EditorialGegen Rechtsextreme hilft nur ein breiter gesellschaftlicher Widerstand 

Editorial / Gegen Rechtsextreme hilft nur ein breiter gesellschaftlicher Widerstand 
Demonstration „Zusammen gegen Rechts“ am 5. September im nordrhein-westfälischen Essen gegen einen „Bürgerdialog“ der AfD Foto: Christoph Reichwein/dpa

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Es ist kein Horrorfilm, der abläuft. Es ist der Horror, der in der Realität herrscht. Schlimm, schlimmer, am schlimmsten – oder „nach der Wahl ist vor der Wahl“: Nach Meloni ist vor Wilders, nach Höcke ist vor Kickl. Die AfD droht in zwei Wochen wie in Thüringen auch in Brandenburg zur stärksten Partei zu werden, in Österreich steht die FPÖ vor einem Wahlsieg. Von den Wahren Finnen und Schwedendemokraten über Vlaams Belang bis Vox und Chega – Europa ist im Würgegriff der Rechtsextremen. Der Rechtsruck ist sogar ein globales Phänomen. 

Der Schock der Landtagswahlen von Sachsen und Thüringen muss erst mal verkraftet werden: In den beiden deutschen Freistaaten haben jeweils etwa ein Drittel der Wähler mit der AfD eine rechtsextreme Partei gewählt. Es war ein Schrecken mit Ansage, die Tendenz abzusehen, während die demokratischen Parteien wie Kaninchen vor der AfD-Schlange saßen. Aus dem Rechtsruck und aus dem Messeranschlag von Solingen werden nun einmal mehr reflexartig Schlüsse gezogen und unter anderem der alte Abschiebe-Vorschlaghammer hervorgeholt.

Im Wahlkampf sei es zwar nicht nur um Migration gegangen, wie die Politologin Anna-Sophie Heinze im Tageblatt-Interview konstatierte, aber es sei das Thema gewesen, das die Parteien als Erstes aufgriffen und den Fehler begingen, „Positionen und Frames der AfD zu übernehmen“. Dabei ist mittlerweile bekannt, dass davon in der Regel die Rechtsextremen profitieren, indem sie legitimiert werden. Indem man versucht, sie zu kopieren, gewinnt man jedenfalls keine Wähler zurück. Statt rational und konstruktiv über Lösungen zu diskutieren, greifen die Parteien der Mitte hysterisch auf eine Katastrophenrhetorik zurück, schüren Ängste und Ressentiments und betätigen den Panikknopf. Gefühlte Bedrohungen bestimmen den Diskurs, reale Gefahren wie der Klimawandel sind hingegen zur Nebensache geworden.

Doch was ist aus all dem zu lernen? Ob Brandmauer oder Cordon sanitaire, sie müssen bestehen bleiben. Denn die Gefahr einer Normalisierung der Rechtsextremen ist groß. Dies wäre nichts anderes als die „Banalisierung des Bösen“. Der strategische Schmusekurs an die Mitte seitens Politikerinnen wie Meloni oder Marine Le Pen hat Erfolge gezeitigt. Den wiederum hatte Höcke indes nicht nötig, um mit seiner Partei über 30 Prozent zu kommen. Seit Jahren fordert der Thüringer AfD-Führer eine groß angelegte „Remigration“, umgesetzt mit „wohltemperierter Grausamkeit“. Eine „Normalisierung“ der rechten Szene wie in den „Baseballschlägerjahren“ seit den 90ern, als Neonazis Jagd unter anderem auf Ausländer und Punks machten, bringt auch diesmal wieder die Gefahr einer Zunahme rechter Gewalt mit sich, eine Brutalisierung.

Fatal wäre es also, die Normalisierung des Faschismus zuzulassen. Falsch wäre aber auch eine Politik der Umarmung, der oftmals kläglich gescheiterte Versuch der Einhegung. Das würde die Rechtsextremen bestärken. Gewalttätige Angriffe auf Andersdenkende und Migranten würden weiter zunehmen. Dieser Gefahr gilt es entgegenzutreten mit einem Schulterschluss von demokratischen Parteien und Zivilgesellschaft: Zu Beginn des Jahres kam es in vielen Städten in Deutschland und Österreich zu Protesten gegen die Rechtsextremen, als deren Treffen in Potsdam bekannt wurde, wo sie über einen „Masterplan zur Remigration“ gesprochen hatten.

Nach einigen Monaten flauten die Demonstrationen ab. Sie müssen fortgesetzt und der Aufschrei der Empörung muss noch lauter werden. Doch dies reicht nicht aus. Es bedarf einer rationalen Politik, die auf das Verständnis der Bürger trifft. Derweil brauchen diejenigen, die Widerstand leisten, Schutz und Unterstützung. Und es gilt, die politische Bildungsarbeit zu intensivieren, um der erschreckend großen Zahl junger Anhänger der Ultrarechten, die Höcke sowie Identitäre wie Martin Sellner und Co. cool finden, zu zeigen, welche grausamen Folgen der Faschismus haben kann. Schließlich steht die Demokratie auf dem Spiel. 

Hild Charles
8. September 2024 - 11.10

Das Problem: der breite gesellschaftliche Widerstand brökelt. Schuld daran ist die auf gigantischen Wachstum ausgelegte Politik der altehrwürdigen Parteien. Journalisten werden nicht müde Alarm zu schlagen, und trotzdem wählt in Thüringen schon jeder dritte diese "vom Verfassungsschutz gesichert rechtsextrem eingestufte" Partei. Man sollte das Problem also besser an der Wurzel anpacken: weg vom gigantischen Wachstum, hin zu sozialer, menschenwürdiger Politik. Man sollte Urinstinkte der Menschen nicht unterschätzen.

Nomi
8. September 2024 - 10.51

Dass di Riets so'u Schwong krei'en ass nemmen durch d'Fehler vun den normalen Partei'en.

Also missten eigentlech di "Normal" Partei'en eng ganz, ganz dei'f Gewessenerforschung machen an mat deenen Korrekturen vun hiren Ide'en an Ideologi'en deenen Rietsen entgeint wierken !

Also LSAP, Greng, DP an CSV: Matière grise anschalten w.e.g. !!

fraulein smilla
7. September 2024 - 13.26

Weder In Italien ,noch in den Niederlanden ist die Welt nach Melonis und Wilders Wahlsieg untergegangen . Wenn man Probleme mit den Resultaten demokratischer Wahlen hat ,dann sollte man Wahlen einfach abschaffen ,oder sich ein Beispiel an Nicolas Maduro nehmen .