DeutschlandRüffel für Lindner: Ampel im Haushaltsstreit um Ruhe bemüht

Deutschland / Rüffel für Lindner: Ampel im Haushaltsstreit um Ruhe bemüht
Bei einer Protestaktion Mitte Juli vor dem Bundeskanzleramt in Berlin zeigten diese Aktivisten, dass sie nicht viel von Finanzminister Lindners Sparvorschlägen halten  Foto: Ralf Hirschberger/AFP

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Nach dem Rüffel von Kanzler Scholz für Finanzminister Lindner bemüht sich die Ampel im Haushaltsstreit um Ruhe. Doch für die Union ist der Vorgang kurz vor den Ost-Wahlen eine Chance für Attacken auf den Kanzler.

Nach dem Tadel von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für Finanzminister Christian Lindner (FDP) im Haushaltsstreit der Ampelkoalition hat die Union ihre Chance erkannt, den Kanzler anzugreifen. „Olaf Scholz darf den Bürgern nicht länger ein X für ein U vormachen. Die gutachterlichen Bedenken gegen die Haushaltspläne der Bundesregierung lassen sich nicht einfach vom Tisch wischen“, sagte der Parlamentsgeschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, dem Tageblatt. „Der offene Dissens zwischen Kanzler und Finanzminister dokumentiert vor allem die ganze Handlungsunfähigkeit der Koalition. Der Streit in der Ampel ist nur noch peinlich und hat mit ernsthafter Politik nichts mehr zu tun.“

Scholz hatte sich am Dienstag aus dem Urlaub geäußert, nachdem Lindner Teile der Anfang Juli erzielten Haushaltsbeschlüsse wieder infrage gestellt und neue Gespräche angemahnt hatte. „Es war sinnvoll, die Handlungsoptionen der Bundesregierung gutachterlich überprüfen zu lassen, wie Deutsche Bahn und die Autobahnen im Haushalt finanziell gestärkt werden können. Klares Ergebnis des juristischen Gutachtens: Das geht“, sagte der Kanzler Zeit Online. Die Bundesregierung werde jetzt vertraulich die nächsten Schritte beraten. Scholz fügte hinzu: „Es bleibt ein Mysterium, wie das eigentlich klare Votum des juristischen Gutachtens vorübergehend grundfalsch aufgefasst werden konnte.“ Scholz nannte FDP-Chef Lindner zwar nicht beim Namen, doch der Seitenhieb konnte nur ihm gelten.

Allerdings trat Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann diesem Eindruck am Mittwoch entgegen. Die Äußerungen von Scholz hätten sich „nicht an eine Person und schon gar nicht an den Finanzminister gerichtet“ und auch nicht an andere Kabinettsmitglieder, sagte sie. Zugleich berichteten die Funke Medien, auch Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) sei „sehr irritiert“ darüber gewesen, dass ein Gutachten von Lindner „einseitig und selektiv öffentlich gemacht wurde“, anstatt mit den Regierungspartnern über Lösungen zu beraten.

Es wäre vermeidbar gewesen, sich wieder auf offener Bühne zu streiten

Lars Klingbeil, SPD-Chef

Von einer Machtdemonstration gegenüber Lindner hatte der Kanzler bisher oft abgesehen, schließlich ist er auf den FDP-Chef angewiesen, soll die Koalition bis zum Ende der Wahlperiode bestehen. Doch hatte zuvor auch Lindner den Kanzler schlecht aussehen lassen: Im „ZDF-Sommerinterview“ hatte er am Sonntag erklärt, er werde verfassungswidrige Ideen im Haushalt nicht mittragen. „Das passiert mir nicht noch einmal“, hatte Lindner mit Verweis auf das Verfassungsgerichtsurteil vom November gesagt. Damals hatte Karlsruhe die Umbuchung von 60 Corona-Milliarden 2021 in den Klimafonds für verfassungswidrig erklärt – eine Idee, die laut Lindner ebenso von Scholz stammte wie die jetzt strittigen Maßnahmen zum Ausgleich des Bundeshaushalts 2025.

Regierung soll ihren Job machen

Für die Union sind die Querelen Wasser auf die Mühlen so kurz vor den nächsten Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Der Chefhaushälter der Unionsfraktion forderte Lindner sogar zum Koalitionsaustritt auf. „Ein Bundeskanzler, der seinem Finanzminister in der Öffentlichkeit derart seine Kompetenzen abspricht und wie einen Schulbuben behandelt, ist ein einmaliger Vorgang“, sagte Christian Haase (CDU). „Es ist jetzt an der Zeit, dass sich die FDP ehrlich macht und aus dieser vermeintlichen Zukunftskoalition, die zu einer Abbruchkolonne für unser Land mutiert ist, austritt“, forderte er.

SPD-Chef Lars Klingbeil zeigte sich verärgert über den erneut ausgebrochenen Koalitionsstreit. „Es wäre vermeidbar gewesen, sich wieder auf offener Bühne zu streiten“, sagte er in der Parteizentrale in Berlin. Es sei die klare Erwartung der Bürgerinnen und Bürger und auch seine, dass die Regierung ihren Job mache „und dann man nicht immer diesen öffentlichen Tanz aufführt“. Die Bewertung der Gutachten zu umstrittenen Vorhaben im Etat 2025 hätte im Hintergrund, still, leise und geräuschlos erfolgen können. Die von Lindner losgetretene öffentliche Kommunikation dazu sei nicht nötig gewesen. „Das ist Regierungshandeln, das darf kein Drama hier in der Gesellschaft sein, sondern das muss stattfinden.“ Jetzt erwarte er, dass die Regierung die Frage kläre, wo die letzten fehlenden fünf Milliarden Euro herkommen könnten.

Bis 14. August will die Regierung den fertigen Haushalt dem Bundestag übersenden. Derzeit laufen laut der Regierungssprecherin trotz des Urlaubs von Scholz und Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) „intensive Gespräche“ der drei Ampel-Spitzen. SPD-Fraktionsvize Achim Post bezeichnete die noch zu schließende Lücke im Etat als „überschaubar“. „Das Gutachten zeigt, dass es für einen Großteil der Maßnahmen gangbare Wege gibt“, sagte Post. „Die noch verbleibende Lücke im Haushalt ist überschaubar, sodass ich weiterhin von einer fristgerechten Übersendung des Haushaltsentwurfs an das Parlament ausgehe.“