EditorialJoe Biden bietet den US-Demokraten eine neue Chance

Editorial / Joe Biden bietet den US-Demokraten eine neue Chance
US-Vizepräsidentin Kamala Harris ist auf gutem Wege, die Präsidentschaftskandidatin der US-Demokraten zu werden Foto: Brendan Smialowski/AFP

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Nun hat sich Joe Biden doch früher aus dem Rennen um eine zweite Amtszeit zurückgezogen als erwartet. Dass es dazu kam, war seit dem Fernsehduell zwischen den beiden Präsidentschaftskandidaten nicht mehr zu vermeiden gewesen. Die seitdem vor allem in den Reihen der Demokraten geführte Diskussion über die Eignung ihres immer wieder schwächelnden Kandidaten konnte nur so enden. Mit einem Verbleib Bidens hätten sich die Demokraten sehenden Auges in eine Niederlage gestürzt. Nun können sie – und nicht nur sie – wieder Hoffnung schöpfen und dem sich bereits abzeichnenden Sieg Trumps wieder etwas entgegensetzen.

Schon allein Bidens Verzicht auf die Präsidentschaftskandidatur hat bei den Republikanern im Allgemeinen, bei ihrem Kandidaten im Besonderen schon entsprechende Reaktionen ausgelöst. Auf einen Schlag ist ihm „Sleepy Joe“ abhandengekommen und Trump kann all die böswilligen Sprüche über Biden, die er in den vergangenen Jahren angehäuft hat, vergessen. Ein Großteil seines Wahlkampf-Repertoires ist damit dahin, es bleiben ihm nur noch seine maßlose Selbstbeweihräucherung und ein angeschossenes Ohr, das er als Zeichen seiner Verbundenheit mit dem Allmächtigen bei seiner konservativen Basis wirksam vermarktet. Mehr hat er nicht, denn sein politisches Programm beschränkt sich weiterhin auf den substanzlosen „Make America Great Again“-Spruch. Nun muss sich Trump auf einen neuen Gegner einstellen.

Das wird aller Voraussicht nach Kamala Harris sein. Die US-Vizepräsidentin dürfte von einer ähnlichen Dynamik profitieren, die Joe Biden schließlich um die Möglichkeit einer zweiten Amtszeit gebracht hat. Denn in den vergangenen Tagen und Wochen waren sich zwar zunehmend mehr führende Demokraten darin einig, dass Joe Biden seine Kandidatur zurückziehen sollte. Allerdings hatte niemand einen Plan, wie und durch wen er ersetzt werden sollte. Zwar gibt ihr Amt Kamala Harris einen gewissen Bonus, wenn nicht sogar Vorzug. Und Joe Biden auch noch seinen Vorschlag abzuschlagen, seine Vizepräsidentin auf den Schild zu heben, wollte nach dessen selbstloser und großzügiger Geste seines Rückzugs sicherlich niemand wagen. Doch nehmen sich die Demokraten gerade die Gelegenheit, nachdem die Republikaner auf ihrem Parteitag alle Karten auf den Tisch gelegt haben, ihren Vorteil des Neuanfangs im Wahlkampf überlegt anzugehen und den geeignetsten Kandidaten auszusuchen, um Trump zu schlagen. Denn das war Kamala Harris bis vor kurzem noch nicht.

Ihr Trumpf ist in der gegenwärtigen Situation vorerst ihr Alter. Damit kann sie gegen den ebenfalls demnächst ins Greisenalter geratenden Trump punkten. Auch wenn das allein nicht ausreicht. Dennoch könnte ihre eventuelle Nominierung – immer mehr Demokraten sind dabei, sich für sie auszusprechen – hauptsächlich dem Umstand geschuldet sein, dass die Partei auf ein potenziell aufreibendes Verfahren zur Auswahl eines neuen Kandidaten verzichten will. Demnach hätte Kamala Harris nur noch wenige Wochen bis zum Beginn des Parteitags der Demokraten am 19. August Zeit, ihrer Partei, aber auch dem Land, zu zeigen, dass sie es mit Trump aufnehmen kann. Die Demokraten sollten die Chance nutzen, die ihnen Joe Biden eröffnet hat, und ihre wohl künftige Kandidatin mit demonstrativer Geschlossenheit dabei unterstützen.

Phil
23. Juli 2024 - 22.12

Kamellen hin, Kamellen hir, d'Hillary Clinton huet eng gemengt missen an sengem Mann seng Fußstapfen ze trëppelen. Ass näischt gin, an dem Kamala geet et genau esou!

porcedda daniel m
23. Juli 2024 - 11.39

Das ominöse TV-Duell wird überbewertet. Der Politikwissenschaftler Allan Lichtman meinte kürzlich, noch nie wäre ein Fernsehduell wahlentscheidend gewesen. Den Mann kann man durchaus ernst nehmen, sagte er doch die vergangenen 40 Jahre stets den richtigen Präsidenten voraus. Das wissen wohl auch die Demokraten, weshalb dieses Duell eher nicht der Grund für Bidens Rückzug sein dürfte. Im Übrigen haben mehrere Reden von Biden, die nach diesem viel kritisierten TV-Duell stattfanden, einen rhetorisch fitten Biden gezeigt, mit teils (für seine Verhältnisse) ungewöhnlich scharfe Spitzen gegen Trump.

Kamala Harris betreffend: “Ihr Trumpf ist in der gegenwärtigen Situation vorerst ihr Alter.”? Na ja, das scheint mir etwas kurz gesprungen zu sein. Ihre Trümpfe sind vor allem folgende: Sie war einige Jahre Attorney General von Kalifornien. Sie ist studierte Politik-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaftlerin. Sie setzt sich seit Jahren für Klimagerechtigkeit und Klimaschutz ein. Dieser Aspekt ist vielen Republikanern ein Dorn im Auge (man will uns die Plastikstrohhalme verbieten, wie auf dem RNC zu vernehmen war). Vor allem aber gilt sie als Unterstützerin strenger Waffengesetze, was in Republikanerkreisen zu heftigen Alpträumen führt. Die Liste ihrer vor allem rechtlichen Erfolge ist lang, werden aber in der EU kaum thematisiert da fast ausschließlich innenpolitisch relevant in den USA.

Die Republikaner schießen von Minute eins nach Bekanntwerden von Bidens Rücktritt gegen Harris. Man hatte sich auf eine solche Wendung vorbereitet. Allerdings schlecht vorbereitet. Die hanebüchenen Kommentare von Republikanern (vor allem bei Fox News) sowie einige hochgradig lächerliche Videos, in denen sich über Harris’ Lachen lustig gemacht wird, zeugt von einer gewissen Hilflosigkeit in der GOP. Intellektuelle Meisterleistungen sind aus dieser Partei eh nicht zu erwarten, dafür aber viele unschöne persönliche Angriffe.

Der Westen – also auch wir – kann nur darauf hoffen, dass es die Mehrzahl der vernünftigen US-Amerikanern, die nicht auf billige Politpropaganda hereinfallen, zu den Wahlurnen schafft und demokratiebewahrend abstimmen wird. Trump möchte laut eigener Aussage am ersten Tag als Präsident Diktator sein. An diesem einzigen Tag könnte er die Demokratie ins Unglück stürzen. Eine faschistische USA wäre kein verlässlicher NATO-Bündnispartner mehr … zur großen Freude von Putin, den Trump als „great and smart guy“ bewundert. Und nein, Trumps rezenter, als „radikale Russlandwende“ bezeichneter (von Johnson verbreiteter) Putin-Plan ist alles andere als beruhigend … weder für die Ukraine, noch für den Westen. Die Weltanschauung von Trump (als auch seinem Vizekandidaten J.D. Vance) bezüglich Europa und den Ukraine-Krieg sind und bleiben hochgefährlich.

Eine Präsidentin Harris könnte die Gefahr einschränken oder gar bannen …

@ Lucilinburhuc: Die Frau heißt Kamala (Vorname) Harris (Nachname) … der Korrektheit willen.

max.l
23. Juli 2024 - 11.01

dann awer léiwer den Donald...

fraulein smilla
23. Juli 2024 - 8.49

Die sehr woke Harris kann ohne Zweifel Minderheiten , LGBTQ mobilisieren aber op sie den ehmaligen Stammwaehler der Demokraten ,den weissen Arbeiter ins Boot holt , da habe Ich aber erhebliche Zweifel .. Dies koennte auch der Grund sein warum Obama sich noch bedeckt haelt .

Lucilinburhuc
23. Juli 2024 - 8.18

Keine Angst, der Marketingmensch Trump wird schon demnächst mit Platituden zu Camela kommen.