Nouveau Front PopulairePfannkuchen-Picknick gegen Faschisten: Thionville bereitet sich auf französische Wahlen vor

Nouveau Front Populaire / Pfannkuchen-Picknick gegen Faschisten: Thionville bereitet sich auf französische Wahlen vor
Gerüstet für den Kampf gegen die Chauvinisten und bereit für die „lutte finale“ Foto: Sidney Wiltgen

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Thionville bereitet sich auf die französischen Parlamentswahlen vor. Auch hier haben sich die progressiven Parteien unter dem Banner des Nouveau Front Populaire zusammengeschlossen, um sich dem rechtsextremen Rassemblement national entgegenzustellen. Auch Luxemburger solidarisieren sich. Ein Besuch vor Ort.

Von den mehrstöckigen Reihenhäusern ringsum schallt das Echo wieder zurück auf die grüne Wiese. Gaëlle steht inmitten von aufgerichteten Biergarnituren, Parkbänken und Zelten und heizt die versammelten Zuhörer mit Megafon auf die kommenden französischen Wahlen ein. Es sind Warnungen vor dem sich breit machenden Rechtsextremismus, einem möglichen Wahlsieg des Rassemblement National und den steigenden Ressentiments gegen Ausländer und Andersdenkende, die über den Picknick-Platz schallen. „Pas de fachos dans nos quartiers“, skandiert die La France Insoumise-Militantin abschließend über den Platz. Die vor Ort versammelten Militanten skandieren den Schlachtruf zurück und applaudieren begeistert.

„Hasta Siempre, Comandante Che Guevara“ wurde in großer Runde angestimmt.
„Hasta Siempre, Comandante Che Guevara“ wurde in großer Runde angestimmt. Foto: Sidney Wiltgen

In Thionville versammelt sich am Sonntagnachmittag eine breite Palette an Linken-Aktivisten. Ob Kommunisten, Anhänger der La France Insoumise, Grüne oder Sozialisten – seit den Europawahlen herrscht zwischen der traditionell zerstrittenen Linken in Frankreich ein Nichtangriffspakt. Sogar ein katholischer Priester ist unter den Anwesenden anzutreffen. Unter einem Bündnis Nouveau Front Populaire wollen sie eine breite linke Front gegen den Rassemblement national bei den kommenden Parlamentswahlen in Frankreich bilden. Dafür zählen die in der Grenzregion ansässigen Linken-Aktivisten auch auf die Mithilfe aus Luxemburg.

Geeinte Gauche

Diese sind am Luxemburger Nationalfeiertag weniger zahlreich erschienen, als bei der Protestaktion am vergangenen Dienstag. Der Stimmung tut das unter den rund 30 versammelten Aktivisten keinen Abbruch. Dafür sorgen Pfannkuchen mit selbstgemachter Mirabellen-Marmelade, ein Salat-Buffet und gleißender Sonnenschein. Vincent heißt der zweite Koordinator der Sektion Thionville von La France Insoumise. Vincent bringt es gegenüber dem Tageblatt auf den Punkt, was alle an diesem Nachmittag in Thionville verbindet. „Ich hätte mich nicht mehr in den Spiegel schauen können, wenn der Rechtsextremismus gewinnt und ich mich nicht gewehrt hätte“, sagt der Co-Koordinator von Gaëlle.

Die Kandidatin Brigitte Vaisse, sozialistische Gemeinderätin aus Thionville, die in seinem Wahlbezirk an den Start geht, entspräche demnach auch nicht ganz seiner politischen Linie. Das sei angesichts der Gefahr eines Rassemblement national aber zweitrangig. Insgesamt herrscht im Picknick-Lager eine ausgelassene Stimmung, Kommunisten singen mit Mitgliedern von La France Insoumise „Hasta Siempre, Comandante Che Guevara“ und die Internationale, die auf keinem Linken-Treff fehlen darf. Auch ein anti-systemischer Rap wird live zum Besten gegeben. Es scheint, als habe der Rassemblement national das geschafft, was nur wenige für möglich gehalten hätten: die französische Gauche geeint. Trotz Palästina-Aufklebern und dem kurzen Aufflammen vereinzelter Diskussionen über Genozid, antikolonialistische Juden und Zionismus ist der Fokus derzeit voll nach rechts gerichtet.

Raquel Luna im Gespräch mit einem Mitglied der indischen kommunistischen Partei
Raquel Luna im Gespräch mit einem Mitglied der indischen kommunistischen Partei Foto: Sidney Wiltgen

Raquel Luna hat neben der mexikanischen auch die Luxemburger Nationalität. Sie ist eine der wenigen Luxemburger, die den Weg nach Thionville gefunden haben. Sie solidarisiert sich am Sonntagnachmittag am Gasherd und versorgt die anwesenden Sympathisanten mit frischen Pfannkuchen. „Es ist schon besorgniserregend, wie die Rechtsextremen in ganz Europa an Aufschwung gewinnen“, sagt Raquel. Sie sei erstaunt, dass sich nicht in mehr EU-Staaten Widerstand dagegen rechts regen würde, als dies aktuell der Fall sei. Und auch zu Luxemburgs Premierminister hat sie ihre Meinung. „Luc Frieden meinte nach den Europawahlen, dass die Auflösung der ‚Assemblée nationale’ durch Emmanuel Macron ein mutiger Schritt gewesen sei …“

Eine Interpretation, mit der sie nicht einverstanden ist. „Wo ist denn bitte darin die Logik?“

Der Grund für das Erstarken des Rechtsextremismus in Thionville ist an diesem Nachmittag schnell gefunden. Die von Emmanuel Macron propagierte neoliberale Politik wird am häufigsten als Ursache genannt. Ähnlich sieht das auch Bertrand Tomasini, Sekretär der kommunistischen Partei in Thionville. „Der Rassemblement national hat es geschafft, sich als eine demokratische Partei nach außen zu verkaufen“, sagt Tomasini. Man müsse jedoch klar sehen, dass in dem Fall nicht alles Gold sei, was glänze. „Die kennen nur ein Thema, nämlich Immigration.“

Ein Banner an einem angrenzenden Fußballplatz klärt interessierte Passanten über das Ziel des Picknicks auf
Ein Banner an einem angrenzenden Fußballplatz klärt interessierte Passanten über das Ziel des Picknicks auf Foto: Sidney Wiltgen

Während am angrenzenden Bolzplatz die Kinder der Umgebung vom in diesem Jahr raren Sommerwetter profitieren, trudeln nach und nach immer mehr Leute am Picknick-Platz ein. Einer davon ist Fouad Fourji. Fouad engagiert sich seit den 80er Jahren in antirassistischen Bewegungen und ist besonders bei den marrokanisch- und algerischstämmigen Einwohnern in Thionville bekannt. Er fasst die politische Stimmung folgendermaßen zusammen: „Ich habe noch am Wahlabend Telefonate von jungen Menschen bekommen, die zwar hier geboren sind, deren Eltern jedoch aus Algerien oder Marrokko stammen“, erzählt Fouad. Sie hätten ihn gebeten, algerische oder marokkanische Pässe zu organisieren – man wolle für den Fall der Fälle bereit sein. Das alles sei auf die Anti-Immigrations-Rhetorik der Rechtsextremen zurückzuführen. „Neoliberale Politik hat dazu geführt, dass Schulen schließen und Menschen das Geld fehlt. Und dafür sollen die Ausländer, die Frankreich als Arbeitskräfte eingeführt hat und die den Reichtum des Landes mitaufgebaut haben, nun Schuld sein?“

„Il est trop tard pour être pessimiste“, meint Flo Weimerskirch. Die Luxemburgerin hat zusammen mit Brice Montagne die Plattform ins Leben gerufen, die seit den Europawahlen versucht, dies- und jenseits der Grenze Wähler zu mobilisieren. Sie übt sich trotz Umfrageergebnissen in Zweckoptimismus und hofft, dass die Anstrengungen reichen. Graue Wolken sind über dem Picknick-Platz zusammengezogen. Zwei Gruppen ziehen los, um mit Flyern in den anliegenden Wohnblöcken Werbung für den Front Populaire zu machen. Die Zelte werden die Linken-Aktivisten so schnell nicht abbrechen. Dafür steht einfach zu viel auf dem Spiel.

Grober J-P.
24. Juni 2024 - 16.03

@ fraulein smilla / Sie haben noch einen weiteren Messias vergessen, der mit dem tausendjährigen Reich! Messiasse gab es schon etliche, leider immer Fehlversuche.

fraulein smilla
24. Juni 2024 - 9.34

Man kann doch nur hoffen dass der Posterboy Che Guevara " der gescheiterte Messias der Weltrevolution ",der ohne mit der Wimper zu zucken Abweichler liquidieren liess kein Vorbild fuer den NFP ist .