HesperingenOpposition kritisiert Interessenskonflikt bei rezenter Personalentscheidung

Hesperingen / Opposition kritisiert Interessenskonflikt bei rezenter Personalentscheidung
Wieder wittert die Opposition einen Skandal Foto: Philippe Reuter/Revue

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Eine Person mit familiären Beziehungen zu Bürgermeister Marc Lies erhält einen hohen Posten in der Gemeindeverwaltung. Die Oppositionsparteien haben schriftlich Beschwerde bei Innenminister Léon Gloden und Familienminister Max Hahn gegen die Personalentscheidung eingelegt. Die ernannte Koordinatorin für den Gemeindepakt verfüge weder über das nötige Diplom noch über die nötige Erfahrung.

Laut der Ausschreibung für den Posten des Koordinators für den Gemeindepakt („Pacte communal du vivre-ensemble interculturel“, Laufbahn A2) sollte die Person ein Bachelor-Diplom im Bereich der Sozial- oder Erziehungswissenschaften besitzen. Die zurückbehaltene Kandidatin habe jedoch ein Hoteldiplom, mit einer Spezialisierung im Verkauf und Marketing, liest man in dem Brief, der gestern an die Presse ging.

Weitere Bedingungen für den Posten seien eine Berufserfahrung von mindestens drei Jahren in einem vergleichbaren Umfeld, wie z.B. Sozialarbeit oder interkulturelles Zusammenleben, sowie eine gute Kenntnis der diesbezüglichen Gesetzgebung. Die Prüfung des Dossiers habe aber gezeigt, dass die Kandidatin diese Bedingungen nicht erfülle.

Es sei dann auch relevant, dass die Kandidatin mit dem Bürgermeister verwandt sei, zudem sei dieser direkt für den Arbeitsbereich der Koordinatorin verantwortlich. Es bestehe ein möglicher Interessenkonflikt, der dem Prinzip der Unparteilichkeit und der nötigen Transparenz bei einer Einstellung entgegenstehe.

Mathis Godefroid (Piraten) verweist in diesem Zusammenhang auf den Artikel 20 des Gemeindegesetzes, der Vetternwirtschaft unterbinden soll. Der Bürgermeister habe zwar bei der Abstimmung im Gemeinderat am 12. Juli den Saal verlassen, seines Wissens sei er aber beim Vorstellungsgespräch anwesend gewesen, was nicht zulässig sei.

Vetternwirtschaft?

Laut Stephen De Ron („déi gréng“) waren in den Dokumenten, die der Gemeinderat vor jeder Sitzung erhält, die Bewerbungen der anderen Kandidaten nicht enthalten: „Wir mussten uns die erst anfragen.“ Dabei habe man festgestellt, dass der eine oder andere Kandidat durchaus im Besitz eines der geforderten Diplome gewesen sei. Auch habe man gesehen, dass das Dossier der besagten Kandidatin gar nicht komplett gewesen sei. Da sie ihr Diplom in der Schweiz erhalten habe, habe eine Äquivalenz gefehlt, die in dem Fall aber erforderlich sei.

„Wir wollen nicht eine Person bestrafen, nur weil sie eine Verwandte des Bürgermeisters ist, kritisieren aber, dass nicht alle geeigneten Kandidaten zu einem Vorstellungsgespräch gebeten wurden.“ In einem Fall wie diesem müsse sichergestellt sein, dass die Person auch wirklich die beste Kandidatin für den Posten ist, ansonsten schnell der Vorwurf der Vetternwirtschaft laut werde. In Zeiten, wo viel von Politikverdrossenheit die Rede ist, dürfe es diesbezüglich keine Zweifel geben.

Auf die Argumente der Opposition sei der Schöffenrat nicht eingegangen, sagt De Ron. Stattdessen habe der Schöffenrat argumentiert, dass in Luxemburg eh jeder jeden kenne. Man könne also nie ausschließen, dass ein Bekannter oder Verwandter eingestellt werde. „Das war vielleicht vor 20 Jahren noch so, aber mittlerweile leben mehr als 650.000 Menschen im Land“, sagt De Ron. „Wenn sich kein geeigneter Kandidat für einen Posten meldet, dann muss die Stelle neu ausgeschrieben werden. In der rezenten Veruntreuungsaffäre hat die DP in der Opposition jahrelang mehr Transparenz gefordert, und nun?“

Mehrheit uneinig

Zumindest eine Person aus den Reihen von CSV/DP muss die Sache auch so gesehen haben wie die Opposition; bei der Abstimmung habe sich ein Mitglied der Mehrheit enthalten.

Sowohl Stephen De Ron als auch Mathis Godefroi erinnern sich allerdings an folgende Aussage eines DP-Mitglieds: „Wegen so einer Bagatelle sprengen wir doch nicht die Koalition.“

Der Erste Schöffe Claude Lamberty (DP) sieht die Sache gezwungenermaßen etwas anders. Es sei lediglich ein Bachelor-Diplom für den Posten verlangt gewesen, mehr nicht, unterstreicht er. Die Bewerbung der Kandidatin sei vom Personalbüro als zulässig angesehen worden, und so habe man als Schöffenrat die Kandidatin in gutem Gewissen interviewt. In dem Vorstellungsgespräch habe sie sich dann als Geeignetste erwiesen. „Es ist definitiv keine Mauschelei, man kann der Kandidatin ihre familiäre Nähe zum Bürgermeister doch nicht vorwerfen.“

Es ist nicht das erste Mal, dass die Hesperinger Opposition beim Innenminister Beschwerde wegen einer fragwürdigen Personalentscheidung einreicht. Im Juli 2019 protestierte sie (die DP war damals auch in der Opposition) gegen die Ernennung einer Innenarchitektin auf einen Architektenposten. Die damalige Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) gab der Beschwerde recht. Die Gemeinde änderte daraufhin aber die Bedingungen für den Posten, und die besagte Frau konnte doch eingestellt werden.

Grober J-P.
16. Juli 2024 - 21.03

Vetternwirtschaft? Was für ne komische Frage. Manchmal kommt man aus den Staunen nicht mehr raus.