WikileaksJulian Assange bekennt sich schuldig und kommt frei

Wikileaks / Julian Assange bekennt sich schuldig und kommt frei
Julian Assange gestern auf dem Flug nach Bangkok  Foto: WikiLeaks/AFP

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Nach langen Jahren der Inhaftierung beginnt für Julian Assange ein neuer Lebensabschnitt. Völlig überraschend konnte der Wikileaks-Gründer am Montag Großbritannien verlassen und sich auf den Weg Richtung Heimat machen. Damit wird ein heimlich ausgehandelter Deal zwischen den Anwälten des knapp 53-Jährigen, darunter seine Frau Stella, und den US-Behörden Wirklichkeit.

Bei einem Gerichtstermin auf Saipan im US-Territorium der Marianeninseln im Pazifik bekennt sich Assange eines minderen Falls des „unerlaubten Umgangs mit geheimen Dokumenten“ schuldig, die fällige Haftstrafe gilt als abgegolten. Noch am Mittwoch dürfte der Aktivist in seiner australischen Heimat eintreffen. Dort bestätigte Premierminister Anthony Albanese im Parlament von Canberra die unerwartete Wendung. Gewiss könne man über Assanges Aktivitäten unterschiedlicher Meinung sein, sagte der Labor-Politiker, aber dessen Inhaftierung habe „zu lang gedauert“. Er freue sich über das positive Ende. Albanese hatte persönlich bei US-Präsident Joe Biden für seinen Landsmann interveniert. Assange wurde auf dem Flug nach Saipan vom australischen Botschafter begleitet; dort erfuhr er Unterstützung von Kevin Rudd, dem früheren Labor-Premier, der inzwischen sein Land als Botschafter in Washington vertritt.

Sie sei „begeistert“, berichtete Stella Assange am Dienstag der BBC von Sydney aus. Mit den gemeinsamen Söhnen sei sie am Sonntag nach Australien geflogen; die Kinder, fünf und sieben Jahre alt, „wissen noch nichts“ von dem Wiedersehen mit ihrem Vater, dem sie bisher stets nur in einem Besucherzimmer des Londoner Belmarsh-Gefängnisses begegnet sind. Pläne habe sie noch gar nicht machen können, sagte Assange: „Zunächst mal müssen wir Julians Gesundheit wiederherstellen, er freut sich auf Kontakt mit der Natur und ein wenig Privatsphäre.“

Die fehlte dem Wikileaks-Gründer, seit er 2012 politisches Asyl in der Londoner Botschaft von Ecuador beantragt. Vorausgegangen war dieser Verzweiflungstat ein 18 Monate langes Verfahren durch die britischen Instanzen, denen ein Auslieferungsbegehren Schwedens wegen Sexualdelikten gegen zwei Frauen vorlag. Assange vermutete stets, diese Vorwürfe seien vorgeschoben, um via Schweden seine Auslieferung in die USA zu bewerkstelligen. Das Verfahren wurde 2019 eingestellt.

Endloser Irrweg durch die Instanzen

Im selben Jahr übergab Ecuador den politischen Schützling der britischen Justiz, die Assange nicht nur wegen Verstoßes gegen seine Auflagen zu einer kurzen Gefängnisstrafe verurteilte, sondern ihn auch in Auslieferungshaft nahm. Unterdessen war nämlich eingetreten, was der Aktivist befürchtet hatte: Das US-Justizministerium beantragte seine Auslieferung mit einer Anklage in 18 Punkten. Dabei ging es um vermeintliche Delikte unter dem Spionagegesetz von 1917.

Für den Wikileaks-Gründer begann zum zweiten Mal ein schier endloser Irrweg durch die Instanzen der britischen Justiz, verzögert durch die Covid-Pandemie und justizielle Engpässe. Assange leide an starken Rückenschmerzen und Depressionen, ja, sei selbstmordgefährdet, hieß es im Verfahren. Erst im Frühjahr verfügte der Londoner High Court eine weitere Verzögerung und bat die US-Behörden um Garantien für den prominenten Häftling: Der Australier müsse sich auf das US-Verfassungsrecht zur Meinungsfreiheit berufen dürfen, auch dürfe er nicht als Ausländer diskriminiert werden. Vor allem aber müsse sichergestellt sein, dass ihm nicht die Todesstrafe droht.

Kriegsverbrechen blieben ungeahndet

Von letzterer war schon lang nicht mehr die Rede, auch die vielfach beschworenen 175 Jahre Gefängnisstrafe blieb Theorie. Stets sprachen die US-Beteiligten von einer Freiheitsstrafe zwischen vier und sechs Jahren. Die jetzt ausgehandelte Lösung (fünf Jahre und zwei Monate) liegt beinahe genau in der Mitte.

Womöglich hat der britische Hinweis auf die US-Verfassung die Bereitschaft Washingtons zu einem Kompromiss verstärkt, obwohl Wikileaks auch weiterhin als „feindseliger nicht-staatlicher Geheimdienst“ gilt.

Weiterhin ungeahndet bleiben jene schweren Kriegsverbrechen, welche die Enthüllungsplattform Wikileaks 2010 und 2011, teilweise in Zusammenarbeit mit renommierten Medien wie New York Times, Guardian und Spiegel, veröffentlicht hatte. Zu den US-Geheimdokumenten über das Treiben amerikanischer Soldaten in Afghanistan und Irak zählte das Video eines Hubschrauberangriffs auf Zivilisten von 2007, bei dem zwei Mitarbeiter der bekannten Nachrichtenagentur Reuters ums Leben kamen.