RusslandMenschenhandel nach Kreml-Art: Größter Gefangenenaustausch seit Sowjetzeiten

Russland / Menschenhandel nach Kreml-Art: Größter Gefangenenaustausch seit Sowjetzeiten
Unter anderem sie kamen aus russischer Geiselhaft frei: der US-Journalist Evan Gershkovich (o.l.), der ehemalige US-Marineinfanterist Paul Whelan, die US-russische Journalistin Alsu Kurmasheva, sowie der russische Oppositionelle Wladimir Kara-Mursa Foto: AFP

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Es ist der größte Gefangenenaustausch seit den Zeiten der Sowjetunion: Moskau lässt den US-Reporter Evan Gershkovich, mehrere Deutsche und russische Kremlkritiker frei. Im Gegenzug bekommt der Kreml den „Tiergartenmörder“ Wadim Krassikow.

Nach und nach hagelt es am Donnerstagnachmittag Bestätigungen: Ja, Kevin Lick sei frei, schreibt die Unterstützergruppe des 18-jährigen Deutsch-Russen als Erstes. Der Jugendliche saß für vier Jahre wegen „Landesverrats“ in einer russischen Strafkolonie ein. Ja, schreibt kurz später das Wall Street Journal, Evan Gershkovich sei auf dem Weg nach Hause. Der US-Journalist war im März 2023 in Jekaterinburg verhaftet und erst vor zwei Wochen – in aller Eile – wegen angeblicher Spionage zu 16 Jahren Strafkolonie „strengen Regimes“ verurteilt worden. Die Eile lässt sich nun erklären. Gershkovich war genau die Geisel des Kreml, die dieser brauchte, um Wadim Krassikow, den sogenannten „Tiergartenmörder“, diesen Killer im Staatsauftrag, aus Berlin freizupressen.

Schließlich bestätigte auch Ankara, wo der größte Gefangenen-Deal seit den Sowjetzeiten sich abspielte, dass 26 Menschen ausgetauscht worden seien: 16 russische und ausländische Bürger, die in russischen Strafkolonien einsaßen, darunter auch der Deutsche, der in Belarus zur Todesstrafe verurteilt wurde, und zehn Russinnen und Russen, die von westlichen Gerichten zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt worden waren.

Für den Kreml ist der ausgehandelte Deal ein wahrer Gewinn. So zeigt er nach Innen, dass er sich zum einen für die, die ihm treu ergeben sind, einsetzt, zum anderen aber auch, dass er die, die er für unnötig hält im Land, aus diesem Land hinauswirft. Der Menschenhandel nach Kreml-Art rettet zwar den russischen Polit-Gefangenen regelrecht das Leben. Und doch wird manch einer von ihnen den Austausch als zusätzliche Strafe – zu der von russischen Gerichten verhängten – empfinden. Ohne dass sie es selbst entschieden hätten, werden sie vor vollendete Tatsachen gestellt, werden wie ein nasser Lappen weggeworfen, verlieren all das, wofür sie in ihrem – trotz allem Widerstand gegen die russische Regierung – geliebten Russland gekämpft hatten.

Eigentum des Staates

Neben Gershkovich fliegt auch Paul Whelan zurück in die USA. Der einstige amerikanische Infanterist war ebenfalls zu 16 Jahren wegen „Spionage“ verurteilt worden und saß seit vier Jahren in einer russischen Strafkolonie ein. Auch die russischen Oppositionspolitiker Wladimir Kara-Mursa und Ilja Jaschin, die sich seit ihrer Jugend für ein freies, liberales Russland einsetzen und als Oppositionelle im Land bleiben wollten, obwohl der Verbleib für sie immer gefährlicher wurde, stehen auf der Liste der Befreiten. Sie, wie auch der im Februar in einer Strafkolonie hinterm Polarkreis getötete russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny, wollten in Russland sein, sie wollten ihre Glaubwürdigkeit als Politiker nicht verlieren. Sie nahmen alles auf sich, auch die brutale russische Haft. Nawalny bezahlte seinen Kampf mit dem Leben.

Kara-Mursa hatte zwei Giftanschläge des russischen Geheimdienstes überlebt, lag zuletzt in einem Gefängniskrankenhaus in Omsk in Sibirien. 25 Jahre wegen Hochverrats bekam er im April 2023, ein Urteil wie zu Zeiten Stalins. Er hatte die russische Invasion in der Ukraine im Repräsentantenhaus in Arizona offen verurteilt und musste dafür büßen. Jaschin hatte in seinem YouTube-Kanal über die russischen Gräueltaten in Butscha berichtet und bekam 8,5 Jahre wegen „Falschaussagen über die russische Armee“. Mehrmals betonte er, auch bereits aus der Haft, dass er einem Gefangenenaustausch nicht zustimmen werde. Doch wer fragt ihn, wer fragt den Menschenrechtler Oleg Orlow, der wegen „Diskreditierung der russischen Armee“ für 2,5 Jahre in die Strafkolonie musste? Für den russischen Staat sind sie sein Eigentum, mit dem er alles machen kann, was er will. Wie wohl mit Alsu Kurmasheva, Andrej Piwowarow, Lilia Tschanyschewa, Xenia Fadejewa, Sascha Skotschilenko und noch fünf anderen politischen Gefangenen. Er hat sie eingesperrt, er hat sie nun des Landes verwiesen.

fraulein smilla
2. August 2024 - 14.12

Es kann doch niemanden ueberraschen ,dass der Tschekist Putin alles unternimmt um den Tscheckisten Krassikow aus dem Gefaengniss rauszuhauen .