GroßbritannienRishi Sunak übernimmt als britischer Premier und will „das Vertrauen zurückgewinnen“

Großbritannien / Rishi Sunak übernimmt als britischer Premier und will „das Vertrauen zurückgewinnen“
Ungewöhnlich für einen neuen Regierungschef kam der indischstämmige Sunak allein zur Audienz beim Monarchen Foto: AFP/Aaron Chown

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Der neue britische Premier Rishi Sunak wirft seiner Vorgängerin Liz Truss vor, Fehler gemacht zu haben. Sein Kabinett bildet er umfangreich um. Die Briten machen sich derweil wenig Hoffnung auf Besserung.

Mit ernster Miene hat Großbritanniens neuer Premierminister seinem Land harte Zeiten angekündigt. Die „ökonomische Stabilität“ werde im Mittelpunkt seines Regierungshandelns stehen, sagte Rishi Sunak am Dienstag vor seinem Amtssitz in der Downing Street Nummer Zehn. Dazu seien „schwierige Entscheidungen“ nötig.

Unmissverständlich machte der konservative neue Premier Rishi Sunak seine Vorgängerin und Parteifreundin Liz Truss für den Ernst der Lage mitverantwortlich. Gratulanten der Opposition und aus dem Ausland würdigten die Tatsache, dass mit Sunak erstmals ein Nicht-Weißer den wichtigsten Regierungsposten der sechstgrößten globalen Volkswirtschaft erlangt hat.

Wie verlief die Machtübergabe?

Reibungslos und binnen weniger Stunden, wie es auf der Insel üblich ist. Die scheidende Regierungschefin scharte morgens nochmals ihr Kabinett um sich, ehe sie vor der berühmten schwarzen Tür mit der Nummer Zehn ihre Abschiedsansprache hielt. Wie bisher vermied die 47-Jährige auch diesmal jede Entschuldigung für die schwere Finanzkrise der vergangenen Wochen. Anschließend fuhr sie im Oktober-Sonnenschein mit ihrem Mann Hugh und den beiden Töchtern im Regierungs-Landrover zum Buckingham-Palast, um König Charles III. ihren offiziellen Rücktritt mitzuteilen. 20 Minuten später verließ die Familie den Palast im Privat-Fahrzeug durch einen Hinterausgang.

Unterdessen waren die Möbelpacker in der Downing Street damit beschäftigt, die Habseligkeiten der Familie aus dem Weg zu schaffen für den neuen Bewohner. Ungewöhnlich für einen neuen Regierungschef kam der indischstämmige Sunak allein zur Audienz beim Monarchen; auch später zeigten sich weder seine Frau, die Modedesignerin Akshata Murty, noch die beiden halbwüchsigen Töchter der Weltöffentlichkeit. Nach seiner sechsminütigen Ansprache blieb Sunak kurz auf der Schwelle seines Amtssitzes stehen, winkte für die Fotografen, vermied aber jedes Lächeln. Jenseits der ernsten Worte zuvor hätte die Symbolik seines Auftrittes deutlicher kaum sein können.

Ich bin auch deshalb im Amt, um diese Fehler zu korrigieren

Rishi Sunak über das politische Vermächtnis seiner Vorgängerin Liz Truss

Was meint Sunak, wenn er von „schwierigen Entscheidungen“ spricht?

Geringere Staatsausgaben, weniger Hilfe für die Bürger, ein weiterhin sinkender Lebensstandard. Die „tiefe ökonomische Krise“ seines Landes führte der frühere Finanzminister auf mehrere Faktoren zurück, angefangen mit der Covid-19-Pandemie. Zudem habe Russlands Überfall auf die Ukraine nicht nur die Energiepreise in die Höhe getrieben, sondern auch Lieferketten weltweit durcheinandergewirbelt. Offen sprach der neue Regierungschef aber auch über „Fehler“ seiner Vorgängerin Liz Truss: „Ich bin auch deshalb im Amt, um diese Fehler zu korrigieren.“

In der sonst häufig elliptischen, mit eleganten Anspielungen spielenden politischen Sprache des Landes war diese Schuldzuweisung ebenso ungewöhnlich klar wie realistisch: Für alle Welt offenkundig hatten Truss und ihr Schatzkanzler Kwasi Kwarteng die Wirtschaftsprobleme des Landes mutwillig vergrößert, indem sie ein Schulden-finanziertes Steuersenkungspaket im Umfang von 45 Milliarden Pfund ankündigten. Die darauf schlecht vorbereiteten Finanzmärkte reagierten extrem negativ: Das britische Pfund rauschte in den Keller, die Zinsen für Staatsanleihen schnellten in die Höhe. Die Bank of England musste einspringen, um den Kollaps Milliarden-schwerer Pensionsfonds zu verhindern, die wegen ihrer waghalsigen Finanztricks in Schwierigkeiten geraten waren.

Kann Sunak seine Partei hinter sich versammeln?

Hinweise darauf dürfte die Kabinettsliste geben, die sich erst spät am Tag abzeichnete. Ein wichtiges Signal an die Finanzmärkte stellt die Wiederberufung von Jeremy Hunt als Schatzkanzler dar. In ihre bisherigen Ämter kehren auch die Johnson-Loyalisten James Cleverly (Außen) und Ben Wallace (Verteidigung) und die Innenministerin Suella Braverman von der harten Partei-Rechten zurück. Ausdrücklich hatte der neue Premier angekündigt, er wolle einen schweren Fehler seiner beiden Vorgänger vermeiden und nicht ausschließlich wenig kompetente Loyalisten benennen.

Wie geht der neue Mann mit den drei Ex-Premiers auf den Hinterbänken der Tory-Fraktion um?

Als untergeordneter Wohnungsbau-Staatssekretär diente Sunak der glücklosen Regierungschefin Theresa May (2016-19) stets loyal; umgekehrt dürfte auch die 66-Jährige ihren Nachfolger nach Kräften unterstützen. Hingegen ist der ehrgeizigen und von Selbsterkenntnis offenbar unangekränkelten Liz Truss zuzutrauen, sie werde auf den Hinterbänken eine Anti-Sunakgruppe um sich versammeln.

Während Truss‘ komplettes Scheitern eine längere Pause von wichtigen Positionen nach sich ziehen dürfte, wird Boris Johnson als möglicher Cheerleader für die weitere Ukraine-Hilfe gehandelt. Sunak würdigte die „Wärme und Großzügigkeit“ des Ex-Premiers; ein Treffen der beiden möglichen Kandidaten war am Samstag ergebnislos verlaufen.

Und wie sehen die Briten ihren neuen Premierminister?

Überwiegend negativ, wenn man einer Umfrage der Firma YouGov trauen darf. Die seit zwölf Jahren regierenden Torys liegen um rund 30 Prozent hinter der Labour-Party, deren Vorsitzender Keir Starmer erneut umgehende Neuwahlen forderte. Die Boulevardblätter schreiben gern von „Rich Rishi“ – Anspielung auf den immensen Reichtum des Politikers und seiner Familie.