AußenministeriumJean Asselborn zur Flüchtlingsfrage in der EU: „Ich sehe schwarz“

Außenministerium / Jean Asselborn zur Flüchtlingsfrage in der EU: „Ich sehe schwarz“
Beim Luxemburger Außenminister Jean Asselborn hat sich Ernüchterung ob der Flüchtlingssituation in Europa breitgemacht Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Luxemburgs scheidender Außenminister hat auf einer Pressekonferenz angekündigt, Wartelisten für alleinreisende männliche Flüchtlinge im Dublin-Verfahren einzuführen. Die Situation in Europa sei chaotisch, die Solidarität zwischen den Mitgliedsländern auf einem Tiefpunkt angekommen.

Es ist ein Hilfeschrei, den Jean Asselborn (LSAP) auf einer seiner wohl letzten Pressekonferenzen als Luxemburgs Außenminister am Freitag losgeworden ist. „Ich sehe schwarz“, sagte der dienstälteste Chefdiplomat in der EU. „Wenn das Dublin-Verfahren nicht mehr funktioniert, zerstören wir den Schengen-Raum.“ Es sind dramatische Worte, die Asselborn jedoch mit Bedacht gewählt hat. Er, der in seiner Funktion als Außenminister jahrelang an die europäischen Werte und Solidarität appelliert hatte, muss als eine seiner letzten Amtshandlungen Wartelisten fürs nationale Aufnahmezentrum (ONA) einführen. „Es ist das Spiegelbild des Chaos und des Durcheinanders, das in Europa herrscht, ohne dass darauf reagiert wurde“, sagte Asselborn. „Das ist unverantwortlich und unsolidarisch.“

Das setzt mir persönlich zu

Jean Asselborn, LSAP-Außenminister

Die Wartelisten sollen vorerst nur für alleinreisende Männer gelten, die laut Dublin-Verfahren bereits in einem anderen europäischen Land registriert sind. In der Vergangenheit war Luxemburg in der Hinsicht durchaus kulant – weil auch andere Länder weiterhin Hilfsbereitschaft signalisiert hätten. Diese Zeiten scheinen nun vorbei. „Wir hatten die Möglichkeit, nach dem ,first come first serve‘-Prinzip zu tranchieren oder aber Rücksicht auf besonders gefährdete Menschengruppen, darunter ältere Personen und Familien mit Kindern, zu nehmen“, so Asselborn. Die nun getroffene Entscheidung setze „ihm auch persönlich zu“, jedoch könne er das „Office national d’accueil“ in dieser Zeit nicht alleine lassen.

Auf einer für einen geschäftsführenden Minister eher ungewöhnlichen Pressekonferenz hat Jean Asselborn die in seinen Augen dringenden Maßnahmen vorgestellt
Auf einer für einen geschäftsführenden Minister eher ungewöhnlichen Pressekonferenz hat Jean Asselborn die in seinen Augen dringenden Maßnahmen vorgestellt Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

„Es ist nicht die angenehmste Pressekonferenz, die ich in den vergangenen 20 Jahren gemacht habe“, sagte Asselborn. Luxemburg stoße jedoch an seine Grenzen bei der Aufnahme von Flüchtlingen. 110 Millionen Flüchtlinge würden mittlerweile weltweit gezählt, vor nicht allzu langer Zeit seien es deren „nur“ 50 Millionen gewesen. „Europa wird immer mehr beansprucht“, sagte Asselborn am Freitagmorgen. Vor allem die im Dublin-Verfahren bereits registrierten Migranten würden vermehrt ihren Weg nach Luxemburg finden – wo die Betten jedoch mittlerweile stark begrenzt seien.

„Belgien hat bereits entschieden, eine Warteliste für alleinreisende Männer einzuführen“, sagte Asselborn. Demnach würden sich bereits 2.500 Migranten auf der Liste befinden. Jeder, der das mitbekäme, würde derzeit eben nicht mehr nach Belgien gehen, sondern nach Luxemburg kommen, so Asselborn. So sei in den zuständigen Verwaltungen ein Anstieg von 18 auf 49 Prozent der Asylsuchenden festgestellt worden, die bereits in einem anderen Land registriert worden seien. „Dublin [das Dublin-Verfahren, Anm. d. Red.] ist de facto abgeschafft“, stellte Asselborn fest. Die EU-Kommission schaue nur noch zu, wenn Länder sich gegen das Dublin-Verfahren stellen. Das führe dazu, dass auch die Rückführung in die jeweiligen Länder erschwert bis quasi unmöglich sei. „Wir stoßen an unsere Grenzen, was die Flüchtlingszahlen angeht.“

Asselborn wünscht sich eine kohärentere europäische Asylpolitik. „Das geht aber nur, wenn die Länder im Süden die Flüchtlinge registrieren und die Länder im Norden sie anschließend aufnehmen“, sagte der Luxemburger Außenminister. Das sei aber bisher nicht der Fall. Mit Italien habe man bis vor kurzem noch gut zusammengearbeitet. Nun aber würde Italien sich gegen die Rückführung von Flüchtlingen sperren und die Zahl der Flüchtlingsbetten reduziert – wodurch sich dann wiederum Luxemburg um die Personen kümmern müsste. „Die Menschen kommen in Italien oder Griechenland an und machen sich dann auf den Weg – oder werden auf den Weg gesetzt.“

Dublin-Verfahren

Das Dublin-Verfahren ist ein zentraler Bestandteil der Europäischen Asylpolitik. Das Verfahren legt fest, welches Land für die Bearbeitung eines Asylantrages zuständig ist. Damit soll sichergestellt werden, dass ein Asylantrag innerhalb der Europäischen Union nur von einem Mitgliedstaat geprüft wird und die Migration innerhalb der Europäischen Union begrenzt wird.

Die Luxemburger Aufnahmekapazitäten seien aber so langsam erschöpft, weshalb man mit den Wartelisten nun ein Zeichen setzen müsse. „Die Aufnahmeeinrichtung Don Bosco sollte eigentlich geschlossen werden“, sagte Asselborn. Dort würde man Renovierungsarbeiten durchführen. Sollte es in der Einrichtung im Winter zu kalt werden, weil die Heizung nicht funktioniert, würden noch einige provisorische Betten in der Halle 07 in der Luxexpo bereitstehen. 2.000 Flüchtlinge seien allein in diesem Jahr nach Luxemburg gekommen. Syrien, Eritrea und Afghanistan sind die Herkunftsländer mit den meisten Flüchtlingen, die ihren Weg nach Luxemburg gefunden haben. Zusätzlich würden noch immer rund 80 Anfragen pro Monat aus der Ukraine eintreffen.

Um diese Zahlen auch in Zukunft meistern zu können, appellierte Asselborn auch an Luxemburgs Kommunen. „Ungefähr ein Drittel der Gemeinden leistet einen Beitrag“, sagte Asselborn, der insbesondere die Stadt Luxemburg hervorhebt. Er hofft, dass ein Appell beim Syvicol weitere Gemeinden dazu bewegt, Räumlichkeiten für Familien mit Kindern zur Verfügung zu stellen.

Mietzahlungen

Außenminister Jean Asselborn reagierte am Freitag ebenfalls auf die Aufregung, laut der Asylanten – also die Personen, deren Antrag auf internationalen Schutz genehmigt wurde – für die Unterkunft in den Luxemburger Einrichtungen Miete zahlen müssen. „Natürlich zahlen diese Personen Miete, das ist doch selbstverständlich“, sagte Asselborn. Die Personen, denen der Revis zugestanden wird, zahlen auch Miete – Strom-, Heiz- oder Lebensmittelkosten würden hingegen vom Staat übernommen werden. „Wenn jemand sich weigert, Miete zu zahlen, wird das vor Gericht geklärt.“ Viele Asylanten hätten Schwierigkeiten, auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt Fuß zu fassen. Auch sei ein Großteil der Asylanten auf den Wartelisten der öffentlichen Bauträger, um eine erschwingliche Wohnung zu beziehen. Politisch gesehen wäre es jedoch schwierig, eine Bauoffensive nur für Asylanten zu starten, wenn gleichzeitig auch viele Luxemburger Probleme auf dem Wohnungsmarkt hätten. „Ja, es gibt auch einige, die sich nicht bemühen – das sind jedoch die allerwenigsten“, sagte Asselborn.

Roude Robbie
23. Oktober 2023 - 10.33

@plop / Äre Kommentar gefällt mer! :-)

plop
22. Oktober 2023 - 18.27

Frot d'ASTI. Dei wessen eng Leisung. ??

michael-foehren
21. Oktober 2023 - 19.03

Das ganze Problem liegt in der „Schönrederei“der EU.
Angefangen von einer unfähigen Präsidentin bis hin zu den einzelnen Kommisaren.
Unglaublich mit welchem belanglosem Müll die sich befassen.
Lassen sich von Ungarn und Polen einfach mal so erpressen!
Wir haben keine EU mehr.Die Väter des Schengener Abkommens würden sich im Grab rumdrehen.

A wou get dat hin?
21. Oktober 2023 - 15.07

Die Merkel/Asselborn Gutmensch Politik endet in einer Katastrophe. Aber beide haben ja nichts mehr mit zu tun. Mutig wer sich traut Kinder in diese Welt zu setzen. Oder könnte man sagen unverantwortlich. Klingt böse, ist aber leider so.

Romain C.
20. Oktober 2023 - 21.40

Wo werden die Palästinenser unterkommen die Israel aus dem Gaza vertreiben wird?.….Steht Luxemburg auch voll an der Seite von Israel?

plop
20. Oktober 2023 - 19.23

E beemol!??
Ech duecht, mir packen dat.
Dem Vollek geht et och net gudd. Familien hun Problemer iwert d'Ronnen ze kommen. An awer bezuelen sie hier Rechnungen.