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Forum / Nie wieder ist jetzt!
 Foto: Boris Roessler/dpa

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Wir schreiben den 14. September 1930, die NSDAP ist klarer Wahlsieger in Deutschland – sie steigert sich von 2,6% auf 18,3% der Stimmen und wird zweitstärkste Partei. Der SPD, seinerzeit stärkste Fraktion im Reichstag, ist klar: Keine Kompromisse und keine Koalitionen mit Nazis! Es ist der 31. Juli 1932, die NSDAP ist klarer Wahlsieger in Deutschland, sie steigert sich auf 37,4% der Stimmen. Somit ist sie stärkste Partei und demokratisch gewählt.

Da eine Koalitionsbildung aus verfassungstreuen Parteien nicht möglich war, löste Reichspräsident Paul von Hindenburg das Parlament auf und setzte Neuwahlen für den 6. November an. Da jedoch die erhoffte Konsolidierung der politischen Mitte auch bei diesen Wahlen ausblieb, stellten sich ähnliche Probleme bei der Regierungsbildung wie im Sommer, sodass die Regierung von Papens im Dezember abtreten musste und Kurt von Schleicher mit der Bildung einer funktionsfähigen Regierung betraut wurde. Doch auch dessen Anliegen, den „regierungsfähigen“ Teil der NSDAP in der Regierungsbildung zu berücksichtigen, scheiterte und endete mit seinem Rücktritt.

Folglich ernannte Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler und leitete somit selbst die Katastrophe ein. Alle Bemühungen von Deutschnationalen und Politikern der Zentrumspartei, Adolf Hitler und seine engsten Vertrauten in den Strukturen einer demokratischen Legislative an der kurzen Leine zu halten – man wollte sie „einrahmen“ –, sollten mit der Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933 krachend scheitern. Das Unheil hatte sich aus den Fesseln der Demokratie gelöst und konnte nach freiem Willen regieren.

Keine Zugeständnisse, keine Koalitionen

Wir schreiben den 1. September 2024, die AfD ist klarer Wahlsieger in Thüringen, sie steigert sich auf 32,8% der Stimmen und wird stärkste Fraktion im Landtag. Für alle Beteiligten ist klar: Keine Zugeständnisse an, geschweige denn Koalitionen mit Faschisten! Vom Verfassungsschutz bundesweit als „rechtsextremer Verdachtsfall“ und in fast allen neuen Bundesländern als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft, fiel die AfD unter ihrem faschistoiden Vorsitzenden Björn Höcke besonders in Thüringen durch ihre menschenverachtende Sprache, die auch vor verbotenen, nationalsozialistischen Parolen nicht zurückschreckte, auf. Der Ausschluss der freien Presse sowie das gelegentliche Zeigen des Hitlergrußes sind seit einiger Zeit auf den Wahlfeiern der AfD keine Seltenheit mehr. Selbst das Schreiben eines demokratiezersetzenden und menschenverachtenden Manifests scheinen heute viele mit stoischer Gelassenheit hinzunehmen …

„Was habt ihr damals getan?“, ist eine Frage, die in der heutigen Gesellschaft wie aus einem vergangenen Zeitalter anmutet. Die Frage, die die Generation unserer Vorfahren sich hat gefallen lassen müssen, scheint ihre Schatten nun auch ins 21. Jahrhundert zu schlagen. Doch genau auf die Beantwortung dieser Frage kommt es jetzt wieder an. Die Haltungsfrage ist so aktuell wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Bieten wir Nazis die Stirn? Sprechen, paktieren und koalieren wir mit Nazis oder nicht? Glücklicherweise ist man sich im Thüringer Landtag hierüber einig.

Schrecken der Geschichte verblasst

Andere Stimmen hört man hingegen aus Luxemburg. Einem Land, das bedeutend unter der Naziherrschaft gelitten hat – 5.700 Kriegstote bleiben zu beklagen. Doch entgegen aller Vernunft ist die ADR, in Person ihrer Präsidentin Alexandra Schoos, der Meinung, dass man mit Nazis zusammenarbeiten und koalieren sollte: „D’AfD soll natierlech kënne regéieren.“* Schoos spricht sich also für einen Regierungsauftrag für eine gesichert rechtsextreme Partei aus! Eigentlich unvorstellbar! Schoos erklärt weiter, sie sei ja immerhin demokratisch gewählt worden, also sei sie auch regierungstauglich. Man versucht zu beschwichtigen, indem man unterstreicht, dass die AfD erst mal ohnehin nicht allein regieren könne. Es sei daran erinnert, dass auch in der Vergangenheit keine absoluten Mehrheiten für eine politische Machtübernahme benötigt wurden.

Angesichts der aktuellen Entwicklungen scheint es, als ob die Schrecken der Geschichte im kollektiven Gedächtnis verblasst sind. Das Erstarken rechtsextremer Parteien und – viel schlimmer noch – die sich anbahnende Salonfähigkeit des einst Unsagbaren unterwandern die Politik und vergiften den gesellschaftlichen Diskurs. Die Distanzierung von rechtsextremem Gedankengut ist die Raison d’être unserer Demokratie, denn ohne diese leitet man unweigerlich selbst den demokratischen Suizid ein. Wenn die ADR dies nicht tut, zeigt sie bloß, wessen Geistes Kind sie ist. Es braucht eine Brandmauer gegen den Rechtsextremismus und wer versucht, diese mit geschichtsverdrehenden, rassistischen, pressefeindlichen und homophoben Äußerungen zu überwinden, läuft Gefahr, von nachfolgenden Generationen als Steigbügelhalter einer Ideologie und Weltanschauung gebrandmarkt zu werden, die wir einst mit den Worten „nie wieder!“ zu Grabe getragen haben …

* Invité vun der Redaktioun – Alexandra Schoos – 4.9.2024 – https://www.rtl.lu/radio/invite-vun-der-redaktioun/a/2228357.html

JJ
8. September 2024 - 13.08

Bravo. Und genau das ist die Gefahr an der Demokratie.Jeder Dussel darf einen Zettel abgeben.Und durch den Mist den wir über Internet und Handy ins Hirn geblasen bekommen wird die Chose nicht besser. Trumps Anhänger sind bestes Beispiel. Der White Trash,ohne jede Bildung,stürmt das Capitol und nennt sich Demokraten.