RTL-InterviewFrieden: „Klare Position, dass wir das Index-System nicht ändern werden“

RTL-Interview / Frieden: „Klare Position, dass wir das Index-System nicht ändern werden“
Luxemburgs Premierminister Luc Frieden Archivfoto: Editpress/Alain Rischard

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Premierminister Luc Frieden redet im RTL-Interview über Rentenreformen, Steuerpolitik und soziale Kohäsion. Er forderte breite Debatten – und betonte die Notwendigkeit des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

„Wir machen in diesem Land keine Revolution“, sagt Luc Frieden (CSV). „Aber es gibt eine ganze Reihe Probleme, und die müssen angepackt werden.“ Der Premierminister war am Samstagmittag Interview-Gast beim Fernsehsender RTL. In dem eine Stunde langem Gespräch waren das Rentensystem, die Steuerpolitik – und auch eine Personalie in Brüssel Thema. 

Luxemburg habe durch innere wie äußere Einflüsse an Wettbewerbsfähigkeit verloren. „Wir haben hier zu Hause eine Reihe von Defiziten, die in den vergangenen Jahren nicht aufgelöst wurden“, sagt Frieden. Er wolle aber nicht in die Vergangenheit schauen. „Ich gehe davon aus, dass jeder und alle Parteien ihr Bestes gemacht haben.“  Seine Regierung wolle die Kaufkraft stärken, und einen pragmatischen Umweltschutz. Soziale Kohäsion ist Frieden ein wichtiges Anliegen. „Wenn eine Gesellschaft auseinander driftet, durch diverse Faktoren, das können verschiedene Ideen sein, oder soziale Ungleichheiten – dann ist das Land in Gefahr.“

„Gegen die Extreme“

Er wolle einen Konsens „in der Mitte“ finden. „Deshalb bin ich auch politisch gegen die Extreme“, sagt Frieden. Er appellierte an die Geschlossenheit im Land. „Dass nicht einer gegen den anderen ausgespielt wird, weder jung gegen alt, Staatsbeamte gegen Privatangestellte, Luxemburger gegen alt.“ Das sei eine Herausforderung, die jeden Tag da ist – und jeden Tag größer werde, weil die Gesellschaft komplexer werde. 

Bei der Armutsbekämpfung sieht Frieden das Problem, dass es zwar Hilfen gäbe, diese aber nicht immer ankämen. Der Premierminister plädiert für andere Kriterien und Hilfen, die die Menschen auch kennen. „Dass der Staat auf die Menschen zugehen kann“, sagt Frieden. Frieden glaubt, dass dann auch die Kinderarmut reduziert werden könne. „Das wird ein ganz wichtiger Punkt in den nächsten Monaten“, sagt er. Die Armut hänge vor allem mit der Situation auf dem Wohnungsmarkt zusammen. Für Alleinerziehende sollen ab nächstem Jahr Steueränderungen kommen. 

Frieden forderte auch erneut eine große Debatte ums Rentensystem. „Das hätte eigentlich schon vor ein paar Jahren gemacht werden müssen“, sagte er. Er sieht es als falsch an, das Thema in einem „kleinen Kreis“ zu diskutieren. Es sei eine gemeinsame Herausforderung. „Wie wollen wir nachhaltig über die nächsten Jahre und Jahrzehnte die Renten absichern – so, dass die, die jetzt zu arbeiten beginnen, wissen, was passiert, wenn sie in Pension gehen“, sagte Frieden.  „Wir müssen auch mit den Sozialpartnern reden, aber nicht nur mit den Sozialpartnern.“ Vor allem die Jüngeren sollen demnach in die Diskussion mit einbezogen werden. Am Ende müsse nicht jeder einverstanden sein. „Am Ende müssen die, die in der Verantwortung sind, eine Entscheidung treffen.“

Moderne Organisation der Arbeitswelt

Noch in diesem Jahr will Frieden Fragen zur Arbeitswelt klären, wie beispielsweise zur Flexibilität beim Mutterschaftsurlaub oder bei der Familienteilzeit. „Es ist eine Erwartung, dass wir in der Arbeitswelt eine moderne Organisation machen, die zu unserer Gesellschaft passt“, sagte Frieden. Das soll gemeinsam mit den Ministern für Wirtschaft und für Arbeit und den Sozialpartnern diskutiert werden. Allerdings nicht zwangsläufig in Form einer klassischen Tripartite. Es gebe auch heute schon Gremien und Komitees, die sich mit den Fragen beschäftigten. 

Frieden erklärte auch seine wirtschaftspolitischen Ideen. Er will den Finanzsektor weiter ausbauen und habe unter anderem für den Fondssektor bereits eine Reihe Maßnahmen eingeleitet, damit Luxemburg weiter konkurrenzfähig mit Dublin und London bleiben könne. Frieden möchte eine „attraktive Wirtschaft“. Denn das bedeute: „Arbeitsplätze, gut bezahlte Arbeitsplätze und auch sozialen Fortschritt und Geld zu haben für die ökologische Transition.“ Für Frieden gehöre das zusammen. „Das ist nicht: Der Frieden ist nur für die Wirtschaft. Das ist eine Karikatur“, sagt der Premier. „Was für mich wichtig ist, ist, dass wir Arbeitsplätze schaffen, dass wir Geld verdienen in den Betrieben und für den Staat.“ Damit könne dann eine gute Gesellschaft mit einer starken Sozialpolitik und einer pragmatischen Klimapolitik erreicht werden. 

Regierung hält am Index fest

Seine Regierung halte am Index-System fest. „Es gibt in der Regierung eine klare Position, dass wir dieses System nicht ändern werden“, sagt Frieden. Es sei schlecht für die Menschen und schlecht für die Betriebe, wenn etwas zu wenig vorhersehbar sei. Allerdings müsse auch immer auf die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung geschaut werden. „Wenn ein Paar Indextranchen fallen, dann muss man das mit den Sozialpartnern anschauen“, sagt Frieden. Es sei aber festzustellen, dass die Inflation etwas zurückgehe. Frieden: „Ich hoffe, dass wir in den nächsten zwei Jahren etwas Ruhe an der Front haben.“

„Wir sind bei den erneuerbaren Energien nicht da, wo ich sein möchte“, sagte Frieden. Der Energiepreis sei enorm wichtig. „Wir müssen schauen, dass wir viel Energie haben, erneuerbare Energie zu einem akzeptablen Preis.“ Damit werde das Land sowohl ökologisch wie wirtschaftlich zukunftsfähiger. Frieden nahm auch Bezug auf seine Aussagen und die darauf folgende Debatte zur Atomkraft im März. „Für die Luxemburger Regierung ist die Atomenergie – damit das klar ist und sich keiner darüber aufzuregen braucht – kein Thema.“

Frieden möchte der neuen EU-Kommissionspräsidentin – aller Wahrscheinlichkeit nach wird es wieder Ursula von der Leyen werden – seinen Parteikollegen Christophe Hansen als Luxemburger Kommissar vorschlagen. Die CSV habe das Vorschlagsrecht und Hansen habe zudem ein gutes Resultat bei den Wahlen erreicht.