Pressefreiheit Maulkorb namens Transparenzgesetz: Journalistin Charlotte Wirth und ALJP klagen gegen Innenministerium

Pressefreiheit  / Maulkorb namens Transparenzgesetz: Journalistin Charlotte Wirth und ALJP klagen gegen Innenministerium
Charlotte Wirth hat Klage beim Innenministerium eingereicht. Unterstützt wird die Journalistin von er ALJP Foto: Editpress/Julien Garroy

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Zwei Regierungen, unzählige Anfragen und drei Jahre schon streitet Charlotte Wirth mit den Luxemburger Verwaltungen. Jetzt reicht die Journalistin mithilfe der ALJP Klage gegen das Innenministerium ein. Trotz positivem Gutachten der zuständigen Kommission wird Wirth der Zugang zu Dokumenten verwehrt. 

Drei Jahre lang hat Charlote Wirth zu Luxemburgs Beziehungen zur EU-Grenzschutzagentur Frontex recherchiert. Nachdem die in Brüssel ansässige freie Journalistin über drei Jahre lang von der Luxemburger Regierung abgeblockt wurde, hat sie am Luxemburger Verwaltungsgericht Klage eingereicht. Der luxemburgische Journalistenverband ALJP tritt als Nebenkläger auf. „Wir machen das, weil die Pressefreiheit auf dem Spiel steht“, sagt ALJP-Präsident Misch Pautsch.

Die Recherchen von Charlotte Wirth beginnen im Mai 2021. Sie belegen exemplarisch, inwieweit Luxemburgs Institutionen und Gesetzeslage die Arbeit von Journalisten erschwert oder geradezu unmöglich gemacht wird. Ein Umstand, den das neue Informationszugangsgesetz wohl auch nicht beheben wird, sondern möglicherweise noch verschlimmert.

Innenministerium reagiert

Das Innenministerium hat in einer Pressemitteilung am späten Nachmittag auf die Pressekonferenz des Luxemburger Journalistenverbandes ALJP reagiert. „Das Innenministerium hat den Anträgen von Charlotte Wirth auf Zugang zu Dokumenten nicht stattgegeben, da es sich um sensible Informationen handelt, die unter das geänderte Gesetz vom 14. September 2018 über eine transparente und offene Verwaltung fallen“, heißt es in einem Schreiben aus dem Innenministerium. Das Innenministerium nehme die Klage der Journalistin jedoch „zur Kenntnis“. Zudem bedauere das Ministerium, dass Antworten der Behörde nicht in dem finalen Artikel der Journalistin aufgegriffen worden seien. Demnach bestreitet das Innenministerium, dass mit einem Luxemburger Helikopter Patrouillenflüge vor der tunesischen Küste durchgeführt worden seien. Das widerspricht jedoch der Auswertung der Flugdaten vonseiten der Journalistin Wirth in ihrem Artikel.

Die Recherchen der Journalistin beginnen mit einer Anfrage im Rahmen des Luxemburger Transparenzgesetzes. Das erlaubt es Journalisten als auch Zivilisten, bestimmte Dokumente bei staatlichen Verwaltungen zu beantragen. Die Krux an diesem Vorgehen: Der Antragsteller muss genau wissen, welche Dokumente er anfragen will. Wenn man, wie Charlotte Wirth, zu Beginn einer Recherche pauschal nach Dokumenten zum Verhältnis der Luxemburger Regierung zur Frontex-Agentur fragt, wird eine solche Anfrage als „abusive“ abgewiesen. „Man sagte mir, ich solle mich besser über das Thema informieren und mich dann erneut an das Ministeirum wenden“, erklärt Wirth.

Eine ähnliche Frage bei der Grenzschutzagentur verlief erfolgreicher. Über 300 Dokumente wurden der Journalistin – in Teilen geschwärzt – zugestellt. Genug, um sich jedoch ein genaues Bild davon zu machen, welche Dokumente im Rahmen des Luxemburger Transparenzgesetzes beantragt werden können.

Es bleibt beim Nein

Eine erneute Anfrage, dieses Mal an das Luxemburger Innenministerium, das seit dem Regierungswechsel auch die Kompetenzen über Migrationsthemen hat, blieb jedoch unbeantwortet. Erst als Wirth die „Commission d’accès aux documents“ (CAD) darauf hinweist, dass die gesetzlich festgeschriebene Frist, innerhalb der die Dokumente hervorgebracht werden müssten, überschritten wurde, erhält die Journalistin eine Antwort. Wenn auch eine ernüchternde: Erneut wird ihr der Zugang verwehrt.

Es folgt eine weitere Anfrage an die CAD, die in Streitfällen darüber befinden soll, ob die Dokumente an die Öffentlichkeit weitergeleitet werden können. Das Gutachten der CAD: Ja, die Journalistin darf die Dokumente einsehen. Als die Journalistin darufhin das Innenministerium mit dem Gutachten der CAD konfrontiert, bleibt es jedoch beim Verwehr. Denn: Die Gutachten der CAD sind rechtlich nicht bindend – wohl auch, weil der Luxemburger Gesetzgeber nicht vorgesehen hat, dass die Mitglieder der CAD die Dokumente einsehen dürfen – obwohl sie eigentlich darüber urteilen sollen, ob diese an die Öffentlichkeit weitergegeben werden dürfen oder nicht.

Die Entscheidung des Innenministeriums habe das Fass dann zum Überlaufen gebracht, sodass sich Charlotte Wirth an den Luxemburger Journalistenverband ALJP gewandt habe, um Unterstützung für eine Klage vor dem Verwaltungsgericht zu bekommen. Ein Schritt, den sich Wirth als freischaffende Journalistin nicht hätte leisten können, wie sie mehrfach betont. Bis das Verwaltungsgericht in dieser Sache urteilt, können aber wiederum Jahre vergehen, sodass von Beginn der Recherche bis zum abschließenden Urteil und dem Erhalt der Dokumente Jahre vergehen können.

Gesetzliche Einschränkung

Hätte sich für die Journalistin unter einem Informationszugangsgesetz etwas geändert? – Nicht in der Form, wie es derzeit in der Chamber vorliegt. In diesem Gesetz ist nämlich ein weiterer Passus festgeschrieben, der besagt, dass eine Anfrage dann als abgewiesen gilt, wenn die zuständige Verwaltung in einem bestimmten Zeitrahmen keine Antwort erteilt hat. In Sachen Transparenz heißt es also „Silence vaut refus“, um Regierungschef Luc Frieden zu paraphrasieren.

Einen solchen Passus gibt es im derzeitigen Transparenzgesetz nicht. Geht es nach der Vorstellung der Regierung, wird ein solcher aber demnächst Einzug ins Luxemburger Gesetz finden. Ein Gesetz, zu dem weder der „Conseil de presse“ (Presserat) noch der Luxemburger Journalistenverband bisher formell konsultiert worden sind. „Uns wurde ein Arbeitspapier vorgelegt, auf Basis dessen wir unsere Anmerkungen eingereicht haben“, monieren die Journalistenvertreter. Jetzt, wo das Gesetz in der Chamber vorliege, werde man auch offiziell ein Gutachten dazu abgeben. „Und Lobbyarbeit bei den Parteien leisten, die daran interessiert sind“, wie Luc Caregari von der ALJP betont.

Grober J-P.
12. September 2024 - 9.04

"Pressefreiheit Maulkorb" Man spürt es, bei LW oder RTL (teilweise) waren vor nicht zu langer Zeit noch Kommentare möglich. Wir müssten einen neuen Julian finden!