Luxemburg „Noch keine kritische Phase“ – Wirtschaft, Infrastruktur und fast 30.000 aktive Infektionen

Luxemburg  / „Noch keine kritische Phase“ – Wirtschaft, Infrastruktur und fast 30.000 aktive Infektionen
 Symbolbild: Sebastian Gollnow/dpa

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28.767 aktive Infektionen hat das Gesundheitsministerium am vergangenen Samstag gezählt. Ein Wert, der noch nie in Luxemburg erreicht wurde. 28.767 aktive Infektionen bedeuten also: 28.767 Menschen in Isolation – und einige Tausend weitere in Quarantäne. Wie hart trifft das Luxemburgs Wirtschaft und Infrastruktur? Im ersten Teil einer Reihe reden wir mit Protagonisten aus dem Gesundheitswesen, Energieversorgern und Arbeitgebern. 

Der höchste Stand der  „aktiven Infektionen“, den Luxemburg vor der Omikron-Welle erreicht hatte, lag bei 9.702. Diesen Wert meldete das Gesundheitsministerium am 10. November 2020. Mit der Omikron-Welle ist diese Zahl um das Dreifache gestiegen. Mit 28.767 aktiven Infektionen meldete die „Santé“ am vergangenen Samstag den bisherigen Höchstwert. Am Dienstag lag die Zahl nur leicht niedriger, bei 28.718. 28.718 Menschen müssen sich demnach derzeit isolieren, einige weitere Tausend sind in Quarantäne. Wie viele das am Dienstag genau sind, ist nicht klar. Die neuesten Zahlen über Menschen in Quarantäne finden sich nur im Corona-Wochenbericht des Gesundheitsministeriums. Im neuesten vom Mittwoch der vergangenen Woche wurden für die  Woche vom 10. bis zum 16. Januar 8.787 Personen in Quarantäne gemeldet, bei 22.625 Menschen in der Isolierung.

Luxemburgs Infrastruktur und Wirtschaft sind davon offenbar höchst unterschiedlich betroffen. Die Bankenvereinigung ABBL berichtet zwar von einer „erhöhten Abwesenheit wegen einer Infektion oder einer Quarantäne, oder weil Mitarbeiter ihre Kinder zu Hause unterrichten müssen“. Die Lage sei aber noch „nicht kritisch“, insbesondere da viele Geldhäuser das durch einen verstärkten Rückgriff auf Heimarbeit handhaben. Auf diese Lösung können aber nicht alle Protagonisten zurückgreifen. Ein Überblick. 

Pflege auf einer Station im CHdN: „Es mussten eine ganze Reihe nicht dringende Operationen umprogrammiert werden.“
Pflege auf einer Station im CHdN: „Es mussten eine ganze Reihe nicht dringende Operationen umprogrammiert werden.“ Foto: Editpress/Julien Garroy

Die Krankenhäuser des Landes bekommen die Auswirkungen von Omikron offenbar deutlich zu spüren. „Die Lage ist angespannt“, sagt ein Sprecher der Hôpitaux Robert Schuman. „Rund 100 Personen sind von Isolierung oder Quarantäne betroffen, was dazu geführt hat, dass Personal zurückgerufen bzw. Urlaub annulliert werden musste.“ Auch auf den Klinikbetrieb hat das Infektionsgeschehen Auswirkungen: „Es mussten eine ganze Reihe nicht dringende Operationen umprogrammiert werden. Auch kam es punktuell zur Schließung von Behandlungsräumen.“ Die Krankenhausgruppe konzentriere sich derzeit auf die Aufrechterhaltung der Grundaktivitäten, die Behandlung von Notfällen sowie die Betreuung chronisch kranker Patienten. Aber: „Noch ist keine kritische Phase erreicht.“

Auch beim CHEM macht sich die Omikron-Welle bemerkbar. „13 Prozent unserer Mitarbeiter sind derzeit nicht an ihrem Arbeitsplatz – wegen Isolation, Quarantäne oder dem ‚Congé pour raisons familiales’“, sagt ein Sprecher. Die Corona-bedingten Ausfälle hätten jedoch keine Auswirkungen auf die Versorgung und Pflege der  Patienten. Die Ausfälle würden intern kompensiert. „Das heißt, dass Mitarbeiter intern versetzt werden, um auf den von Ausfällen betroffenen Abteilungen auszuhelfen“, sagt der Sprecher. Dies bedeute einen erheblichen organisatorischen Aufwand für die einzelnen Abteilungen sowie für die Personalabteilung. Die Aufrechterhaltung des normalen Alltags sei bis jetzt aber noch nicht gefährdet. „Durch die interne Reorganisation, die Versetzung einzelner Mitarbeiter sowie kürzlich der Schließung einer Abteilung der Geriatrie sollen die Ausfälle weiterhin abgefedert werden.“ Die Reduzierung der Isolationsperiode sollte sich positiv auf die Ausfallrate auswirken. „Bei steigenden Zahlen müssen wir jedoch übergangsweise weitere Sonderanpassungen in Betracht ziehen“, erklärt der Sprecher. 

Das Nordkrankenhaus CHdN ist ebenfalls von Ausfällen betroffen – noch ist die Situation aber unter Kontrolle: „In der Tat hat es in den letzten Wochen vermehrte Ausfälle gegeben, am Dienstag vor einer Woche fielen Corona-bedingt im Pflegebereich 20 Personen aus, an diesem Dienstag sind wir bereits bei 32.“ 
Sollten die Zahlen weiter ansteigen, könne es durchaus zu einem Engpass kommen. „Eine konkrete Zahl kann ich hier nicht mitteilen, besonders einschneidend wäre allerdings ein Cluster auf einer Station, bei dem wir dann je nach Bereich kompensieren oder andere Lösungen ermitteln müssten“, sagt die Sprecherin. Momentan könne das Krankenhaus die Situation aber noch „managen“ – durch Wechseln von Personal aus anderen Stationen in solche mit Personalmangel und durch wenig Urlaub. 

Ein Feuerwehr-Fahrzeug vor dem CIS Luxembourg in der Route d’Arlon: „Weil die Abwesenheiten wegen Covid-19 überschaubar sind, brauchen wir derzeit keine Kompensationsmaßnahmen einzuführen.“
Ein Feuerwehr-Fahrzeug vor dem CIS Luxembourg in der Route d’Arlon: „Weil die Abwesenheiten wegen Covid-19 überschaubar sind, brauchen wir derzeit keine Kompensationsmaßnahmen einzuführen.“ Foto : Editpress-Archiv/Julien Garroy

Bei der Luxemburger Einsatzzentrale CGDIS ist die Lage derzeit etwas entspannter: „Wir hatten Perioden, in denen die Zahlen hochgegangen sind oder in denen wir den einen oder anderen Cluster hatten“, sagt ein Sprecher. „Momentan sind die Zahlen bei uns aber stabil – und seit der vergangenen Woche sogar leicht rückläufig.“ In der vergangenen Woche hätten 2,2 Prozent der Mitarbeiter wegen Quarantäne, Isolation oder „Congé pour raison familiales“ fehlen müssen. „Weil die Abwesenheiten wegen Covid-19 überschaubar sind, brauchen wir derzeit keine Kompensationsmaßnahmen einzuführen“, erklärt der Sprecher. Bereits vor zwei Jahren sei ein interner „Plan de continuité des activités“ erstellt worden und regelmäßig aktualisiert worden, damit landesweit die Feuerwehren immer imstande seien, sämtliche Einsätze zu meistern. Allerdings ginge es bei diesem Notfallplan nicht nur um Corona-Fälle bei den eigenen Mitarbeitern: „Es ist nicht nur die Zahl der Ausfälle, die wir in Betracht ziehen, sondern auch die Anzahl der Einsätze und vor allem der Covid-19-Einsätze.“ Ein Krankenwagen, der einen Covid-Patienten transportiert hat, sei danach für 90 Minuten wegen Desinfektion, Kleiderwechsel und Duschen indisponibel. „Das alles ist im Plan berücksichtigt worden“, betont der Sprecher. 

Creos-Transformatorstation bei Itzig: „Die Versorgungssicherheit wird durch Ausfälle aufgrund der Corona-Pandemie nicht beeinträchtigt.“
Creos-Transformatorstation bei Itzig: „Die Versorgungssicherheit wird durch Ausfälle aufgrund der Corona-Pandemie nicht beeinträchtigt.“ Foto: Editpress-Archiv/Isabella Finzi

Entwarnung gibt auch die Firmengruppe Encevo. Auswirkungen auf die Aufrechterhaltung des Arbeitsalltags gibt es laut einem Unternehmenssprecher sowohl bei der Muttergesellschaft als auch beim Tochterunternehmen, dem Energielieferanten Enovos, derzeit nicht. Zwar komme es „aufgrund der hohen Verbreitung von Covid-19“ auch bei den beiden Unternehmensteilen zu Ausfällen wegen Erkrankungen oder wegen Fällen im engeren Familienkreis der Mitarbeiter. Diese bewegten sich im Moment sowohl für Positiv-Fälle als auch für den „Congé pour raisons familiales“ im einstelligen Bereich. „Es ist uns auch wichtig, festzuhalten, dass es dank unseres Hygienekonzepts noch nicht zu innerbetrieblichen Ansteckungen gekommen ist“, sagt der Encevo-Sprecher.

Auch Netzbetreiber Creos, der zu Encevo gehört, vermeldet: „Die Versorgungssicherheit wird durch Ausfälle aufgrund der Corona-Pandemie nicht beeinträchtigt.“ 90 Prozent des Personals bei Creos sei geimpft, sagt ein Sprecher. „Deshalb musste Creos bisher keine Personalausfälle vermelden, die die Betriebsführung beeinträchtigen würden.“ Welche internen Maßnahmen getroffen würden, will der Sprecher aus „Sicherheitsgründen“ nicht kommunizieren. Das Unternehmen stelle „weiterhin sicher, dass alle Wartungs- und Reparaturarbeiten an den Energienetzen planmäßig durchgeführt werden“.

CFL-Zug am Luxemburger Hauptbahnhof: „Wir haben die Situation und vor allem auch die Covid-Entwicklung im Unternehmen genau im Blick.“
CFL-Zug am Luxemburger Hauptbahnhof: „Wir haben die Situation und vor allem auch die Covid-Entwicklung im Unternehmen genau im Blick.“ Foto : Editpress-Archiv/Alain Rischard

Die CFL kann weiterhin „alle Aktivitäten ohne Probleme aufrechterhalten“, berichtet eine Sprecherin der Luxemburger Staatsbahnen – obwohl auch dort die Ausbreitung der Omikron-Variante bemerkt würde. „Wir haben bei der Erstellung der Arbeits- und Schichtpläne in aller Voraussicht weitere Reserven mit eingeplant, um eventuelle Ausfälle in Verbindung mit Covid zu kompensieren“, erklärt die Sprecherin. „Für den Ernstfall und falls diese Reserven vollständig aufgebraucht wären, haben wir vorgesorgt und Notfallpläne ausgearbeitet.“ Diese würden es dem Transportunternehmen erlauben, seine Dienstleistungen „im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten“ so gut wie möglich weiter anzubieten. Derzeit würden die CFL-Züge und Busse demnach „wie geplant“ fahren. „Wir haben die Situation und vor allem auch die Covid-Entwicklung im Unternehmen genau im Blick, sodass wir im Zweifelsfall schnell reagieren können“, sagt die Sprecherin. 

Blick aufs Luxemburger Bankenviertel Kirchberg: „Die Pandemie hat immer wieder neue Überraschungen für uns parat.“
Blick aufs Luxemburger Bankenviertel Kirchberg: „Die Pandemie hat immer wieder neue Überraschungen für uns parat.“ Foto : Editpress-Archiv/Didier Sylvestre

Und wie schlägt sich Omikron auf die Privatwirtschaft nieder? „Die Pandemie hat immer wieder neue Überraschungen für uns parat“, sagt Jean-Paul Olinger, Direktor des Luxemburger Arbeitgeberverbandes UEL. Die Omikron-Welle zeige „spürbare Auswirkungen“ – im Gegensatz zu den am 15. Januar eingeführten 3G-Regelungen am Arbeitsplatz. Seitdem müssen Mitarbeiter nachweisen, dass sie entweder geimpft, genesen oder getestet sind, um in der Firma zu arbeiten. Aber: „Darauf konnten sich die Unternehmen vorbereiten“, sagt Olinger, und so den Mitarbeitern Wege eröffnen, dass sie beispielsweise nicht jeden Tag einen Check über sich ergehen lassen müssen. „3G am Arbeitsplatz hat im Endeffekt weniger Auswirkungen als Omikron“, sagt Olinger. „Wenn wir nicht Omikron hätten, wären wir in einer guten Situation.“

Einige Unternehmen hätten Schwierigkeiten, direkt beim Kunden ihre Arbeit zu leisten. „Man kann versuchen, es auf spätere Zeitpunkte zu legen“, sagt Olinger. Handwerker kämen dabei schnell an ihre Grenzen – andere Branchen können Mitarbeiter dagegen ins Homeoffice schicken. Betroffen seien dabei nicht nur Mitarbeiter, die selbst infiziert sind, sondern auch jene, die ihre Kinder wegen der Situation in den Schulen zu Hause betreuen müssen – und deshalb nicht arbeiten können.

Dennoch ist der Verbandschef vorsichtig optimistisch: „Mir ist noch nicht zu Ohren gekommen, dass Unternehmen lahmgelegt wurden.“ Nach einem steilen Anstieg bei den Infektionszahlen befinde man sich derzeit auf einem Plateau. „Wir müssen hoffen, dass wir durch das Gröbste durch sind“, sagt Olinger. Über die Regelungen an sich will sich Olinger kein Urteil erlauben. „Das sind erst mal Sachverhalte – wenn sich die Experten dazu entschlossen haben, gehe ich davon aus, dass das sanitär gegeben ist.“

Isolation, Quarantäne, Selbstüberwachung

Die Isolation gilt für Personen mit einer bestätigten Covid-19-Infektion. Sie müssen sich zu Hause isolieren. Die Isolation wird von der Gesundheitsdirektion für zehn Tage nach dem Auftreten der Symptome angeordnet. Bei asymptomatischen Personen beginnt die Isolation am Tag der Probeentnahme. Während dieser Zeit muss jeglicher Kontakt mit anderen Personen vermieden werden, und es muss immer dann eine chirurgische Maske getragen werden, wenn die infizierte Person sich in der Gegenwart anderer Personen befindet. Die Missachtung einer Isolationsmaßnahme wird mit einer Geldbuße bestraft. Die Isolation kann früher beendet werden, wenn die infizierte Person eine Booster-Impfung oder einen vollständigen Impfschutz hat, der vor weniger als sechs Monaten hergestellt wurde. Auch Menschen, die vor weniger als 180 Tagen von einer Infektion genesen sind, können abkürzen. Personen, die diese Kriterien erfüllen, können am fünften und sechsten Tag der Isolation jeweils einen Antigen-Schnelltest machen. Bei negativen Ergebnissen endet die Isolation am sechsten Tag.

Personen, die unter demselben Dach wohnen, und Personen, die eine intime Beziehung mit der positiv getesteten Person pflegen, müssen für sieben Tage in Quarantäne. Mit dieser Maßnahme soll vermieden werden, dass die infizierte Person, die ansteckend ist, die Infektion auf ihr Umfeld überträgt.

Eine Quarantäne gilt für Personen, die engen Kontakt zu einer Person hatten, die nachweislich infiziert ist – das heißt ein Kontakt von Angesicht zu Angesicht für mehr als 15 Minuten oder ungeschützten Körperkontakt. Geimpfte oder genesene Personen sind im Falle eines Kontaktes mit einer infizierten Person von der Quarantäne befreit. Alle anderen müssen ab dem letzten Kontakt mit der infizierten Person sieben Tage lang zu Hause bleiben. Falls erforderlich, stellt die Gesundheitsinspektion eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus. Während dieses Zeitraums muss jeder ungeschützte Kontakt zu anderen Menschen vermieden werden. Ab dem sechsten Tag können sich die Betroffenen freitesten lassen. In den folgenden sieben Tagen müssen sie sich aber selbst überwachen und eine Maske tragen, sobald sie in Kontakt mit anderen Menschen sind. Sollten Symptome auftreten, müssen sie sich umgehend einem weiteren Test unterziehen und sich in Isolation begeben. Die Missachtung der Quarantäne wird mit einer Geldbuße geahndet.

Die Selbstüberwachung dauert 14 Tage und gilt für Personen, die Kontakt mit geringem Ansteckungsrisiko zu einer Person hatten, deren Infektion bestätigt ist. Die Selbstüberwachung dient der Identifizierung von Infektionssymptomen ab deren erstmaligem Auftreten. Die sich selbst überwachende Person misst zweimal täglich ihre Temperatur, muss sicherstellen, dass sie weder Atemwegsprobleme noch Husten hat, und kann ihren normalen Aktivitäten nachgehen.

Quelle: Covid19.lu