zu verwöhnen. Seit 1341, der Gründung des Jahrmarktes, gehört Essen und Trinken dazu und hat sich seither mit der Fouer entwickelt und gewandelt. Ein Bericht über Kulinarik ohne Kühlschrank und die mögliche Erfindung des Fouer-Hamburgers. 

Die Fouer-Gastronomie ist so alt wie der Jahrmarkt selbst. „Gegessen und getrunken wurde immer“, so Historiker und Geschichtslehrer Steve Kayser. Als Vergleich für die Symbiose könnten der Mäertchen und die Oktav dienen. Genau wie die Fouer haben sich aber auch die Ess- und Trinkgewohnheiten über die Jahrhunderte entwickelt und gewandelt.

Das hat nicht zuletzt mit der Entwicklung der Transport-, Kühl- und Zubereitungstechnik zu tun. Einst musste Eis von weit her herbeigeschleppt werden, riesige Blöcke, um Speisen zu kühlen, und vor allem, um zu sie zu lagern, zumindest eine gewisse Zeit lang. Kühle Keller und fließende Gewässer halfen auch, Vorräte frisch zu halten. Viele Lieferungen für die hungrigen und durstigen Gäste kamen aber oft auch sozusagen in letzter Minute – „just in time“, wie man heute sagen würde: also aus der Metzgerei auf den Grill und auf den Teller.

Zubereitung deftiger Speisen fast wie Anno dazumal
Zubereitung deftiger Speisen fast wie Anno dazumal Foto: Editpress/Julien Garroy

Gekocht wurde zunächst am Herd mit Holzfeuer. Später kamen Gas und Strom und machten vieles einfacher und sauberer. Durch die Möglichkeiten des technischen Fortschritts sei die Fouer in allen Hinsichten stets ein Kind ihrer Zeit, sagt Steve Kayser. Das gilt besonders auch für die Gastronomie – für die die modernen elektrischen Kühlschränke und -Truhen, die sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg so richtig breit machten, ein großer Sprung nach vorne war.

Speisen und tanzen

Getrunken wurden und werden wie eh und je die Klassiker: Bier, Wein, Schnaps, vielleicht auch Wasser. Limonade kam später und dann auch nicht als Cola, Sprite oder Fanta, homemade war die erste Fouer-Limo ganz bestimmt.

Wenn heute in manchen Fouer-Restaurants Party gemacht wird, Festzeltstimmung und etwas Ballermann-Feeling aufkommen, dann ist das nicht gänzlich neu. Es wurde immer schon musiziert und getanzt, vielleicht einfach auf dem Fouer-Platz selbst oder in extra dafür vorgesehenen Lokalen, aber das Amüsement war nie weit entfernt von Trink- und Essbarem.

Wie gesagt, die Fouer-Gastronomie ist über die Jahre mit dem Spaßfaktor des Marktes gewachsen. So wie wir sie heute kennen, sei sie eigentlich aber erst nach 1900 entstanden, sagt Steve Kayser. „Damals, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, haben sich viele Restaurants und Brasserien auf dem Platz niedergelassen. Eine ganze Reihe bekannter Wirte aus der Stadt eröffnete während der Fouer sogar eine Niederlassung auf dem Glacis“, so der Fouer-Experte.

Es heißt, dass der „Fouerfësch“, der „Merlan frit“, 1904 ein erstes Mal erwähnt wurde
Es heißt, dass der „Fouerfësch“, der „Merlan frit“, 1904 ein erstes Mal erwähnt wurde Foto: Editpress/Alain Rischard

Auf dem Menü standen damals Spezialitäten der Luxemburger Küche. „Fierkelsjelli“, Kalbskopf, Frankfurter Würstchen oder zum Beispiel der heute sehr geschätzte „Fouerfësch“, ein Backfisch, „Merlan frit“. 1904 sei er erstmals in der Luxemburger Presse erwähnt worden, sagt Steve Kayser. Damals habe es auch Buden gegeben, wo man den „Gebakene Fësch“ kaufen und in Zeitungspapier eingewickelt mit nach Hause nehmen konnte. Heute gibt es das leider nicht mehr. Das Frittieren verschiedener Speisen hätten wir mit großer Wahrscheinlichkeit den belgischen oder niederländischen Schaustellern zu verdanken. „Die berühmten ‚Arlerer de Poorter‘ haben die Fritten auf die Fouer gebracht“, so der Historiker.

Steve Kayser
Steve Kayser Foto: Editpress/Alain Rischard

Ursprung des Fouer-Hamburgers

Um 1900 seien die Cafés, Brasserien, Restaurants und Dancings entlang der Scheffer-Allee aufgeblüht. „Westeschgaart“, „Biweschgaart“ und andere. Dort seien zu Speise und Trank auch Filme gezeigt worden, was die Schausteller, die auf der Fouer über einen eigenen Cinematografen verfügten, nicht gerade erfreute. Eines sei gewiss, so Steve Kayser: „Das Viertel in direkter Nähe zur Fouer wurde munter!“ Das fehle heute etwas. Die Tradition der Vielfalt an Speisen aber bestehe weiter. „Doch vieles von dem, was heute angeboten wird, ist recht rezent.“

„Die berühmten ‚Arlerer de Poorter‘ haben die Fritten auf die Fouer gebracht“, so Historiker Steve Kayser
„Die berühmten ‚Arlerer de Poorter‘ haben die Fritten auf die Fouer gebracht“, so Historiker Steve Kayser Foto: Editpress/Alain Rischard

Die typisch Luxemburger Fouer-Buden mit vielen Sitzplätzen und den weißen Tischdecken seien massiv in den 1960er und 1970er Jahren entstanden. Sitzgelegenheiten habe es vorher auch schon gegeben, aber weniger. Der Historiker weist auch darauf hin, dass der typische Fouer-Hamburger seinen Ursprung im „Grill Bar Rond“ habe. Das Lokal besteht heute noch. Abends habe ein Beschäftigter, nach einem langen Arbeitstag, Lust auf etwas Warmes gehabt und sich die Füllung eines Hackfleischbrötchens als flache Scheibe gegrillt.

Eine Waffel passt anscheinend immer, ob mit oder ohne Schlagsahne
Eine Waffel passt anscheinend immer, ob mit oder ohne Schlagsahne Foto: Editpress/Alain Rischard

Ohne Waffel geht es nicht

Fast Food und Take-out spielen heute in der Fouer-Gastronomie zusehends eine immer größere Rolle. Daran werde sich auch in Zukunft nicht viel ändern, so Steve Kayser. Man hat zusehends die Qual der Wahl. Gleiches gilt auch bei Süßem. Gebrannte Nüsse, Mandeln, Nougat, Zuckerwatte und natürlich „Gaufres“ sind einige der Klassiker.

Gebrannte Mandeln und Nüsse sind ein Fouer-Klassiker
Gebrannte Mandeln und Nüsse sind ein Fouer-Klassiker Archivfoto: Editpress

Zur Kulinarik der Schueberfouer gehört seit den 1960er Jahren auch, dass zur feierlichen Eröffnung „Ham a Kuch“ gereicht werden. Diese recht junge Tradition stammt laut Steve Kayser aus dem ländlichen Raum, wo Schinken und Kuchen seit langem zu jedem Kirmes-Fest gehörten. Ein großer Supermarkt in Luxemburg hat übrigens sogar einem seiner Kochschinken diesen Namen gegeben.

Für Fouer-Experte Steve Kayser gehört die kleine „Choucroute garnie“ zum Ritual jeder Fouer-Eröffnung
Für Fouer-Experte Steve Kayser gehört die kleine „Choucroute garnie“ zum Ritual jeder Fouer-Eröffnung Foto: Editpress/Alain Rischard

Nun denn. Es soll Menschen geben, denen Karussell, Riesenrad oder Achterbahn ziemlich egal sind. Ihre Ziele liegen mitten in dieser betörenden Duftwolke, in der sich Süßes mit Deftigem verbindet. Nicht umsonst ersetzt die Fouer öfters die Betriebskantine, Schnellimbiss oder Restaurant. „An Auswahl fehlt es bei dem aus der Großregion stammenden Angebot nicht, seien es Fritten, Fisch oder Austern“, so der Fouer-Experte Steve Kayser. Er persönlich schwört unter anderem auf eine kleine „Choucroute garnie“ – Brötchen, Wurst, Sauerkraut, Gurken und Senf – als Teil des Rituals bei jeder Jahrmarkteröffnung.

 Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Confrérie du Poisson d’Or

Seit 1965 lud die Friture Joslet, eines der ältesten, wenn nicht gar das älteste Fouer-Restaurant, jene, die beruflich mit den Vorbereitungen der Fouer zu tun haben, zum ersten „Fouerfësch“ ein. Aus dieser Tradition entstand im August 2000 die „Confrérie du Poisson d’Or“. Ihre Mitglieder treffen sich bis heute, im Prinzip am Vorabend der Eröffnung der Fouer.

mgoetz@tageblatt.lu
8. September 2024 - 18.28

Salut!
Essen geht immer, trinken auch. Was ist denn Ihr Lieblingsteller auf der Fouer? Ein kleines Feedback wäre toll.
Merci