Schulkantinen in Corona-ZeitenTagtägliche „navigation à vue“

Schulkantinen in Corona-Zeiten / Tagtägliche „navigation à vue“
Restopolis-Kantine vor Corona Foto: Restopolis

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Am Donnerstagmorgen gab Bildungsminister Claude Meisch bei einer Pressekonferenz bekannt, dass nun auch in Schulkantinen die Regel von maximal vier Personen pro Tisch gelte. Die Direktorin des Kantinenbetreibers Restopolis zeigte sich zuversichtlich, dass die neuen Maßnahmen rasch umgesetzt werden können. Sie sprach von einer „navigation à vue“, was die tagtägliche Arbeitsorganisation angehe, die zusätzlich durch eine hohe Krankschreibungsrate noch komplizierter geworden ist.

Kurz nach der Pressekonferenz gestern Morgen von Bildungsminister Claude Meisch, wo dieser die neuen Regeln ankündigte, fragte das Tageblatt bei Restopolis-Direktorin Monique Ludovicy nach, wie die Vier-Personen-Regelung umgesetzt werde. Die Überraschung war deutlich durchs Telefon wahrzunehmen: Ganz offensichtlich war die Direktorin zu diesem Zeitpunkt noch nicht über die neuen Anweisungen informiert. Ihre erste Reaktion: „Da wissen Sie mehr als ich.“

Konkrete Angaben zur Umsetzung konnte sie zu dem Zeitpunkt noch keine machen. „Wir werden heute Mittag analysieren, wie das praktisch in den einzelnen Schulen getan wird“, sagte sie wenig später. Ludovicy zeigte sich aber zuversichtlich, dass dies sehr schnell umgesetzt werden könne. Technisch sei es kein Problem, die Tische seien sowieso modular, so könnten sie leicht aufgeteilt werden.

Was den seit gestern neuen Anforderungen entgegenkommt, ist die Tatsache, dass bereits nach den Ankündigungen der neuen Einschränkungen Ende Oktober die Zahl der verkauften Mahlzeiten um 15 Prozent zurückging, im Augenblick seien es sogar ungefähr 20 Prozent weniger im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten.

„Schulkinder sind keine Restaurant-Kunden“, hatte Ludovicy dem Tageblatt vor einigen Tagen gesagt, als noch die Regel von maximal zehn Kindern pro Tisch galt. Nur vier Kinder pro Tisch – wie in Restaurants – wäre kontraproduktiv. Das führe zu riesigen Warteschlangen, Kinder würden das Gebäude verlassen, um anderswo etwas zu essen. „Wir wollen die Kinder nicht durch solche Maßnahmen wegjagen.“ Sie würden sonst anderswo essen und sich vermischen, was ja nicht gewollt sei.

Neuerungen seit der Rentrée

Corona-bedingt gibt es in den Speisesälen seit der Rentrée Plexiglaswände bei der Essenausteilung; zudem wurden die Tische weiter voneinander entfernt. Die Schüler nehmen sich am Eingang ein Tablett mit einem Glas und Essbesteck. Diese stehen nur in der gleichen Anzahl zur Verfügung, wie es Sitzplätze gibt. Ein zusätzlicher Angestellter ist pro Kantine vor Ort, um den neuen Arbeitsablauf zu gewährleisten, Auf wie viel sich die Mehrausgaben wegen dieser Maßnahmen belaufen, konnte Monique Ludovicy nicht beziffern.

Die veränderten Platzverhältnisse haben logischerweise dazu geführt, dass weniger Kinder in einem Speisesaal Platz haben. Einige Schulen hätten deshalb bereits ihren Festsaal als Speisesaal eingerichtet. Auf Nachfrage in mehreren Schulen wurde uns aber lediglich vom hauptstädtischen Athenäum bestätigt, dass dort der „Préau“ – die Eingangshalle – auch als Speisesaal benutzt werde.

Kinder, die nicht in der Kantine essen, können bereits seit der Rentrée auf Lunchpakte („Frupstuten“) mit warmem Essen zurückgreifen. Dabei haben sie die Wahl zwischen Tagesmenü oder vegetarischer Mahlzeit. Diese können sie entweder am Vortag bis 20.00 Uhr vorbestellen oder am Tag selbst in der Essenauslieferung anfordern. Auch die Kinder der sogenannten Isolationsklassen erhalten diese Lunchpakete. Am ersten Tag ihres „isolierten“ Unterrichts erhalten sie gratis eine Snacktüte, die die Schulleitung sehr kurzfristig bestellen kann.

Krankschreibungen

Am Donnerstag lag die Krankschreibungsrate unter Restopolis-Mitarbeitern bei 20 Prozent, was einige Änderungen nötig machte.  Am Mittwoch vor Allerheiligen war bekannt geworden, dass vier Mitarbeiter von Restopolis im „Sportlycée“ positiv auf Corona getestet wurden. Um zu gewährleisten, dass die Kantine weiter funktionieren kann, sei die Verwaltung an einen privaten Partner, die Firma Dussmann Catering, abgegeben worden. Es sei aber keinesfalls so, dass Dussmann diese Kantine permanent übernehme. „Es ist eine temporäre Maßnahme, die den außergewöhnlichen Umständen geschuldet ist. Sie wird voraussichtlich bis zu den Karnevalsferien beibehalten“, sagt Monique Ludovicy. Die restlichen Restopolis-Mitarbeiter aus dem „Sportlycée“ seien auf andere von Restopolis direkt verwaltete Kantinen verteilt worden, um dort auszuhelfen. Die tägliche Arbeitsorganisation sei in diesen Zeiten nicht einfach – quasi eine „navigation à vue“.

Zehn Schulkantinen im Land werden direkt von Restopolis betrieben, 66  im Auftrag von Restopolis von privaten Anbietern. In allen Kantinen jedoch gelten die gleichen Regeln. Wie aus einer Antwort des Bildungsministers auf eine parlamentarische Anfrage des Abgeordneten David Wagner („déi Lénk“) hervorgeht, arbeitet Restopolis mit den Firmen Dussmann Catering, Äresto und „Les Internats Jacques Brocquart“ zusammen. Die Frage, ob eventuell daran gedacht werde, weitere in „régie directe“ geführte Kantinen an Privatanbieter abzutreten, verneint die Restopolis-Direktorin. „Solche Überlegungen gibt es nicht.“

Bereitschaft zur Mobilität ein Muss

Mitarbeiter aus der Restopolis-Kantine hatten sich beschwert, dass sie nun an anderen Stellen im Land eingesetzt würden. Das stimmt, sagt Ludovicy, aber es handele sich um Staatsbeamte, und sie müssten mobil sein. Das sei so in ihrem Arbeitsvertrag festgehalten. Sie könnten also dort eingesetzt werden, wo Not am Mann ist, was nun ja offensichtlich der Fall sei. Dass einige Leute diesen „Mobilitätszwang“ kritisierten, erzürnt Ludovicy: „Ich bin schockiert, dass Leute in diesen Zeiten so egoistisch denken.“

Bei der augenblicklichen Krankschreibungsrate von 20 Prozent sei der Dienst anders nicht aufrecht zu erhalten. In normalen Zeiten liege der „taux d’absentéisme“ bei zehn Prozent. Deshalb verfüge man ohnehin über eine Personalreserve. Diese helfe nun, die Krankschreibungen auszugleichen. Das fehlende Personal durch Interim-Angestellte zu ersetzen, komme für sie nicht infrage, denn das wechsele permanent von einem Ort zum anderen, und das wäre noch risikoreicher. Es sei klar, dass private Strukturen flexibler auf Krankschreibungen des Personals reagieren könnten als staatliche.

Die höchste Krankschreibungsrate gebe es zurzeit in der Kantine des Escher „Lycée des Garçons“: Dort waren am Donnerstag 36 Prozent der Restopolis-Mitarbeiter krankgeschrieben.