Rotes Kreuz„Riicht Eraus“ berät Täter häuslicher Gewalt

Rotes Kreuz / „Riicht Eraus“ berät Täter häuslicher Gewalt
Laurence Bouquet, Direktionsbeauftragte von „Riicht Eraus“ Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Aus der Gewaltspirale heraus können Täter nur kommen, wenn sie sich des Schadens, den sie anrichten, bewusst werden. Unterstützung finden sie bei der Beratungsstelle „Riicht Eraus“ vom Roten Kreuz.

1.057-mal war die Polizei 2023 in Fällen häuslicher Gewalt im Einsatz (s.T. vom 26.6.2024): In 246 Fällen wurden die Täter (221 Männer und 25 Frauen) auf Anordnung der Staatsanwaltschaft aus ihren Wohnungen verwiesen.

Bereits seit 2004 können sich Täter und Täterinnen bei „Riicht eraus“ beraten lassen; sie können entweder auf richterliche Anordnung dorthin verwiesen werden oder die Beratungsstelle freiwillig aufsuchen, wenn sie selbst ein Gewaltrisiko bei sich sehen oder gewalttätig geworden sind. Mutmaßliche Täter, die von der Polizei aus der gemeinsamen Wohnung verwiesen wurden, werden aufgefordert, innerhalb von 14 Tagen wenigstens einen Termin bei „Riicht Eraus“ zu vereinbaren.

Der Begriff häusliche Gewalt umfasst ein breites Spektrum an Verhaltensstörungen, erklärt Laurence Bouquet, Direktionsbeauftragte von „Riicht Eraus“ und selbst auch Beraterin. „Das reicht von sogenannter ‚leichter Gewalt‘, zum Beispiel jemanden physisch daran hindern, wegzugehen, bis hin zu Schlägen ins Gesicht mit Verletzungen.“ Der Grad einer Arbeitsunfähigkeit beeinflusse später das eventuelle Strafmaß.

Wir haben uns zum Gespräch in ihrem Büro getroffen. Es ist hell und komfortabel. „Die Atmosphäre hier soll bewusst nicht an ein Polizeirevier erinnern“, sagt die Beraterin. Orte, wo Täter über ihre Taten wie häusliche Gewalt reden könnten, gebe es nicht viele. „Es mögen vielleicht Täter sein, aber es sind auch Menschen, und wir verurteilen niemanden.“

Unsere zwei Stühle stehen so weit wie möglich voneinander entfernt, wie das kleine Büro es erlaubt. Es sei die gleiche Distanz, die sie bei Gesprächen mit Klienten bewahre, sagt Laurence. „Ein Teil ihrer Arbeit ist es, Grenzen beim Gegenüber zu erkennen, und diese zu respektieren.“ Die Gespräche könnten manchmal sehr emotional sein und die betroffene Person kann gereizt reagieren. „Wir wissen, dass diese Form der Aggressivität nicht gegen uns gerichtet ist, aber eine räumliche Distanz ist dabei wichtig.“

Selbstreflexion statt Verleugnung

Die Klienten werden ermutigt, über ihre Taten nachzudenken, anstatt sie zu verleugnen: Sie sollen lernen, Verantwortung dafür zu übernehmen und im Idealfall ihr Verhalten zu ändern. „Eine jahrelange Verhaltensweise zu ändern, ist zwar sehr schwierig, aber machbar.“

Deshalb ist Verantwortung in solchen Fällen zu übernehmen etwas, was anfangs vielen schwerfällt. „Seine Taten zu minimieren, ist ein sehr menschliches Verhalten. Menschen machen alles, um sich nicht für etwas schämen zu müssen.“ Deshalb suchten die Täter oft nach Entschuldigungen und Erklärungen für ihr Handeln in der Verhaltensweise des Partners.

Gewalt sei immer eine Wahl, egal, wie oder wo man erzogen wurde. „Man spricht oft von einer Gewaltspirale, aber jeder kann selbst entscheiden, aus dieser Spirale auszubrechen, deshalb auch der Name ‚Riicht Eraus’. Wir sehen unsere Arbeit als Hilfe zur Selbsthilfe; die meisten unserer Klienten haben sich schon die gleichen Fragen gestellt, mit denen wir sie offen konfrontieren, ehe sie zu uns kommen. Und diejenigen, die freiwillig zu uns kommen, wissen schon im Voraus, was sie hören wollen.“

Klienten, die ihr gewalttätiges Verhalten überhaupt nicht infrage stellen, seien die Ausnahme. „In den 16 Jahren meiner Tätigkeit hier kann ich mich bloß an einen solchen Fall erinnern“, sagt Bouquet.

Wie lange ein Täter bzw. Täterin Beratungen von „Riicht Eraus“ in Anspruch nehmen wird, hängt von Fall zu Fall ab. Manche Kunden kommen ein paar Monate, manche bis drei Jahre. In der Regel sei Schluss, wenn der Berater sieht, dass der Kunde Konflikte gewaltlos regeln kann.

*Der Titel „Rësel dech, net deng Léifst“ entstammt einer Präventionskampagne gegen häusliche Gewalt von Riicht Eraus. Adresse: 13, rue de Bragance, Luxemburg-Stadt. Weitere Infos unter der Telefonnummer 27 55 58-00 und per E-Mail an riichteraus@croix-rouge.lu