ParlamentswahlTag der Entscheidung in Großbritannien: Labour vor historischem Wahlerfolg

Parlamentswahl / Tag der Entscheidung in Großbritannien: Labour vor historischem Wahlerfolg
Der Vorsitzende der Labour-Partei, Keir Starmer, beim Besuch des Shree Swaminarayan Mandir Kingsbury während seiner Wahlkampftour. Dem ernsten, betont vorsichtigen Starmer scheint die Selbstzerfleischung der Tories zum Vorteil zu gereichen. Foto: dpa/Stefan Rousseau

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Die Briten wählen am Donnerstag ein neues Parlament. Alle Umfragen sehen für Labour einen historischen Wahlsieg voraus. Doch die konservativen Tories, die das Land 14 Jahre am Stück herunterregiert haben, hegen noch vage Hoffnungen. 

Am letzten Tag vor der Parlamentswahl in Großbritannien, bei der ein Sieg der oppositionellen Labour-Partei als ausgemacht gilt, haben sich die Parteivorsitzenden am Mittwoch noch einmal auf Stimmenfang begeben. Während Labour-Chef Keir Starmer am Mittwoch durch England, Schottland und Wales tourte, konzentrierte sich der konservative Premierminister Rishi Sunak darauf, in Tory-Hochburgen im Südosten Englands um die letzten Wähler zu werben. Umfragen zufolge steht den Tories eine krachende Niederlage bevor.

„Wenn man sich die Umfragen anschaut, ist es ziemlich klar, dass die Labour-Partei zum jetzigen Zeitpunkt auf einen außerordentlichen Erdrutsch zusteuert, wie es ihn in diesem Land wahrscheinlich noch nie gegeben hat“, sagte Arbeitsminister Mel Stride dem Sender GB News.

Der Wahlkampf ist für Rishi Sunak kein Vergnügen: Zwei Drittel der Briten halten ihn für einen schlechten Premier, seinen konservativen Tories droht der Absturz und ein Wettskandal in der Partei sorgt für noch mehr Ärger – die Lage des 44-Jährigen scheint so aussichtslos, dass er beteuern muss, nicht schon vor der Abstimmung am 4. Juli das Handtuch zu werfen
Der Wahlkampf ist für Rishi Sunak kein Vergnügen: Zwei Drittel der Briten halten ihn für einen schlechten Premier, seinen konservativen Tories droht der Absturz und ein Wettskandal in der Partei sorgt für noch mehr Ärger – die Lage des 44-Jährigen scheint so aussichtslos, dass er beteuern muss, nicht schon vor der Abstimmung am 4. Juli das Handtuch zu werfen Foto: AFP/Benjamin Cremel

Die ehemalige Innenministerin Suella Braverman schrieb im Daily Telegraph, ihre Partei solle sich „auf die Realität und die Frustration“ in der Opposition vorbereiten. Die Tories hätten es versäumt, die Einwanderung zu begrenzen oder die Steuern zu senken, betonte Braverman, die als Anwärterin auf die konservative Parteiführung gilt. Nun müsse es eine „schonungslos ehrliche Analyse nach dem Spiel“ geben, die darüber entscheiden werde, „ob unsere Partei überhaupt noch existiert“.

Details zur Briten-Wahl

Jüngste Umfragen prognostizieren Labour einen historischen Wahlerfolg. Laut dem Meinungsforschungsinstitut Survation könnte die Partei auf 484 der insgesamt 650 Sitze im Londoner Unterhaus kommen und damit den Erdrutschsieg aus dem Jahr 1997 unter Parteichef Tony Blair noch einmal übertreffen.
Die Wahllokale öffnen am Donnerstag um 7.00 Uhr (Ortszeit; 8.00 Uhr MESZ) und schließen um 22.00 Uhr (23.00 Uhr MESZ). Die Wähler haben eine Stimme: Auf dem Stimmzettel kreuzen sie den Namen eines Kandidaten in ihrem Wahlkreis an.
Am Abend liefert die BBC nach Schließung der Wahllokale um 23.00 Uhr MESZ eine normalerweise zuverlässige Prognose. Erste Ergebnisse kommen gegen Mitternacht, allerdings aus uninteressanten Wahlkreisen. Spannend wird es ab circa 2.00 Uhr, 2.30 Uhr, bis etwa 4.00 Uhr, 5.00 Uhr sollte das Ausmaß der konservativen Niederlage bekannt sein.

Nach Jahren geprägt von Brexit, Corona, Wirtschaftskrise und jeder Menge Skandale scheinen die Wähler eine Veränderung herbeizusehnen. Labour-Chef Starmer ist somit auf dem besten Weg, in Downing Street Number 10 einzuziehen und die Konservativen nach 14 Jahren an der Macht abzulösen. Das hätte bis vor wenigen Jahren kaum jemand für möglich gehalten: Der 61-Jährige ist ein Spätberufener der Politik, seine Karriere startete er als Jurist. Erst vor neun Jahren wurde er zum Abgeordneten gewählt. Von der Popularität und dem Charisma von Parteichef Blair ist er allerdings weit entfernt.

Als Sohn eines Börsenmaklers besuchte er teure Londoner Privatschulen, später handelte er mit Rohstoffen, doch in der Öffentlichkeit gibt sich Nigel Farage als „regular bloke“, als normaler Kerl
Als Sohn eines Börsenmaklers besuchte er teure Londoner Privatschulen, später handelte er mit Rohstoffen, doch in der Öffentlichkeit gibt sich Nigel Farage als „regular bloke“, als normaler Kerl Foto: AFP/Oli Scarff

Im Wahlkampf warb Starmer für eine Rückkehr zur Seriosität in der britischen Politik, versprach ein langfristiges Wirtschaftswachstum und präsentierte sich vor allem als Diener des Landes. „Erst das Land, dann die Politik“, betonte er immer wieder. Im Endspurt seines Wahlkampfs warb er noch einmal um Unterstützung für seine Partei: „Wenn Sie Veränderungen wollen, müssen Sie dafür stimmen“, sagte Starmer am Mittwoch vor Reportern. Er betrachte „nichts als selbstverständlich“.

Die Labour-Partei steuert auf einen außerordentlichen Erdrutsch zu, wie es ihn in diesem Land wahrscheinlich noch nie gegeben hat

Arbeitsminister Mel Stride

Dagegen hatten die Tories vor allem einen Negativ-Wahlkampf geführt, vor Steuererhöhungen durch eine Labour-Regierung gewarnt und ein härteres Vorgehen hinsichtlich Migration und Sicherheit angekündigt. Dabei bekamen sie am Dienstag überraschende Unterstützung durch Ex-Premierminister Boris Johnson. Auf einer Versammlung in London forderte dieser die Partei auf, die prognostizierte Wahlniederlage nicht als „ausgemachte Sache“ zu betrachten.

„Ich weiß, dass es das nicht ist“, betonte Johnson, der sich im Wahlkampf bislang zurückgehalten hatte. Sein Verhältnis zu Amtsinhaber Sunak ist kompliziert: Als ehemaliger Finanzminister gehörte Sunak 2022 zu mehreren Ministern, die aus Protest gegen Johnsons Skandale ihr Amt niedergelegt und diesen zum Rücktritt gezwungen hatten.

Eine Niederlage der Tories könnte am Donnerstag auch durch die rechtspopulistische Partei Reform UK von Nigel Farage verstärkt werden. Die ehemalige Brexit-Partei schickt mehr als 600 Kandidaten ins Rennen, darunter den Parteichef selbst, der zum achten Mal versucht, ins Unterhaus einzuziehen.

Zwar werden die beiden großen Parteien durch das Mehrheitswahlrecht begünstigt – Farage zielt dennoch darauf ab, Stimmen der Konservativen abzugreifen und sich schon jetzt in Stellung für die Wahl 2029 zu bringen. Im Wahlkampf hatte Reform UK vor allem auf das Thema Migration gesetzt. 

Grober J-P.
4. Juli 2024 - 11.24

Freund Gregory aus Manchester bekommt Zweifel, Keir besucht jetzt auch Hindutempel, der Boris hat das auch gemacht. Wurde aber nicht "erleuchtet"

Grober J-P.
4. Juli 2024 - 9.25

Freund Gregory aus Manchester wird mit dem Alter und dem Schrumpfen seiner Rente immer einsichtiger, warum soll ich Leuten das Vertrauen geben die mir Wasser predigen und selbst nur noch Champagner trinken und das auf unsere Kosten. Damals, lange vor seiner Pensionierung hat er große Stücke auf die Torys gehalten. Als man seine Firma in der Doxeyroad geschlossen hat, überkam ihn langsam das Denken. Zu langsam sagt er heute.

JJ
4. Juli 2024 - 8.40

Farage, der Hetzer, dürfte ja eigentlich die Nachwehen seines Brexit zu spüren bekommen. Aber der Wähler vergisst schnell.