Rheinland-PfalzMalu Dreyer, die Grande Dame der SPD, hört auf

Rheinland-Pfalz / Malu Dreyer, die Grande Dame der SPD, hört auf
Malu Dreyer mit ihrem designierten Nachfolger Alexander Schweitzer Foto: Arne Dedert/dpa

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Es ist ein politischer Paukenschlag: Die SPD-Politikerin Malu Dreyer zieht sich als Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz zurück. Ihr Nachfolger steht bereits fest. Dreyer prägte die SPD auf ihre Weise.

Herzlichkeit und politische Härte schließen sich in der Spitzenpolitik oft aus. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer jedoch hat immer unter Beweis gestellt, dass man beides vereinen kann. Und auch als Politikerin glaubwürdig Empathie zeigen kann, ohne sich aufzudrängen.

Die Nachricht ihres schnellen Rückzugs noch vor der Sommerpause kam plötzlich, jedoch nicht unerwartet. „Ich gehe mit schwerem Herzen, weil ich nicht amtsmüde bin“, sagt Dreyer am Mittwochmittag in Mainz. Sie trete zurück, weil sich ihre Akkus nicht mehr so schnell wie früher aufladen würden. Sie müsse immer mehr Energie aufbringen, um ihre Aufgaben als Ministerpräsidentin zu bewältigen, und komme an ihre Grenzen. Ihre Entscheidung zum Rücktritt sei ihr schwergefallen. „Ich bin 63, also noch nicht uralt. Aber ich muss mir eingestehen, es ist nicht mehr so wie mit 50“, begründet sie ihren Rückzug.

Dreyer leidet seit rund zwei Jahrzehnten an einer Multiplen Sklerose. Seit vielen Jahren benötigt sie Unterstützung, etwa beim Laufen, wird bei Terminen von Mitarbeitern, Parteifreunden oder Amtskollegen gestützt. Bei längeren Wegstrecken ist sie auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Krankheit wurde bei ihr 1995 diagnostiziert, sie hielt sie lange geheim.

Ich bin 63, also noch nicht uralt. Aber ich muss mir eingestehen, es ist nicht mehr so wie mit 50.

Malu Dreyer, Ministerpräsidentin

In Mainz regiert sie seit 2016 in einer Ampel-Koalition mit Grünen und FDP. Zuvor hatte sie als Nachfolgerin von Kurt Beck im Jahr 2013 bereits eine rot-grüne Koalition angeführt, als erste Frau an der Regierungsspitze in Rheinland-Pfalz. Ihr Nachfolger soll nun im Juli der bisherige Landesminister für Arbeit und Soziales, Transformation und Digitalisierung, Alexander Schweitzer (SPD), werden. Der aus dem südpfälzischen Landau stammende Schweitzer ist seit der Regierungsbildung nach der Landtagswahl 2021 wieder im rheinland-pfälzischen Kabinett vertreten. Der 50-Jährige war bereits in den Jahren 2013 und 2014 Minister gewesen, zwischenzeitlich war er dann Fraktionschef der SPD im rheinland-pfälzischen Landtag. Er müsse in „sehr große Fußstapfen treten“, sagt Schweitzer kurz nach der öffentlichen Verkündung von Dreyers Rückzug. Die nächste Landtagswahl in Rheinland-Pfalz ist turnusgemäß im Frühjahr 2026.

Verständnis und Wertschätzung

Die Trierer SPD-Politikerin Dreyer ist seit vielen Jahren auch auf Bundesebene engagiert. Von 2017 bis 2019 war sie eine von fünf stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden. Sie ist in der Bundespolitik bestens vernetzt, in der Partei beliebt. Sie steht auch Kanzler Olaf Scholz politisch nahe. Er habe den Rücktritt „mit sehr großem Respekt“ zur Kenntnis genommen. Der Kanzler habe „größte Wertschätzung“ für Dreyer als Regierungschefin einer erfolgreichen Ampel-Koalition, so die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. „Er schätzt sie sehr als verlässliche und volksnahe Politikerin, die sich nicht ohne Grund hoher Beliebtheit erfreut.“ Auch Saarlands Ministerpräsidentin und Dreyers Parteifreundin Anke Rehlinger (SPD) zeigt Verständnis für den Schritt. „Malu Dreyer hat sich immer durch ihr großes Herz, hohen Sachverstand und volle Energie ausgezeichnet“, sagt Rehlinger. „Ich kann ihre persönliche Entscheidung gut verstehen“, fügt sie hinzu.

Dreyer wurde immer wieder auch als SPD-Bundesvorsitzende gehandelt – allerdings winkte sie mit Verweis auf ihre Krankheit stets ab. Nach dem Rücktritt von Andrea Nahles 2019 ließ sie sich jedoch darauf ein, die SPD kommissarisch für einige Monate zu leiten, bis die neuen Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans gewählt wurden. In der Corona-Krise sah sich die Ministerpräsidentin auch viel Kritik ausgesetzt, und die von Betroffenen so empfundene mangelhafte Aufarbeitung der Flutkatastrophe 2021 bescherte der Mainzer Landesregierung ebenfalls Negativschlagzeilen.

Flutkatastrophe war Zäsur im Leben

Geboren wurde die als Malu bekannte Marie-Luise Dreyer am 6. Februar 1961 in Neustadt an der Weinstraße. 1995 trat sie der SPD bei und wurde im selben Jahr Bürgermeisterin der Stadt Bad Kreuznach. Ab 2002 war sie Sozialministerin in Rheinland-Pfalz.

Bei der Pressekonferenz zu ihrem Rückzug sagt Dreyer, die tödliche Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 sei eine Zäsur in ihrem Leben gewesen. In den vergangenen Jahren seien viele Krisen aufeinandergetroffen. Neben den Fluchtbewegungen seien das etwa die Corona-Pandemie und die „schlimmste Naturkatastrophe unseres Landes im Ahrtal“, sagt Dreyer. „Sie ist auch für mich eine schmerzhafte Zäsur, die auch mein Leben oder das Leben von mir in eine Zeit davor und danach unterteilt.“

Dreyer ist mit dem Politiker Klaus Jensen verheiratet. Bei einem Auftritt im vergangenen Jahr sagte sie, nach mehr als drei Jahrzehnten mit MS sei ihr klar: „Nichts ist leicht, aber vieles ist möglich.“ Sie hat bislang für die Politik immer alles möglich gemacht. Nun braucht sie die Kraft für sich selbst.