Escher GemeinderatKnaff-Motion: Wie das Trauerspiel um den Ersten Schöffen einen neuen Höhepunkt erreicht

Escher Gemeinderat / Knaff-Motion: Wie das Trauerspiel um den Ersten Schöffen einen neuen Höhepunkt erreicht
Bei der Escher Gemeinderatssitzung vom Freitag stand die Personalie Pim Knaff im Mittelpunkt Foto: Editpress/Alain Rischard

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Eklat im Escher Gemeinderat: Nachdem eine Motion zum Rücktritt von Pim Knaff (DP) scheinbar aus juristischen Gründen nicht zur Abstimmung zugelassen wurde, verließ die Opposition den Saal, sodass nicht mehr genügend Räte dort waren, um die Sitzung fortzuführen. Das Trauerspiel rund um den wegen schwerer Steuerhinterziehung verurteilten Ersten Schöffen hat demnach einen neuen Höhepunkt erreicht.

Volles Haus am Freitag bei der Escher Gemeinderatssitzung, wo die Causa Pim Knaff auf der Tagesordnung stand. Eine Motion forderte den wegen schweren Steuerbetrugs verurteilten Ersten Schöffen auf, aus eigenen Stücken zurückzutreten. Bürgermeister Christian Weis (CSV) verhinderte die Abstimmung über die Motion aus juristischen Gründen. Die LSAP-Räte verließen aus Protest geschlossen den Saal, gefolgt von den anderen Räten der Opposition. So waren nicht mehr genügend Mandatsträger übrig, um über Punkte abstimmen zu können. Die Sitzung wurde abgebrochen.


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Bürgermeister Weis argumentierte, dass er von einem Juristen der Gemeinde die Rückmeldung bekam, dass man nicht über eine solche Motion abstimmen könne, da das gegen das Gemeindegesetz verstoßen hätte. Stimmt nicht, sagte LSAP-Fraktionssprecher Steve Faltz: „In der Motion ging es darum, Pim Knaff einen Rücktritt nahezulegen. Die Abstimmung wäre demnach nicht bindend für ihn oder die Mehrheit gewesen. Der Schöffenrat stand also nicht infrage, nur die Person Pim Knaff.“

Bürgermeister Christian Weis (CSV)
Bürgermeister Christian Weis (CSV) Foto: Editpress/Alain Rischard

Mehrheit hätte Abstimmung wohl verloren

Fakt ist allerdings auch, dass die Koalitionäre bei der Abstimmung wohl keine Mehrheit bekommen hätten. Das Kräfteverhältnis im Escher Gemeinderat liegt bei 10 zu 9 Sitzen. Pim Knaff hätte nicht abstimmen dürfen, da es um seine Person ging. Bei Personalentscheidungen zählen normalerweise auch keine Vollmachten. CSV-Rat Pascal Bermes fehlte am Freitag und ließ sich via Prokura von Bürgermeister Weis vertreten.

„Die Entscheidung, den Saal zu verlassen, fiel spontan“, betonte Faltz außerdem, „das war nicht abgesprochen. Auch dass die restlichen Räte aus der Opposition anschließend dasselbe taten, nicht. Wir wollten ein Zeichen setzen. Das war in diesem Moment unsere einzige Möglichkeit. Ich lasse auch den Vorwurf, wir hätten dadurch die Politik blockiert, nicht gelten. Die Sitzung hätte noch maximal eine halbe Stunde gedauert und in zwei Wochen steht die nächste an.“  

Dass es sich am Freitag um keine gewöhnliche Sitzung des Escher Gemeinderats handelte, wurde früh deutlich. Der Pressetisch war zu klein, zudem saßen außergewöhnlich viele Escher auf den Zuschauerstühlen. Im Mittelpunkt des Interesses: Pim Knaff, der trotz seiner Verurteilung wegen schweren Steuerbetrugs mit Unterstützung der Mehrheitsparteien CSV und „déi gréng“ an seinem Posten festhält. Knaff machte vor der Sitzung einen großen Bogen um die anwesenden Journalisten und verzichtete auf die übliche Begrüßung.

Die Affäre um seinen schweren Steuerbetrug war vor drei Wochen öffentlich geworden. Der Anwalt hatte versucht, rund 110.000 Euro an der Steuer vorbeizuschleusen. Die Escher Koalitionspartner überließen eventuelle politische Konsequenzen der lokalen DP-Sektion und Knaff selbst. Der begründete das Festhalten an seinem Schöffenposten damit, dass seine Verurteilung sein Privatleben, aber nicht sein politisches Mandat betreffe.

Deontologie und Ethik

Es gebe keinen legalen Automatismus, dass man bei einem solchen Vergehen als Politiker zurücktreten müsse, sagte Marc Baum („déi Lénk“). „Aber es gibt Regeln, die man sich selber gibt. Und hier sind wir im Bereich Deontologie und Ethik.“ Allein schon der Verdacht einer schweren Straftat hätte Politiker bereits zu Konsequenzen bewegt, um Schaden von Amt und Stadt abzuwenden. Baum sagte, dass die Verurteilung Knaffs keine Privatsache sei, weil sie sehr wohl Einfluss auf das Amt hätte. Denn es handele sich um Betrug an der Öffentlichkeit, für die man als Schöffe verantwortlich sei. Schließlich lebe auch die Stadt Esch vom Erheben von Steuern und Taxen. „Mit welcher Autorität und Legitimität soll das der Schöffenrat in Zukunft noch machen?“, fragte Baum.

Sein Fazit: Auch ein Nicht-Rücktritt hat eine Bedeutung, jede Glaubwürdigkeit gehe verloren. Die Bürger hätten ein Recht darauf, ein exemplarisches Verhalten von Politikern zu verlangen. Er erinnerte an eine Escher Gemeinderatssitzung von 2002, als der Oppositionspolitiker Pim Knaff den Rücktritt vom damaligen Schöffen Félix Braz („déi gréng“) wegen einer fehlenden Betriebsgenehmigung für die Kulturfabrik forderte. Im Urteil stehe zudem schwarz auf weiß, dass die Steuerhinterziehung wissentlich und vorsätzlich begangen wurde. In Anbetracht des vielen zerbrochenen Porzellans der letzten Wochen und des schweren Imageschadens für die Stadt Esch, reichte Baum eine Motion ein, in der Pim Knaff aufgefordert wird, aus freien Stücken zurückzutreten.

Eine Forderung, der sich sämtliche weitere Redner der Opposition anschlossen. Steve Faltz (LSAP) sprach von einem Vertrauensbruch in die Politik. „Geht es hier um Macht oder um Moral?“, fragte Faltz. Bernard Schmit (ADR) sprach von Betrug am Wähler und einem traurigen Fall, der desaströs für Esch sei. Auch Tammy Broers (Piraten) schlug in die gleiche Kerbe.

Scholl gießt Öl ins Feuer

Pim Knaff (l., DP) hält weiter an seinem Posten fest 
Pim Knaff (l., DP) hält weiter an seinem Posten fest  Foto: Editpress/Alain Rischard

Mandy Ragni („déi gréng“), Joy Weyrich (CSV) und Daliah Scholl (DP) rechtfertigten das Festhalten ihrer Parteien an Pim Knaff (das Tageblatt berichtete). Ragni unterstrich, dass jede Partei für sich verantwortlich sei. Joy Weyrich verwies auf die Gewaltentrennung und den Respekt vor dem Rechtsstaat. Daliah Scholl goss ihrerseits bei ihrer Intervention reichlich Öl ins Feuer einer ansonsten sachlichen Diskussion. Es stehe den Gemeinderäten nicht zu, ein Urteil über Pim Knaff abzugeben. „Ich halte nichts von mittelalterlicher Lynchjustiz, schon gar nicht, wenn es sich um einen Fehler handelt, der nichts mit dem politischen Amt zu tun hat“, sagte Scholl. Zudem bescheinigte sie dem Berufsschauspieler Baum schauspielerisches Talent, bezichtigte die LSAP der Lüge und der „politique politicienne“. Was ihr einen trockenen Konter von Liz Braz (LSAP) einbrachte. Es gehe hier nicht um die Mehrheit, sondern um die Person von Pim Knaff. Es sei ein starkes Stück, so von Scholl angegangen zu werden. „Der Ball hier liegt einzig und allein bei der DP. Das alles wäre nicht aufgekommen, wenn es hierbei nicht um das ominöse Handeln eines DP-Politikers ginge“, so Braz. Daher sei alles, was Scholl gesagt habe, unglaubwürdig. 

„Die Konsequenzen sind repariert worden. (…) Ich bin nicht der Meinung, dass der Fehler mich diskreditiert, mein Mandat weiter auszuführen“, sagte derweil Pim Knaff. Er sei unter Generalverdacht gestellt worden, was ganz schlimm sei in Anbetracht seines vorbildlichen Verhaltens in seiner bisherigen politischen Laufbahn. Ansonsten brachte Knaff die schon bekannten Argumente zu seiner Verteidigung hervor (das Tageblatt berichtete). 

Und dann kam es zum Eklat. „Mein erster Reflex war, die Abstimmung zuzulassen“, sagte Bürgermeister Christian Weis nach der Sitzung, doch hätte er Meldung von einem der drei Juristen der Gemeinde bekommen, dass dies eine Art Vertrauensfrage gewesen wäre, was in einer Motion laut Gemeindegesetz nicht zulässig wäre. Also zog er die Abstimmung zurück, mit den bekannten Folgen. Marc Baum bezeichnete dies als weiteren Skandal. Mit der Motion sollte das Vertrauen in die Politik wieder hergestellt werden, genau das Gegenteil sei herausgekommen. 

Marc Baum („déi Lénk“)
Marc Baum („déi Lénk“) Foto: Editpress/Alain Rischard
Samanta Louschetter
22. Juni 2024 - 11.42

Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht.