Europamuseum SchengenItaliener verbannen die Schaukästen und sorgen für multimediales Vergnügen

Europamuseum Schengen / Italiener verbannen die Schaukästen und sorgen für multimediales Vergnügen
Museum M9 in Mestre: „Karmachina“ weiß, wie Entwicklungen darzustellen sind. Demnächst auch in Schengen an der Luxemburger Mosel. Foto: Fondazione M9, Alessandra Chemollo

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Für das 40. Jubiläum des Abkommens von Schengen plant die gleichnamige Moselgemeinde Großes. Sie holt die historische „Marie-Astrid“ zurück und stattet sie genau wie das Europamuseum mit Hightech aus. Verantwortlich dafür zeichnet unter anderem „Karmachina“. Ein Besuch im Museum M9 in Mestre (Italien) zeigt, wo die Reise in Luxemburg hingehen könnte.

Am 14. Juni 2025, in rund anderthalb Jahren, wird in Schengen, im Dreiländereck an der Mosel, das 40. Jubiläum der Unterzeichnung des Abkommens von Schengen im großen Stil gefeiert.

Zum Jubiläum wird das Europamuseum in der rue Robert Goebbels mit völlig neuem und vor allem interaktivem Konzept neu eröffnet. Aber auch die „Marie-Astrid II“, das Schiff, auf dem 1985 der Vertrag unterschrieben wurde, kehrt dann nach langen Jahren in Deutschland definitiv nach Luxemburg zurück. Genau wie das Museum soll auch das Passagierschiff mit Hightech auf Vordermann gebracht werden. Als „floating theater“, als schwimmende und fahrtüchtige Erinnerungsstätte, soll es Besucher anziehen und ihnen die Geschichte des Abkommens, des Schengenraums und natürlich der EU vor Augen führen (das Tageblatt berichtete).

Besuch in Mestre

Wie Museum und Schiff in naher Zukunft aussehen, kann man sich als Außenstehender nur schwer vorstellen. Doch Michel Gloden, Bürgermeister von Schengen, und Marcel Bisenius, Ingenieur der Gemeinde, liefern einen wertvollen Hinweis. Verantwortlich für die Multimediainstallationen zeichnet nämlich  „Karmachina“ aus Italien. Was das recht junge Unternehmen drauf hat, zeigt es im italienischen Mestre. Während des vergangenen Weihnachtsurlaubs habe ich mir dessen Werk angeschaut. 

Mestre liegt am Wasser. Wie Schengen. Die von Industrie geprägte norditalienische Stadt liegt aber auch direkt gegenüber von Venedig. Gegen einen solchen Nachbarn anzukommen, ist schwer. Doch Mestre punktet mit einem Museum, das selbst das museale Angebot der Dogenstadt altbacken aussehen lässt. M9 heißt es. Thema ist das 20. Jahrhundert und dessen Bedeutung für Italien. In allen Facetten werden die Jahre ab 1900 beleuchtet. Ein multimediales Feuerwerk, das einem selbst nach drei Stunden nicht langweilig wird.

Das dafür verantwortliche und 2013 gegründete italienische Unternehmen „Karmachina“ ist „davon überzeugt, dass Innovation durch Multidisziplinarität entsteht. Wir konzipieren und realisieren multimediale Räume und Veranstaltungen, um kulturelle Inhalte kreativ zu vermitteln. Wir verwandeln Informationen in Erlebnisse, indem wir narrative Konzepte für Marken, Museen und Institutionen entwerfen und entwickeln. Der Inhalt ist der Protagonist, Storytelling und Designforschung sind die Mittel, neue Technologien die Wege.“ Die Eigenbeschreibung von Karmachina hält dem Auge des Betrachters im Museum M9 mehr als stand. Silvia Pellizzeri, die Pressebeauftragte des Museums, führt mich stundenlang durch die Ausstellung. Müde wird sie dabei nicht. Sie entdecke selbst immer neue Elemente, gibt sie zu verstehen.

Während meines Besuchs im Museum M9 in Mestre habe ich mir natürlich stets die Frage gestellt, wie ein solches Konzept in Schengen realisiert werden kann? Problemlos, lautet die einfache Antwort. Es braucht in Schengen in Zukunft keinen Platz mehr, um zum Beispiel Flaggen, Polizeimützen, wichtige Persönlichkeiten oder diverse Anschauungstafeln und Landeskarten nebeneinander zu zeigen. Alle wichtigen Themen können auf Bildschirmen und Leinwänden auf kleinstem Raum gezeigt und mithilfe von „augmented reality“ hautnah erlebbar werden.

Kein verstaubtes Museum

Statt beispielsweise des charismatischen italienischen Kommunistenführers Enrico Berlinguer könnte in Schengen der ehemalige französische Außenminister Robert Schuman im 3D-Format auftreten und seinen Plan zur Schaffung von Frieden zwischen Deutschland und Frankreich erklären. Wirtschaftsexperte Jean Monnet könnte weitere Erklärungen liefern, genau wie Schriftsteller Victor Hugo, der bereits im 19. Jahrhundert von einem geeinten Europa träumte. 

Die Möglichkeiten, derer „Karmachina“ sich bedient, scheinen unerschöpflich. „Wenn man etwas ändern, anpassen oder ergänzen muss, reicht es, einen neuen Film anzufertigen, an der Infrastruktur des Museums muss nichts geändert werden“, sagt Silvia Pellizzeri. 

Dieses Konzept hat auch die Verantwortlichen der Gemeinde Schengen überzeugt. Bürgermeister Michel Gloden, intimer Kenner diverser Museen, besonders in London, möchte das neue Europamuseum in Schengen zum Trendsetter in der Region machen. „Wir möchten den Menschen die Scheu vor einem verstaubten Museum nehmen und ihnen zeigen, dass Geschichte und Geschichten aus der Vergangenheit auch und besonders in unserer heutigen Gegenwart mit ihren zahlreichen Konflikten erlebt und nachvollzogen werden können.“

Positive Rückmeldungen

Vom Konzept von „Karmachina“ ist Gloden überzeugt. „Sie haben uns jede Menge Filmmaterial oder animierte Grafiken vorgeführt, wir waren überzeugt und begeistert.“ Überzeugt ist der Bürgermeister von Schengen auch davon, dass die Öffentlichkeit mitmacht: „Jene, die mit mir reden, freuen sich auf das, was da kommt. Eigentlich rennen wir offene Türen ein, Schengen mit seinem Europamuseum und der Marie-Astrid haben es verdient, besser dargestellt zu werden. Und ich wiederhole mich, einen besseren Zeitpunkt als Juni 2025, also das 40. Jubiläum der Unterzeichnung des für die EU wegweisenden Abkommens von Schengen, kann es gar nicht geben.“

Vielleicht noch mal kurz zurück nach Mestre. Die Verantwortlichen des Museums M9 würden sich sehr auf einen Besuch aus Schengen freuen. Grenzenloser Handel und freundschaftliche Begegnungen über Grenzen hinweg war und ist den Venezianern bis heute nicht fremd. Gleiches gelte an der Mosel, so Gloden. Auch er würde sich auf einen Besuch aus Mestre freuen. Wasser verbindet!