Gaza-KriegPhiladelphi-Korridor: Knackpunkt in Verhandlungen um Waffenruhe

Gaza-Krieg / Philadelphi-Korridor: Knackpunkt in Verhandlungen um Waffenruhe
Israelische Soldaten im Einsatz im Gazastreifen Foto: AFP

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Als „letzte Chance“ hat US-Außenminister Antony Blinken die Verhandlungen zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas über eine Waffenruhe im Gazastreifen bezeichnet, die in dieser Woche in der ägyptischen Hauptstadt Kairo fortgesetzt werden sollen. Eine Einigung zeichnet sich bislang allerdings noch nicht ab.

Knackpunkt ist der sogenannte Philadelphi-Korridor an der Grenze des Gazastreifens zu Ägypten. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu besteht auf einer israelischen Kontrolle dieses Grenzstreifens, die Hamas verlangt dagegen den vollständigen Rückzug aller israelischen Truppen aus dem Palästinensergebiet.

Die israelische Armee hatte den rund 14 Kilometer langen Philadelphi-Korridor im Mai unter ihre Kontrolle gebracht. Die mit Stacheldraht gesicherte Patrouillenstraße erstreckt sich entlang der Grenze zu Ägypten und ist an ihrer schmalsten Stelle etwa 100 Meter breit. Israel bezeichnet die Route als Philadelphi-Korridor, in Ägypten und bei den Palästinensern wird sie Salaheddin-Korridor genannt.

Geschaffen wurde der Korridor während der israelischen Besatzung des Gazastreifens zwischen 1967 und 2005. Der ursprüngliche Gedanke dabei war die Schaffung einer leicht zu kontrollierenden Sicherheitszone an der Grenze, da sowohl Israel als auch Ägypten ein illegales Eindringen und Schmuggel in das Palästinensergebiet befürchteten. Um Platz zu schaffen, mussten einige Häuser abgerissen werden.

Nach dem Rückzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen im September 2005 stellte Ägypten eine Grenzschutztruppe mit rund 750 Personen auf. Auf palästinensischer Seite setzte der damals im Gazastreifen regierende Präsident Mahmud Abbas Wachen zur Sicherung des Korridors ein.

2007 übernahm die radikalislamische Hamas die Macht im Gazastreifen – und das Grenzgebiet wurde zunehmend zum Ort für den Schmuggel von Waffen, Fahrzeugen, Zigaretten und sogar Lebensmitteln. Dazu dienten Hunderte von Tunneln, die unter dem Philadelphi-Korridor gegraben wurden. Nach Angaben internationaler Organisationen nutzten zahlreiche bewaffnete Kämpfer diese unterirdischen Routen, aber auch Zivilisten wurden darüber etwa zu Arztterminen oder Hochzeiten geschmuggelt.

Für die Palästinenser waren die Tunnel eine Möglichkeit, die israelische Land-, See- und Luftblockade zu umgehen, die nach der Machtübernahme durch die Hamas über den gesamten Gazastreifen verhängt wurde. Nach dem Amtsantritt des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi im Jahr 2013 ließ Kairo viele der Tunnel zerstören.

Seit dem Beginn des am 7. Oktober durch den brutalen Überfall der Hamas auf Israel ausgelösten Gaza-Kriegs hat Israel immer wieder die strategische Bedeutung des Grenzstreifens für die Einfuhr von Waffen in den Gazastreifen betont. „Der Philadelphi-Korridor muss in unserer Hand sein. Er muss geschlossen werden“, sagte Israels Regierungschef Netanjahu Ende Dezember. Jede andere Vereinbarung werde nicht die von Israel angestrebte Entmilitarisierung des Gazastreifens sicherstellen.

Protest gegen solche Äußerungen kommt aus Ägypten. Eine Besetzung des Korridors durch Israel sei durch ein Abkommen zwischen beiden Ländern „verboten“ und stelle sogar eine Verletzung des israelisch-ägyptischen Friedensvertrags von 1979 dar, sagte der Leiter des staatlichen Kommunikationsdienstes, Diaa Rashwan. Das von den USA vermittelte Abkommen war der erste Friedensvertrag zwischen Israel und einem arabischen Land.

US-Außenminister Antony Blinken derweil musste ohne eine Einigung auf eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung von dort festgehaltenen Geiseln aus dem katarischen Doha abreisen. Blinken warnte Israel und die Hamas vor seiner Abreise am Dienstagabend, ein Abkommen müsse zustande kommen, „und zwar in den kommenden Tagen“.