Vom Weg überzeugtGemeindefusion: Wie Grosbous und Wahl seit einem Jahr zusammenwachsen

Vom Weg überzeugt / Gemeindefusion: Wie Grosbous und Wahl seit einem Jahr zusammenwachsen
Es grünt und blüht in der von ländlichem Charme geprägten Fusionsgemeinde Grosbous-Wahl Foto: Editpress/Julien Garroy

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Das Referendum fand im Juni 2021 statt. Sitz der neuen Gemeinde Grosbous-Wahl mit aktuell rund 2.250 Einwohnern ist Grosbous. Bis zu den Kommunalwahlen 2029 wird der Schöffenrat in einer Übergangszeit aus jeweils zwei Vertretern von Grosbous und Wahl bestehen und der Gemeinderat ebenfalls paritätisch mit jeweils sechs Mitgliedern aus den früheren Gemeinden besetzt sein. Danach wird der Schöffenrat aus drei und der Gemeinderat aus neun Mitgliedern bestehen. Bürgermeister der neuen Fusionsgemeinde ist Paul Engel, zuvor war er Bürgermeister in Grosbous. Erste Schöffin ist Christiane Thommes-Bach, ehemals Bürgermeisterin von Wahl. Ein Jahr nach dem offiziellen Inkrafttreten der Fusion sind beide Politiker mehr denn je vom gemeinsamen Weg überzeugt. 

Christiane Thommes-Bach
Christiane Thommes-Bach Foto: Editpress/Julien Garroy

Konstruktive Zusammenarbeit

Wahl zählt sieben Ortschaften, Grosbous deren drei. Ein ruhiger, ländlicher Charakter prägt die Fusionsgemeinde. Auch auf kommunalpolitischer Bühne scheint es ein Jahr nach Inkrafttreten der Fusion ruhig zu sein.

„Es war aber doch ein ziemlich hartes Jahr“, so Christiane Thommes-Bach. Aber das scheine normal, gibt sie zu verstehen: „Die Routine ändert, alte Gewohnheiten müssen abgelegt werden, Menschen müssen sich umstellen.“ Aber die Entwicklung laufe gut. Im Schöffenrat habe man zusammengefunden. Die erste Schöffin spricht von konstruktiver Zusammenarbeit. Auch die Einwohner der Gemeinde hätten zu einer gewissen Normalität gefunden.

Die Leute gewöhnen sich langsam an den Fusionsgedanken, sie leben ja noch in ihren Ortschaften, pflegen ihre Gewohnheiten, ihr Vereinsleben. Christiane Thommes-Bach hat den Eindruck, dass die Bürger das „neue“ Zusammenleben immer mehr zu mögen beginnen. Vereine, die fusionieren wollen, wie die Musikvereine zum Beispiel, können das tun, alle anderen dürfen gerne unabhängig voneinander weitermachen. Wohl sei alles ein gewisses Herantasten: „Aber eigentlich läuft momentan alles irgendwie gut. Wir versuchen alle Projekte, die Wahl oder Grosbous noch jeweils auf ihrer Seite angeleiert haben, nun gemeinsam weiterzuführen. Wichtig ist, dass Paul und ich wissen, was war und wie wir weitermachen. Das gibt den Menschen ein Gefühl von Kontinuität.“

Wirklich unvorhergesehene Ärgernisse habe es keine gegeben: „keine Überraschungen, nicht immer einfach, viele Diskussionen, aber gut“, so die erste Schöffin. Die Koordination zwischen dem Bürgermeister und ihr sei gut, im Schöffenrat herrsche Einigkeit: „Es geht immer besser, alle kommen klar miteinander, es wird viel diskutiert, aber bisher ist alles einstimmig entschieden worden, wir wachsen immer stärker zusammen“, so Christiane Thommes-Bach. Und wie läuft es im Gemeinderat? „Wir versuchen alle miteinzubinden, gute Kommunikation ist wichtig, vielleicht muss der eine oder andere noch seinen Platz genau finden, aber es geht.“

Die durch die Fusion entstandene Arbeitsbelastung für das Gemeindepersonal habe man vielleicht etwas unterschätzt. „Was da auf die Beamten zukam, dessen waren wir uns zu Beginn nicht vollumfänglich bewusst, sie spüren die Auswirkungen der Fusion wohl am meisten.“ Die erste Schöffin weist vor allem auf die ganze Informatik hin: „Man kann sich schlecht vorstellen, was alles hinter der Informatik steckt, genau wie hinter der Archivierung.“ Zum Glück hätten sich aufgrund einiger pensionsbedingter Abgänge wesentliche Personalfragen gut arrangiert: „Wir haben die interne Aufteilung etwas angepasst, haben aber kein Personal zu viel.“

Die Zielrichtung stimme. Zum Beispiel auch was die Grundschulen anbelange. Natürlich müsse man heute bereits an morgen denken, wenn zum Beispiel, wie geplant, in den nächsten zehn Jahren einige Hundert Einwohner hinzukommen. Zum langfristigen Planen gehören aber nicht nur Schulen und Wohnungen, sondern alle dazugehörenden Infrastrukturen. Im Raum steht auch die Idee einer Sporthalle und eines neuen Kulturzentrums. „Wir müssen sehen, was notwendig ist, und dann daran arbeiten.“

Die Fusion sei auf jeden Fall die richtige Entscheidung gewesen, um die Gemeinde zu stärken und neue Möglichkeiten für die Bürger zu schaffen, so Christiane Thommes Bach.

„Neuland!“

Auch Paul Engel wirkt zufrieden. Natürlich sei es ein aufregendes, spannendes und interessantes Jahr gewesen: „Neuland eben!“

Jede der beiden Gemeinden habe ihre Geschichte und ihre Art und Weise zu arbeiten und Sachen anzugehen: „Da musste und muss natürlich einiges angepasst und aufeinander abgestimmt werden. Die technischen Dienste oder in der Verwaltung zum Beispiel. Für die Beamten war das alles nicht so einfach.“ Das sei auch eine Chance gewesen, so der Bürgermeister der Fusionsgemeinde: „Durch die Fusion konnten wir sozusagen einen Punkt setzen, eine Stärken- und Schwächenanalyse durchführen und dann entscheiden, wie wir gemeinsam weitermachen wollen und bewahren können, was wir brauchen.“

Momentweise sei alles auch ein klein wenig stressig gewesen, aber das dürfte wohl normal sein, wenn man ein Projekt von einer solchen Tragweite angeht, gibt Engel zu verstehen. „Es ist auch normal, dass man Kompromisse eingeht und nicht auf Biegen und Brechen versucht, seinen Kopf durchzusetzen.“
Man sei auf einem guten Weg, echte Probleme sehe er nicht, so Paul Engel.

Die Konsensfindung liegt sozusagen in der Genetik der Fusionsgemeinde. Als die Modalitäten der Fusion festgelegt wurden, hätten Grosbous und Wahl durchgesetzt, dass sowohl Schöffen- wie Gemeinderat paritätisch besetzt werden, so Engel: „Wir wollten das so haben, damit es gleichberechtigt zugeht und niemand das Gefühl hat, übergangen zu werden. Nun müssen wir den Konsens suchen, aufeinander zugehen, aber das gelingt uns glaube ich ganz gut.“ Der harmonische Ansatz scheint zu fruchten. „Ich bin noch niemandem begegnet, der negativ eingestellt ist.“ Nach dem Referendum habe es noch die eine oder andere leicht unzufriedenere Stimme gegeben, aber heute begrüße jeder den neuen Weg: „Die Menschen wirken froh, sagen mir, dass sie Verbesserungen spüren, dass das Leben in der Gemeinde sich zum Besseren entwickelt.“ Genau das sei es, was die Menschen sich erwarten, nämlich dass die Gemeinde funktioniere und dass die nötigen Dienstleistungen angeboten werden, „dass alles klappt!“.

Die Fusion sei ein Weitermachen in der Kontinuität, die alten Projekte der respektiven Gemeinden würden nun gemeinschaftlich angegangen. Dazu gehöre aber auch, dass man sich Zeit lasse und überlege, was nötig sei und wie man es am besten verwirklichen könne. Dazu gehöre beispielsweise die Erneuerung der Sporthalle oder Ausbau der Schule. „Wenn wir auf kommunaler Ebene weiterkommen wollen, müssen wir eine lebendige Gemeinde schaffen, deshalb muss man sich infrage stellen, etwas Distanz nehmen, um anschließend ohne Druck den besten Weg einschlagen zu können.“ In dieser Hinsicht wirkt Paul Engel mehr denn je überzeugt von der Fusion. Jeder im Gemeinderat soll die Möglichkeit bekommen mitzureden. Das Schulprojekt sei nicht infrage gestellt, aber man wolle etwas Distanz nehmen, um besser und ohne Druck die bestmögliche Entscheidung treffen zu können. Wir wollen Demokratie leben, so Engel.

„Es geht darum, dass der Bürger sich wohlfühlt und ein interessantes Angebot vorfindet.“ Ab September, wenn der kommunale Alltag wieder einkehrt, soll in Grosbous-Wahl weiter daran gearbeitet werden.

Paul Engel
Paul Engel Foto: Editpress/Julien Garroy

Zwei neue Gemeinden

Durch Fusion sind am 1. September 2023 offiziell zwei neue Gemeinden im Großherzogtum entstanden. Grosbous-Wahl im Nordwesten und Bous-Waldbredimus im Südosten des Landes. Per Referendum haben sich die Bürger und Bürgerinnen der ursprünglich vier Kommunen für diesen Schritt entschieden. Insgesamt zählt das Land dadurch heute „nur“ noch 100 Gemeinden. Ein Jahr nach der Fusion haben wir in den beiden neuen Gemeinden den Puls gefühlt.