Trauer tragen und Daumen drücken: Das Brexit-Abkommen ist unterzeichnet, die Unsicherheit bleibt

Trauer tragen und Daumen drücken: Das Brexit-Abkommen ist unterzeichnet, die Unsicherheit bleibt

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Die EU hat das Austrittsabkommen mit Großbritannien besiegelt. Bei einem Sondergipfel in Brüssel ging es aber vor allem darum, Premierministerin May den Rücken zu stärken. Denn in London könnte der Brexit-Deal immer noch scheitern.

Von unserem Korrespondenten Eric Bonse

Am Ende ging alles ganz schnell. Nicht einmal eine Stunde brauchten die 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union gestern in Brüssel, um den Austrittsvertrag mit Großbritannien zu besiegeln. Es gab keinen Streit mehr und auch keine feierliche Zeremonie mit Unterschriften. Der Brexit-Deal wurde schlicht und einfach „indossiert“ – man könnte auch „abnicken“ dazu sagen. Nach 17 Monaten nervenzerrender Verhandlungen waren die meisten EU-Chefs einfach nur froh, es endlich hinter sich zu haben. Noch am Samstag hatte es so ausgesehen, als könne der Gipfel platzen. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez spielte „Hardball“, um im Streit über die britische Enklave Gibraltar das meiste herauszuschlagen. Am Ende gab er sich mit Zusatzprotokollen zufrieden.

Der 585 Seiten starke Austrittsvertrag wurde nicht mehr aufgemacht. Auch die „politische Erklärung“, mit der sich Brüssel und London auf die kommenden Verhandlungen über ein künftiges Partnerschaftsabkommen vorbereiten, wurde nicht mehr verändert. Wozu auch? Das Versprechen, eine „ehrgeizige, breite, tiefe und flexible Partnerschaft“ einzugehen, ist unverbindlich – und Zukunftsmusik. Zunächst geht es darum, den geordneten Austritt zu sichern – und Premierministerin Theresa May die Daumen zu drücken. Sie muss den ungeliebten Deal noch durch das britische Parlament bringen, was aus heutiger Sicht fast unmöglich erscheint. May hat nicht einmal bei ihren Torys eine Mehrheit. Zudem droht die nordirische DUP mit dem Sturz der Regierung in London.

Donald Tusk: „Niemand hat einen Grund, glücklich zu sein“

Um May den Rücken zu stärken, vermieden die EU-Chefs jeden Anschein, ihren Verhandlungserfolg zu feiern. Auch wenn sich Brüssel in fast allen Punkten durchgesetzt hat – an diesem denkwürdigen Tag galt es, den Brexit zu bedauern und Trauer zu tragen. „Niemand hat einen Grund, glücklich zu sein“, hatte EU-Ratspräsident Donald Tusk in seiner Einladung geschrieben. Daran hielten sich alle. „Dies ist ein historischer Tag, der sehr zwiespältige Gefühle auslöst“, sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es sei „tragisch“, dass Großbritannien die EU verlässt. Ähnlich klang es bei Xavier Bettel. „Dies ist kein guter Tag für Europa und auch nicht für Luxemburg“, sagte er. Sein Land verliere einen guten Partner, der vor allem bei Finanzthemen wertvoll sei.

Ihre warmen Worte zum Abschied verbanden die EU-Chefs mit einer harten Warnung an die May-Gegner in London: Niemand solle sich der Illusion hingeben, dass der Brexit-Deal noch einmal geändert werden könne. „Dies ist das bestmögliche Abkommen für Großbritannien und das bestmögliche Abkommen für Europa“, sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Es sei auch das „einzig mögliche Abkommen“, Änderungen oder einen „Plan B“ werde es nicht geben. Doch was passiert, wenn der Deal in London doch noch scheitert? Wie wird die EU dann reagieren? Das war der „weiße Elefant“, der unsichtbar im Brüsseler Ratsgebäude schwebte. Niemand wollte sich dazu äußern. „Das sind spekulative Fragen, wir haben uns dem Gelingen verschrieben“, bürstete Merkel alle Zweifler ab. „Ich bin ein positiver Mensch, der immer hofft, dass es positiv ausgeht“, sagte Bettel mit einem gewinnenden Lächeln.

May schreibt „Brief an die Nation“

Dabei wissen die EU-Chefs nur zu gut, dass die Zitterpartie um den Brexit weitergeht. Wenn der Deal im britischen Parlament scheitert, kann es immer noch einen ungeordneten Austritt mit chaotischen Folgen für die Wirtschaft und die Bürger geben. Aus Sicht der EU liegt der Ball nun bei der britischen Premierministerin. Sie müsse für den Deal kämpfen, hieß es in Brüssel.

May ging gleich in die Offensive. In einem „Brief an die Nation“ forderte sie ihre Landsleute auf, den ungeliebten Deal mit der EU zu unterstützen. „Ein neues Kapitel in unserem nationalen Leben beginnt“, versprach sie. Nach dem EU-Austritt am 29. März 2019 werde es einen Moment der „Erneuerung und Versöhnung“ für das ganze Land geben.
„Was in London passiert, passiert in London“, sagte Bettel nach dem Gipfel. Selbst wenn May sich durchsetzen sollte, müsse man weiter mit London verhandeln – über das Partnerschaftsabkommen für die Zeit nach dem Brexit. Dabei werde es auch noch einmal um die Äquivalenz für die Finanzdienstleistungen gehen. „Wir sind erst am Anfang eines langen Wegs“, so sein nachdenkliches Fazit.

Vert solitaire
26. November 2018 - 21.02

Brexit? Und dies war der erste Streich. Doch der naechste (Euxit) folgt sogleich!

Grober J-P.
26. November 2018 - 13.29

Am Anfang eines langen Weges! Und was kostet das alles? Arme Bürger Europas, Erneuerung und Versöhnung, Verhöhnung meinte sie wohl.

Le républicain
26. November 2018 - 10.53

Das ist ja nun erst einmal die Ouvertüre, wie es weiter geht weiß keiner heute...villeicht wird das Theaterstück einfach abgesagt vom britischen Parlament, dann ist es aus....