EditorialGefahren für den öffentlichen Gesundheitssektor

Editorial / Gefahren für den öffentlichen Gesundheitssektor
Das Gesundheitspersonal ist seit zwei Jahren schweren Belastungen ausgesetzt Foto: Editpress/Julien Garroy

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Am Montag gab das „Zenter fir d’Lëtzebuerger Sprooch“ die Wörter des Jahres 2021 bekannt: „boosteren“, „Covid-Check“ und „sheesh“ (Letzteres ein Ausdruck aus der Jugendsprache, der in etwa „oh mäi Gott!“ bedeutet) stehen an den ersten Stellen. Es könnte also gut sein, dass die Corona-Pandemie über den Weg der Sprache noch länger in unserer Erinnerung bleiben wird als andere Katastrophen.

An dieser Stelle wollen wir die Jungbauern würdigen, die vor ein paar Tagen dem Personal des Gesundheitssektors mittels eines Traktorenkorsos ihre Ehrerbietung gezeigt haben. Zu Beginn der Pandemie wurde vorbeifahrenden Krankenwagen Beifall gespendet, heute beschimpfen Hunderte von Schwurblern Professionelle des Gesundheitssektors als Lügner. Angesichts dessen ist der Traktorenkonvoi mehr als eine Geste gewesen: Es wurde damit ein Zeichen gesetzt, stellvertretend für die schweigende Mehrheit, die bezüglich der radikalen Antivaxer mindestens „klibbert eis“ denkt.

Die Regierung wiederholt zwar ihr Mantra, die Lage sei ernst, zögert aber mit Maßnahmen. Seit Sommer ist eine Impfpflicht im Gespräch, eine Entscheidung ist bis dato ausgeblieben, da sie ja auch nicht vom Tisch ist. Stattdessen werden Entscheidungen getroffen, die niemand richtig versteht und Wasser auf Schwurblermühlen sind, z.B. die Sperrstunde ab 23.00 Uhr. Verständlich, dass viele Restaurantbetreiber froh sind, dass sie überhaupt bis 23.00 Uhr arbeiten dürfen, trotzdem scheint die Maßnahme nicht sehr logisch. Entweder die Lage ist so ernst, dass sie strikte Maßnahmen erfordert, wobei dann ja eigentlich ein kompletter Lockdown angebracht wäre. Doch das ergebe wenig Sinn, da etliche Menschen nicht nur zweifach, sondern mittlerweile dreifach geimpft sind. Bis 23.00 Uhr kann man sicher im Restaurant beisammensitzen, aber ab 23.00 Uhr kann man sich dann anstecken? Doch genug der Maßnahmen-Polemik.

Trotz der Last, die auf dem Gesundheitspersonal liegt, sollten wir uns dessen bewusst sein, dass wir ein Gesundheitssystem haben, das im Vergleich zu anderen Ländern gut aufgestellt ist. Dass wir uns mitten in der schlimmsten Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg befinden, braucht nicht betont zu werden, aber die Pandemie darf nun nicht als Lichtschutz missbraucht werden, um von anderen Problemen abzulenken oder Pläne abseits des Rampenlichts durchzuführen.

Wie der Radiosender 100,7 kürzlich berichtete, gibt es den ersten Entwurf eines Gesetzesvorhabens, das Ärzten die Möglichkeit geben soll, sich in kommerziellen Vereinigungen zu organisieren, was einer Kommerzialisierung der Gesundheit gleichkommen würde: Profit wäre also wichtiger als Gesundheit. Laut 100,7 stammt die Gesetzesvorlage von der Ärztevereinigung AMMD und dem „Collège médical“. Die Einstellung zur privaten Gesundheitsvorsorge ist eine Sache, eine ganz andere ist jedoch die Tatsache, dass einzelne Berufsstände Gesetze überhaupt planen dürfen. Die Frage, ob dabei die Interessen der Allgemeinheit oder die des jeweiligen Berufsstandes überwiegen, ist zumindest gerechtfertigt. Würde dieses Vorhaben gelingen, wären die Kollateralschäden der Pandemie von einer noch größeren Tragweite, als es bereits der Fall ist. Die Tatsache, dass die Umsetzung eines solchen Ansinnens unter einer sozialistischen Gesundheitsministerin geplant wird, macht die Sache nicht besser. Tja, Frau Lenert, trotz „Boosteren“ und „Covid-Check“: „Sheesh!“