EditorialStarke Stimmen gebraucht: Mutter und Spitzensport, nicht unmöglich 

Editorial / Starke Stimmen gebraucht: Mutter und Spitzensport, nicht unmöglich 
Allyson Felix ist auch nach ihrer aktiven Karriere eine wichtige weibliche Stimme im Spitzensport Foto: AFP/Javier Soriano

In etwas mehr als einer Woche, am 26. Juli, beginnen die Olympischen Sommerspiele in Paris mit der Eröffnungsfeier auf der Seine. Anders als noch vor drei Jahren in Tokio wird die erfolgreichste Leichtathletin der Olympia-Geschichte nicht mehr auf der Bahn im Stade de France zu sehen sein. Die US-amerikanische Sprinterin Allyson Felix gewann in ihrer beeindruckenden Karriere beim größten Multisportevent der Welt insgesamt sieben Gold-, drei Silber- und eine Bronzemedaille. Nach der WM 2022 in Eugene beendete die heute 38-Jährige ihre sportliche Laufbahn. Von ihren Erfahrungen werden jedoch viele Athletinnen in Paris profitieren können. Denn die ehemalige Spitzenathletin ist in den letzten Jahren zu einer der wichtigsten weiblichen Stimmen im Sport avanciert.

Allyson Felix erlebte in ihrer sportlichen Laufbahn nämlich auch Rückschläge. Ihr Sponsor Nike kürzte ihr, als sie 2018 mit ihrem ersten Kind schwanger war, 70 Prozent des Geldes. Als sie Nike darum gebeten habe, ihr vertraglich zuzusichern, dass sie nicht dafür bestraft werde, wenn sie in den Monaten nach der Geburt nicht ihre Topleistungen abrufen könnte, lehnte der Sponsor zudem ab, wie Felix später in der New York Times schrieb. Ein Beispiel, das einmal mehr zeigt, wie schwer es auch heute noch ist, Mutterschaft und Spitzensport zu vereinbaren. „Du wirst bestraft, weil du Mutter bist“, erklärte die Sprinterin. Schlimmer noch, ihre Tochter musste aufgrund von Komplikationen bereits in der 32. Woche per Notkaiserschnitt geholt werden. Eine Erfahrung, die man keinem wünscht und während der sich Felix stets unter Druck gesetzt fühlte, schnell wieder ihr altes Level zu erreichen. Gewünscht hatte sie sich Verständnis, Unterstützung und die nötige Zeit, um wieder in Form zu kommen.

Doch die Leichtathletin schwieg nicht, verließ Nike, machte ihren Fall öffentlich und gründete sogar ihre eigene Marke Saysh, die Schuhe entwickelt, die speziell auf den Fuß von Frauen zugeschnitten sind. In diesen gewann sie 2021 in Tokio schließlich ein letztes Mal Gold und Bronze. Allyson Felix hat es vor drei Jahren noch einmal allen gezeigt, denn auch als Mutter kann eine Sportlerin Bestleistungen abliefern. Doch für viele ihrer Kolleginnen bedeutet ein Kind weiterhin das Karriereende. Zu kompliziert ist es oftmals, Training und Familie unter einen Hut zu bringen, hinzu kommen Mehrkosten für Kinderbetreuung, vor allem, wenn man zu Wettkämpfen reisen muss.

Einen weiteren wichtigen Schritt wird es nun in Paris geben, denn erstmals wird es bei Olympia im Olympischen Dorf eine Art Kinderkrippe geben, zwar ohne Betreuung, doch Sportlerinnen können hier, im Herzen der Spiele, Zeit mit ihren Babys verbringen und müssen zum Stillen nicht mehr extra ins Hotel fahren. Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, etwas, das es den Athletinnen in Sachen Organisation leichter machen soll. Auch Nike hat inzwischen seine Politik in Sachen Schwangerschaft geändert. Und hier sind starke weibliche Stimmen, wie die von Allyson Felix, weiterhin unverzichtbar.