KolonialismusLuxemburgs geleugnete Verantwortung: Ein „Kolonialland ohne Kolonien“

Kolonialismus / Luxemburgs geleugnete Verantwortung: Ein „Kolonialland ohne Kolonien“
Relikte und Spuren des kolonialen Erbes: vor der „Pharmacie des Maures“ in der Hauptstadt Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Nach landläufiger Meinung wurden die meisten Kolonien der europäischen Mächte Anfang der 1960er Jahre unabhängig. Aber viele Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnisse bestehen noch heute. Die Folgen der Kolonialzeit wirken bis in die Gegenwart nach. Das gilt auch für das „Kolonialland“ Luxemburg, das sich aktiv am Kolonialismus vor allem in Belgisch-Kongo beteiligte und von ihm profitierte. Der Historiker Yves Schmitz hat eine gelungene und sehr hilfreiche Einführung in das Thema geschrieben. 

Koloniale Beziehungen sind nicht verschwunden. Vielmehr ist der Kolonialismus nach wie vor aktuell. Seine Bilanz ist verheerend. Die jahrhundertelange europäische Fremdherrschaft in der Welt hat zu instabilen Regierungen, wirtschaftlichen Krisen, Armut, Hunger und Kriegen in etlichen Ländern bis hin zu Genoziden geführt. Sie sind direkte oder indirekte Folgen des Kolonialismus. Zwar sind heute nahezu alle ehemaligen Überseegebiete souveräne Staaten, aber das Erbe der Kolonialzeit wiegt schwer.

Am Anfang steht eine Behauptung: „Luxemburg war nie eine Kolonialmacht“, sagte 1960 der damalige luxemburgische Außenminister Eugène Schaus im Laufe einer Parlamentsrede und legte sogleich dar, auf was er hinauswollte: „Das Regime des Kolonialismus liegt nicht in unserer Verantwortung.“ Mehr als sechs Jahrzehnte nach den Aussagen des DP-Politikers sind diese Worte längst widerlegt, auch wenn zwischenzeitlich immer wieder behauptet wurde, dass das Großherzogtum keine koloniale Vergangenheit habe, wie noch 2022 von den Ministern François Bausch („déi gréng“) und Franz Fayot (LSAP). Bis heute fällt die Auseinandersetzung mit der unbequemen kolonialen Vergangenheit des Landes schwer.

Der Historiker Yves Schmitz hat Schaus’ anfangs genannten Worte als Ausgangspunkt und Titel für seine kürzlich bei dem Verlag capybarabooks erschienene „kritische Einführung“ in „Luxemburgs Verflechtungen mit der kolonialen Welt“ genommen. Das Buch ist, erklärt der Autor im Vorwort, als Teil des Projektes „Einführung in Luxemburgs Kolonialgeschichte“ des Kunstkollektivs Richtung22 entstanden. Das Kollektiv hatte sich 2020 mit der antirassistischen und feministischen Vereinigung Lëtz Rise Up zusammengetan und Rundgänge durch die Stadt Luxemburg angeboten, die zu Orten der versteckten Kolonialgeschichte des Landes führten.

Kolonialismus und Rassismus

Schmitz zitiert die Aktivistin Sandrine Gashonga von Lëtz Rise Up: „Wie können wir sicherstellen, dass die Öffentlichkeit diese Vergangenheit kennt? Wie können die Schäden, die durch den Kolonialismus verursacht wurden, behoben werden? Und wie können die Gemeinschaften, die von dieser Vergangenheit betroffen sind, gestärkt werden?“ Zumindest die erste Frage kann er mit seinem etwa 180 Seiten umfassenden Werk beantworten. Die anderen beiden sind Fragen, die sich die luxemburgische Politik und die Gesellschaft stellen müssen, um die geeigneten Antworten darauf zu finden. „Der Kolonialismus und die von ihm geschaffenen Machtverhältnisse begründen den strukturellen Rassismus“, ist am Ende des Buches zu lesen. Und die systematische Ausbeutung anderer Länder und Völker habe zum heutigen Reichtum des Landes beigetragen.

Als (weißer) Kolonialhistoriker versuche er, mit seinem Buch „eine Grundlage zu schaffen, die zur Beantwortung der ersten Frage beitragen soll“, erklärt Schmitz. Es hatte bis auf wenige Ausnahmen lange gedauert, bis das Thema nach Schaus’ Rede wieder aufgegriffen wurde und auch den nötigen Widerhall in der Gesellschaft fand. Im Mai 2001 etwa veröffentlichte die Zeitschrift forum ein ausführliches Dossier zum Kongo. Im selben Jahr brachten der Filmemacher Paul Kieffer und der Historiker Marc Thiel die Dokumentation „Ech war am Congo“ heraus und gab es eine von dem Historiker Michel Pauly geleitete Diskussionsrunde. Eine breitere Debatte fand jedoch nicht statt.

Dafür dauerte es fast weitere zwei Jahrzehnte, bis in Europa verstärkt über den Kolonialismus, zum Beispiel über die Aufforderungen zum Sturz von Kolonialdenkmälern und die Fragen der Rückführung von Museumssammlungen, diskutiert wurde, einhergehend mit dem Thema des Rassismus in der luxemburgischen Gesellschaft im Zuge der Studie „Being Black in the EU“ der European Union Agency for Fundamental Rights. Bei einer Konferenz unter dem Titel „Being Black in Luxembourg“ im Cercle Cité im November 2019 kamen unter anderem Personen mit afrikanischen Wurzeln zu Wort, die von ihren eigenen Erfahrungen mit rassistischer Diskriminierung berichteten. Kurz darauf landete das Thema erneut auf die politische Agenda mit der von den USA ausgehenden „Black Lives Matter“-Bewegung (BLM): Am 25. Mai 2020 wurde der Afroamerikaner George Floyd in Minneapolis von einem Polizeibeamten ermordet; ein Video, das die Tat zeigte, löste weltweit Proteste gegen Polizeigewalt und strukturellen Rassismus aus. In Luxemburg kam es am 10. Juni 2020 vor der US-Botschaft zu einer antirassistischen Demonstration.

Yves Schmitz, Autor von „Luxemburg war nie eine Kolonialmacht“
Yves Schmitz, Autor von „Luxemburg war nie eine Kolonialmacht“ Foto: Madelaine Wood

Mehr und mehr wurde die Verbindung von Kolonialismus und Rassismus betont. Hierzulande befassten sich unter anderem Gruppen wie Lëtz Rise Up und Richtung22 sowie das Netzwerk Finkapé mit den kolonialen Strukturen in Luxemburg, die die luxemburgische Gesellschaft und die Identität zahlreicher Menschen geprägt haben und bis heute prägen – sowohl ihre Familiengeschichte als auch ihr eigenes Leben, etwa in Form von Diskriminierung, aber auch als Ursache für ihr politisches Engagement. Besonders aufschlussreich war in diesem Zusammenhang die im Musée national d’archéologie, d’histoire et d’art Luxembourg (MNAHA) von April bis November 2022 gezeigte Sonderausstellung „Luxemburgs koloniale Vergangenheit“. Darin legten unter anderem neun Frauen und Männer aus Luxemburg Zeugnis ab: Kolonisten und Kolonisierte oder deren Nachkommen.

Bahnbrechende Ausstellung

Einen Schub hatte die Debatte jedoch schon im Jahr 2020 erhalten, als das Kollektiv Richtung22 im Rahmen einer Kunstaktion ein Konterfei des Kolonisten Nicolas Cito (1866-1949) an dem nach ihm benannten Brunnen in seinem Geburtsort Niederkerschen hinter Gitterstäben verschwinden ließ. Damit wurde eine Tafel zu Ehren des Ingenieurs mit einem Schild zum Gedenken an die etwa 5.000 Zwangsarbeiter überdeckt, die unter seinem Befehl im Kongo standen und den Strapazen der harten Arbeit zum Opfer fielen. Die genaue Zahl der Toten ist nicht bekannt. Cito war am Bau der Eisenbahnlinie Matadi-Léopold beteiligt, 1898 wurde er zum Direktor der „Compagnie du chemin de fer du Congo“ und machte später als Manager Karriere. Er leitete Firmen, die Geschäfte in der belgischen Kolonie machten und war ab 1927 luxemburgischer Generalkonsul in Brüssel.

Indigene Arbeitskräfte wurden im Kongo nicht zuletzt auch beim Diamantenabbau ausgebeutet: Der Ingenieur Georges Cravatte (1900-1967) aus Echternach war ab 1924 für die „Société forestière et minière“ (Forminière) tätig, die Diamantminen in der Provinz Kasaï betrieb. 1953 wurde er Generaldirektor des Konzerns. Er war unter anderem an der Finanzierung kriegerischer Aktivitäten und an Zwangsumsiedlungen beteiligt. Später versuchte Cravatte, gegen den kongolesischen Politiker und Vorkämpfer der afrikanischen Unabhängigkeitsbewegung, Patrice Lumumba, die Parlamentswahlen zu manipulieren und unterstützte den von Albert Kalonji geführten Teilstaat Süd-Kasaï. Cravatte soll auch hinter den Mordanschlägen gegen Lumumba gesteckt haben. Lumumba wurde 1961 ermordet.

Im Dienste der Kolonialmacht, Plakat aus der Ausstellung von 2022
Im Dienste der Kolonialmacht, Plakat aus der Ausstellung von 2022 Quelle: MNHA

Die von dem Historiker Régis Moes im MNAHA kuratierte Schau machte bereits den Zusammenhang von Kolonialismus, weltweiter Ungleichheiten und dem strukturellen Rassismus von heute deutlich. Gleich am Eingang der Ausstellung war das Foto eines Kolonialverwalters zu sehen, der wie ein Pascha in einem von kongolesischen Paddlern fortbewegten Boot sitzt. Obwohl Luxemburg selbst niemals eigene Kolonien besaß, zogen luxemburgische Männer und Frauen ab dem 19. Jahrhundert aus, um in den Überseegebieten anderer europäischer Staaten zu leben – ab dem 20. Jahrhundert verstärkt in Belgisch-Kongo. Sie waren als Kolonialbeamte und Soldaten, Geschäftsleute und Forscher, Missionare und Missionarinnen tätig. Das MNAHA richtete zwar mit der Ausstellung den Fokus auf, wie der Titel besagte, „Luxemburgs koloniale Vergangenheit“, stellte das Thema jedoch auch in den Kontext der allgemeinen Geschichte des Kolonialismus.

Das koloniale System basierte auf Ausbeutung. Die Kolonisten legitimierten ihre Herrschaft mit den pseudowissenschaftlichen Rassentheorien, während die Kolonisierten bei sogenannten Völkerschauen auf Jahrmärkten und Volksfesten wie der Schueberfouer oder Zirkusveranstaltungen zur Schau gestellt wurden. Die Rassentheorien sind zwar längst widerlegt, ebenso die Existenz von menschlichen Rassen überhaupt, doch die Ideologie von der angeblichen Höherwertigkeit der Europäer und ihrer vermeintlichen Überlegenheit prägte das Denken in der Luxemburger Gesellschaft noch lange. Von der kolonialen Vergangenheit bis zum Rassismus von heute verläuft ein roter Faden.

Régis Moes hatte bereits 2012 mit seiner Masterarbeit „Cette colonie qui nous appartient un peu. La communauté luxembourgeoise au Congo belge“ unter anderem die Lebensweise, sozialen Strukturen und Beziehungen der Luxemburger mit der belgischen Gemeinschaft im Kongo nachverfolgt. Yves Schmitz erwähnt in diesem Zusammenhang auch die zwei Jahre zuvor „zu Unrecht weniger rezipierte Masterarbeit“ von Michel Thill mit dem Titel „Luxemburg und der Belgisch-Kongo, 1945-1960“ über die Präsenz der Kolonie in der luxemburgischen Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit.

Ein Luxemburger Kolonist im Kongo.
Ein Luxemburger Kolonist im Kongo. Quelle: MNHA

Eines von vielen weiteren Beispielen, das sowohl in der MNAHA-Ausstellung als auch bei Schmitz genannt wird, ist das von Nicolas Grang: 1854 in Buschrodt (Gemeinde Wahl) geboren, war er der erste Luxemburger, der im Kongo starb (1883). Grang beteiligte sich an der gewaltsamen Eroberung der Region um das spätere Léopoldville, dem heutigen Kinshasa, und war als Offizier ein Begleiter bei einer Forschungsreise des britischen Afrikaforschers Henry Morton Stanley, die von dem belgischen König Leopold II. in Auftrag gegeben worden war. Der Gemeinderat von Wahl beschloss im Juli 2020, die Buschrodter Rue Nicolas Grang umzubenennen.

Im Zuge der Eroberung kam es immer wieder zu Massakern. Jeglicher Widerstand wurde oft blutig niedergeschlagen. Die Ausbeutung des Kongo fand ihren grausamen Höhepunkt unter der Herrschaft des belgischen Königs Leopold II. von 1885 bis 1908. Viele Luxemburger waren Teil des Kolonialsystems. Die 1921 unterschriebene und 1922 in Kraft getretene „Union économique belgo-luxembourgeoise“ (UEBL) ließ Luxemburg zum kolonialen Akteur aufsteigen und „wurde zum Katalysator für Luxemburgs wirtschaftliche Involviertheit in das belgische Kolonialprojekt“, schrieb unlängst die Historikerin Renée Wagener in der woxx. Mit der belgisch-luxemburgischen Union wurden die Luxemburger den belgischen Staatsbürgern im Kongo sowie in Ruanda und Burundi gleichgestellt. Luxemburg sei ein „Kolonialland ohne Kolonien“ geworden, so Wagener, ähnlich wie die Schweiz.

Um die Kolonisierten zu Christen zu bekehren, spielten die katholischen Missionsstationen eine zentrale Rolle. So wurde etwa in Belgisch-Kongo der Primärschulunterricht von katholischen Missionaren gehalten. Die wichtigsten unter ihnen stellten die Jesuiten, Herz-Jesu-Pater aus Clairefontaine und Weißen Väter aus Marienthal sowie die Schwestern der Heiligen Elisabeth und Franziskanerinnen. Die Mehrheit der Luxemburger in Belgisch-Kongo bestand bis in die 1920er Jahre vorwiegend aus alleinstehenden Männern. Ab den 30er Jahren zog es immer mehr Familien in die belgische Kolonie. In Luxemburg wurde sogar aktiv dafür geworben.

Strikte Trennung

Zwischen Europäern und Afrikanern herrschte eine strikte Rassentrennung. Die Viertel der Europäer waren von jenen der Afrikaner getrennt. Letztere durften nicht in denselben Geschäften wie die Europäer einkaufen und nicht dieselben Restaurants, Bars und Kinos besuchen. Obwohl es nicht erlaubt war, gingen einige Luxemburger Beziehungen mit kongolesischen oder ruandischen Frauen ein. Kurz vor der Unabhängigkeit des Kongos 1960 lebten etwa 600 Luxemburger in der Kolonie. Zwar hatten die Kolonialmächte verstärkt Modernisierungsprojekte vorangetrieben, wie den Bau von Kliniken und Schulen, Straßen- und Eisenbahnlinien sowie zur Elektrifizierung. Doch die Maßnahmen folgten weiter einer rassistischen und paternalistischen Logik. Diese Weltanschauung äußerte sich in Stereotypen, die lange Bestand haben sollten und in den Medien und der Werbung zum Ausdruck kamen.

Der Historiker Régis Moes, Kurator der Ausstellung 2022 im MNAHA
Der Historiker Régis Moes, Kurator der Ausstellung 2022 im MNAHA Foto: Philippe Reuter/revue

Die meisten Luxemburger gingen nach Belgisch-Kongo, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Einige pflegten freundschaftliche Beziehungen zu Kongolesen oder zeigten Interesse an den einheimischen Kulturen. Die Mehrzahl der Luxemburger stellte das Kolonialsystem jedoch nicht prinzipiell in Frage. Gegen Ende der 1950er Jahre kam es verstärkt zu Unruhen. Diese fanden am 4. Januar 1959 im damaligen Léopoldville ihren Höhepunkt. Innerhalb nur eines Jahres kam es zur Unabhängigkeit des Kongos. Die Feiern fanden am 30. Juni 1960 in Léopoldville statt. Das Großherzogtum wurde damals offiziell von dem liberalen Wirtschaftsminister Paul Elvinger vertreten. Eine Woche später erhob sich das Militär. Die Sicherheitslage verschlechterte sich, die Gewalt richtete sich auch gegen zivile Europäer, die daraufhin in Scharen den Kongo verließen. 1963 lebten dort nur noch 190.

Die politische Unabhängigkeit der Kolonien wird allgemein als Ende der Kolonialzeit bewertet. Doch die Ungleichheiten des Kolonialsystems hatten weiterhin Bestand. Bis heute ist die Weltwirtschaft so ausgerichtet, dass Rohstoffe aus den ehemaligen Kolonialgebieten exportiert werden, wie etwa illegal abgebaute Mineralien aus der Demokratischen Republik Kongo, was fatale Auswirkungen auf die lokalen Ökosysteme hat. Im Gegenzug werden verarbeitete Produkte aus Europa importiert und damit koloniale Handelsstrukturen fortgesetzt, die sich für die ehemaligen Kolonien defizitär auswirken.

Nach der Unabhängigkeit der meisten Staaten hatten aufgrund der bestehenden politischen Strukturen Diktatoren und ihre Machteliten leichtes Spiel. Außerdem führten willkürlich gezogene Grenzen immer wieder zu bewaffneten Konflikten. Die kolonisierten Länder wurden ihrer wirtschaftlichen Ressourcen beraubt – und ihres kulturellen Erbes, das sich in großen Teilen in europäischen und amerikanischen Museen und Privatsammlungen befindet. Seit einigen Jahren gibt es international intensive Diskussionen und Forschungen zur Herkunft und Besitzverhältnissen von Kulturgütern aus ehemaligen Kolonien.

Der Herrschaftsapparat der Kolonisatoren und die gewaltsame Unterdrückung der Kolonialvölker haben bis heute Auswirkungen auch auf die Luxemburger Gesellschaft. Die koloniale Vergangenheit prägt bis heute die Identität zahlreicher Menschen. In ihrer Familiengeschichte, in ihrem eigenen Leben, in Form von Diskriminierungen, die sie erdulden müssen, oder als Ursache für ihr politisches Engagement – die Folgen zeigen sich überall. Das koloniale Weltbild sei nie vollständig dekonstruiert worden, kritisierte etwa die Organisation Finkapé. Die koloniale Vergangenheit wirkt bis heute nach – trotz der Verwerfung der Rassentheorie und der Einführung von Gesetzen gegen Diskriminierung und gegen die Aufhetzung zum rassistischen Hass.

„Congo & Co.“

Luxemburg als Nation hat zwar keine eigene koloniale Vergangenheit als imperialistischer Staat, obwohl es Kolonialvereine wie den „Cercle colonial luxembourgeois“ (CCL) oder die „Alliance Luxembourg-Outremer“ (LUXOM) gab. Ersterer wurde 1925 von etwa 20 ehemaligen und aktiven Luxemburger Kolonisten gegründet. 1951 kam es zur Abspaltung, in deren Folge die LUXOM entstand. 1973 fusionierten beide wieder. Das Ziel der Gesellschaften war es, Propaganda für die Kolonien zu verbreiten, Lobbyarbeit zu betreiben und Kolonisten zu rekrutieren.

Renée Wagener weist darauf hin, dass „die Hauptmotive von Luxemburgs Engagement ökonomisch (Bereicherung von Firmen und Individuen), sozial (Verringerung der hiesigen Arbeitslosigkeit) und ideologisch (Legitimierung der Raison d’être des eigenen Staates) waren“. Nur wenige Jahre „nach dem erfolgreichen Einsatz für die Unabhängigkeit Luxemburgs und für die Einführung der politischen Gleichberechtigung aller Luxemburger*innen“ (1919) habe so ein Projekt Unterstützung gefunden, „das dem Kongo die Selbstbestimmung absprach und das auf dem Prinzip der Ungleichheit zwischen Weißen und Schwarzen beruhte“. Es ist einer von vielen Widersprüchen, die in der luxemburgischen Kolonialgeschichte stecken.

Staat und Gesellschaft hätten auf verschiedenen Wegen an kolonialen Projekten partizipiert und von ihnen profitiert, schreibt Yves Schmitz in seinem Fazit. Er beschreibt den Kolonialismus als gemeinsames, vielschichtiges Projekt, an dem Luxemburg nicht nur marginal partizipierte – das Land war „ein integraler Teil dieses Projekts“. Wie bereits in der Zeitschrift Brennpunkt drëtt Welt 1989 zu lesen war, auch in einem Text von Renée Wagener: „Luxemburg unterscheidet sich hierbei in nichts von anderen europäischen Staaten.“

Er wolle individuellen Missionaren und Missionarinnen nicht den guten Willen ihres Tuns absprechen, so Schmitz. Doch auch sie waren nichts anderes als Teil eines ausbeuterischen kolonialen Systems, nach dem Prinzip „Congo & Co.“, „dessen Ziele nur durch Gewalt gegenüber der indigenen Bevölkerung erreicht werden konnten“. Dem Historiker ist mit seinem Buch mehr als eine Einführung gelungen, die sich sowohl für Einsteiger als auch für Fortgeschrittene in der Thematik eignet. Es ist eine Bilanz und zugleich eine „Zwischenetappe“, wie er es nennt, das dazu einlädt, ein großes, offenes Forschungsfeld zu beackern – das noch viele Fragen zu einem Thema offen lässt, das noch lange nachwirkt.

Yves Schmitz: Luxemburg war nie eine Kolonialmacht. Eine kritische Einführung. Richtung22 & Capybarabooks. Esch/Alzette und Mersch 2024. 184 Seiten. 20 Euro.

Zwischen dem Kolonialismus von einst und dem strukturellen Rassismus von heute besteht ein Zusammenhang, ein roter Faden. Hier die Demonstration gegen Rassismus vor der US-Botschaft in Luxemburg-Stadt.
Zwischen dem Kolonialismus von einst und dem strukturellen Rassismus von heute besteht ein Zusammenhang, ein roter Faden. Hier die Demonstration gegen Rassismus vor der US-Botschaft in Luxemburg-Stadt. Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante
Mantoine-jacquet Carlo
30. August 2024 - 19.44

Onbedingt denen Groussen also onsen Nopeschlänner et nomachen.
Hei muss elo eppes opgebauscht gin.

nun ja
29. August 2024 - 17.02

Nicolas Cito (1866-1949) hatte in Belgien studiert und gelebt und ging als Privatperson für ein belgisches unternehmen in den kongo, wie andere luxemburger auch. der lux Staat hat ja keinen dorthin abkommandiert. in der Logik dieses Historikers, müsste demnächst sein 2. buch, "die Kolonialkriege luxemburgs", erscheinen. warum? in den letzten 100 jahren haben sicher ein paar luxemburger in der Fremdenlegion angeheuert.

Nomi
29. August 2024 - 8.12

Fir d'Fehler dei' eis Ur-gro'uselteren gemeet hun kann een di jetzeg Generatio'unen net beschellegen, oder bei hinnen Scholdgefiller generei'eren.

OK et duerf een eis Geschicht net vergiessen, am Gudden an am Schlechten, mee et ass wichteg ob wei' eng Art a Weis een mat dem Thema emgeht. Di Schelleg sinn net mei' do, an kennen net mei' zur Rechenschaft gezunn ginn !