
„Dir gitt jo eens.“ Noch bevor Cédric und ich überhaupt kapiert hatten, ob das eben Gehörte eine Frage oder doch nur eine Feststellung war, standen wir schon allein am Stand, öffneten die ersten Flaschen und rochen dabei am Korken, als ob wir Ahnung hätten. Ob wir so einen verkorkten Wein erkannt hätten? Wohl eher nicht. Aber wir hatten zumindest den Willen – und darauf kommt es doch an.
Eigentlich waren wir ja zur „Fête des vins et crémant“ gekommen, um uns als angehende Winzer schlauzumachen. Einige von ihnen hatten schon gehört, dass wir von der Tageblatt-Redaktion uns als Winzer versuchen wollen und boten uns prompt ihre Unterstützung an – ein Angebot, auf das wir sicherlich noch zurückkommen werden. Doch an diesem Tag ging es uns um etwas anderes: die erste große Entscheidung für das Domaine Tageblatt. Wir wissen jetzt, welchen Wein wir machen wollen: Rivaner.
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Staatlich festgelegter Preis
Das mag zunächst unspektakulär oder gar banal klingen, aber wer den Rivaner nur als biederen Weißwein abtut, der täuscht sich gewaltig. Das wurde uns spätestens bei unserem Rivaner-Rundgang bewusst. Uns hatte der Tropfen schon während eines Besuchs im Institut viti-vinicole (IVV) überzeugt. Die Geschichte dieses Weins hat uns von Anfang an fasziniert. Früher, in der Nachkriegszeit, hatte der Staat den Preis für Grundnahrungsmittel sowie für Rivaner und Elbling festgelegt, um sicherzustellen, dass sich jeder sein „Pättchen“ leisten konnte. Später, in den 60er-Jahren, wurde der Preis für ein Glas Wein in den Cafés staatlich geregelt. Neun Franken durften 0,2 Liter Rivaner damals kosten.
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Der Rivaner war – und ist – in Gaststätten ein beliebter Wein, der gerne immer noch in Literflaschen verkauft wird. Doch die staatlich festgesetzten Preise begrenzten die Gewinnspanne der Winzer. Einige versuchten, das Maximum aus ihren Reben herauszuholen, was jedoch zulasten der Qualität ging. So erklärten uns die Winzer den schlechten Ruf des Rivaners. Dazu kam das weit verbreitete Vorurteil: „Wat näischt kascht, kann och näischt sinn.“
Ihr müsst ja nicht Rivaner auf die Flasche schreiben
Tatsächlich sind die Preisunterschiede zwischen Rivaner und anderen Sorten teils erheblich. Eine Flasche Rivaner kostet durchschnittlich fünf bis sieben Euro, während man für einen Auxerrois oder Pinot gris neun bis zwölf Euro zahlt. Dabei erfordert auch der Rivaner denselben Aufwand: Die Rebstöcke müssen zurückgeschnitten, die Trauben gelesen und der Wein sorgfältig produziert werden. Unser Ziel ist es, mit unserem Wein – zumindest theoretisch – auch einen Gewinn zu erzielen.

Ob der Rivaner dafür die beste Wahl ist, bleibt fraglich. Vor allem, da die Nachfrage überschaubar ist. Auf der „Fête des vins et crémants“ hatte mehr als ein Winzer keinen Rivaner im Sortiment. „Ihr müsst ja nicht Rivaner auf die Flasche schreiben“, war ein Ratschlag, den wir mehrfach hörten. Vielleicht sollten wir einfach Müller-Thurgau auf unsere Flaschen schreiben. So hieß die Rebsorte ursprünglich und unter dem Namen wird sie unter anderem noch in Deutschland oder Schweiz verkauft.
„Dort ist es ein durchaus geschätzter Wein und der Winzer bekommt auch noch einen anständigen Preis dafür“, sagte uns Paul Thill vom IVV. In Deutschland wird die Flasche zum Teil für zehn oder zwölf Euro verkauft, in der Schweiz sogar für umgerechnet 16 oder 17 Euro.
Ein kleiner Lichtblick?
Das schlechte Image des Rivaners scheint eine Luxemburger Eigenheit zu sein. Unverständlich eigentlich, da der Wein bei Blind Tastings gut ankommt, wie viele Winzer uns berichteten. Dass die Nachfrage nach traditionellen Weinen in Luxemburg abgenommen hat, zeigt sich nicht zuletzt an den Weinbergen an der Mosel. 1997 waren noch rund 50 Prozent der Reben in Luxemburg Elbling oder Rivaner, 2017 noch knapp 30 Prozent. Trotzdem haben wir uns entschieden, dem Rivaner mit dem Domaine Tageblatt zu einem neuen Image zu verhelfen. Natürlich sind wir nicht die Ersten mit dieser Idee. Die Confrérie St-Cunibert organisierte bis 2021 das Event „Rivaner uncorked“ im Melusina, bei dem die besten Rivaner des Landes prämiert wurden.

Dass der fruchtige Weißwein einige Facetten zu bieten hat, davon konnten wir uns bei unserem Rundgang während der „Fête des vins et crémants“ überzeugen. Auch Ben Schram vom Domaine Schram ist ein Fürsprecher des Rivaners. „Wir haben immer noch Kunden, die danach fragen, und beliefern auch Gaststätten damit. Der schlechte Ruf ist ungerechtfertigt. Für mich ist es ein fruchtiger, unkomplizierter Wein, der vor allem im Sommer gut zum Grillen passt“, sagt Schram.
Dennoch bleibt er vorsichtig: Der Markt sei schwer einzuschätzen, weshalb man die bestehenden Rivaner-Parzellen stabil halten, aber nicht ausbauen wolle.
Ein wenig Mut machte uns auch Tom Schumacher vom Domaine Schumacher-Lethal: „Ich habe das Gefühl, dass der Rivaner wieder etwas mehr gefragt ist als noch vor ein paar Jahren.“ Vielleicht sind wir ja genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort, um das Rivaner-Revival mit einzuläuten.
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