Caritas-AffäreUmbau zum reinen Dienstleister: Eine kritische Stimme der Zivilgesellschaft droht zu verschwinden

Caritas-Affäre / Umbau zum reinen Dienstleister: Eine kritische Stimme der Zivilgesellschaft droht zu verschwinden
Auch die „Plaidoirie“ und damit die Stimme der Caritas in der Gesellschaft ist von den Entlassungen betroffen Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Neben Mitarbeitern, die sich um die internationalen Projekte bei der Caritas kümmerten, stehen noch andere Arbeitsplätze nach dem Betrugsskandal auf dem Spiel. Die Caritas als kritische Stimme der Zivilgesellschaft wird wohl verschwinden. Oppositionspolitiker sehen das kritisch.

„Déi Lénk“ hatte es bereits befürchtet, kurz nachdem der Betrugsskandal bei der Caritas bekannt wurde. Nun scheint es sich zu bewahrheiten. Aufgrund des Betrugsfalls bei der Caritas wird die kritische Stimme der Organisation wohl verstummen. Mitte Juli war ans Licht gekommen, dass bei der Caritas über mehrere Monate hinweg 61 Millionen von der Wohltätigkeitsorganisation auf spanische Konten überwiesen wurden und damit nicht nur die finanziellen Reserven verschwanden, sondern auch noch Kreditlinien in Höhe von rund 30 Millionen Euro aufgenommen wurden.

Die Regierung scheint aber kein Interesse daran zu haben, diese Stimme zu erhalten

Djuna Bernard, déi gréng

Nachdem am Montag offiziell bekannt wurde, dass für rund 30 Mitarbeiter ein Sozialplan verhandelt werden soll, hat der OGBL dem Tageblatt gegenüber bestätigt, dass es sich nicht ausschließlich um Mitarbeiter handelt, die hier in Luxemburg für die Verwaltung der internationalen Projekte zuständig waren. Es seien auch einzelne Personen aus der Einheit Caritas Imp’act betroffen, so Smail Suljic, Zentralsekretär des OGBL.

Diese Abteilung wurde aus Eigenmitteln finanziert und unterlag keiner Konvention. Die Kündigungen werden damit begründet, dass nach dem Diebstahl von 61 Millionen Euro kein Geld mehr da sei. Als Teil von Caritas Imp’act sei auch die „Plaidoirie“ von den Entlassungen betroffen, die Abteilung, die Sensibilisierungskampagnen für eine sozial gerechte und nachhaltige Gesellschaft organisiert und für die politische Kommunikation zuständig ist.

„Dat ass ganz grave“

Die Caritas sei „eine der wenigen sozialen Organisationen, die es seit Jahrzehnten wagen, unabhängig von der jeweiligen Regierungskoalition politisch Stellung zu beziehen“, schrieb „déi Lénk“ Anfang August in einer Pressemitteilung und betonte, dass der Betrugsfall kein Grund sei, um unangenehme Kritiker loszuwerden. „Genau diese Stimme wird nun verstummen“, sagt der Linken-Abgeordnete Marc Baum. „Dass diese Abteilung von den Entlassungen betroffen ist, bestätigt das, was wir befürchtet hatten“, so der Politiker gegenüber dem Tageblatt. „Dat ass ganz grave!“

Es geht darum, Leistungen für den Staat anzubieten, die für diesen teurer werden würden, wenn er sie selbst anböte

Marc Baum , déi lénk

Für Djuna Bernard von „déi gréng“ ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch Arbeitsplätze aus dem nicht-konventionierten Bereich von dem Sozialplan betroffen sind. „Als der Premierminister erklärte, dass die Dienstleistungen gesichert seien, stellte sich gleich die Frage, was mit den Mitarbeitern passiert, die nicht über eine Konvention mit dem Staat bezahlt werden, aber für die Funktionsfähigkeit der gesamten Organisation wichtig sind.“ In einem Forum-Beitrag im Tageblatt stellte die Abgeordnete bereits im August die Frage, welchen Stellenwert der Non-Profit-Sektor für Luc Frieden habe. Die Co-Parteipräsidentin findet es, wie Marc Baum, sehr bedauerlich, dass die Caritas als kritische Stimme der Zivilgesellschaft verschwinden soll. „Unabhängig davon, welche Parteien die Regierung stellten, hat die Caritas immer wieder den Finger in die Wunde gelegt. Die Regierung scheint aber kein Interesse daran zu haben, diese Stimme zu erhalten.“

Andere Akteure in der Pflicht

Für Baum ist es der Beweis dafür, dass die neue Organisation, die nach dem Betrugsfall momentan aufgebaut werden soll, „ein reines utilitaristisches Unternehmen“ werde. „Es geht darum, Leistungen für den Staat anzubieten, die für diesen teurer werden würden, wenn er sie selbst anböte“, so Baum. Dass somit ein sozialpolitischer Akteur mit einer gewichtigen Stimme zu verschwinden droht, sei ein weiteres Zeichen dafür, dass Luxemburg unter der CSV-DP-Regierung weiter nach rechts drifte. Baum stellt zudem die Frage nach der zukünftigen Ausrichtung der Luxemburger Kooperationspolitik. Immerhin habe die Caritas Projekte in rund zehn Ländern betreut, die zum Teil zu den wichtigen Kooperationspartnern des Großherzogtums gehörten.

Was die kritische Stimme der Zivilgesellschaft angeht, sieht Djuna Bernard nun andere Akteure aus dem sozialen Bereich in der Pflicht. „Ich kann verstehen, dass der ganze Sektor durch diesen schlimmen Betrugsfall wie gelähmt ist. Aber die Politik und die ganze Gesellschaft brauchen kritische Stimmen aus dem sozialen Bereich. Ich würde mir wünschen, dass andere Akteure diese Rolle von der Caritas übernehmen.“ Dass die neue Organisation, die auf die Caritas folgen wird, diese Rolle übernehmen werde, können sich Baum und Bernard nur schwer vorstellen. 

Keine Kenntnisse, keine Transparenz

Auf die bevorstehenden Entlassungen bei Caritas Imp’act angesprochen, wollte CSV-Fraktionspräsident Marc Spautz keine Stellung beziehen, da er keine Informationen dazu habe. Er gehe davon aus, dass die Abgeordneten am kommenden Montag, in der zuständigen Chamber-Kommission, die nötigen Informationen von der Regierung erhalten und er sich dann dazu äußern könne.

Ähnlich reagierte Claire Delcourt. Die LSAP-Politikerin erneuerte ihre Kritik an der mangelnden Transparenz der Regierung. „Als Abgeordnete erhalten wir unsere Informationen aus der Presse. Das kann nicht sein.“ Die LSAP hatte am Mittwoch in einem Presseschreiben erneut gefordert, dass die Kommissionssitzung zur Caritas-Affäre live übertragen werde. Die Mehrheitsparteien CSV und DP sowie die ADR hatten sich gegen eine Liveübertragung ausgesprochen. Für Delcourt hat die Öffentlichkeit, der sich immer noch viele Fragen in dieser Affäre stellen, ein Recht auf Transparenz. Aber nicht nur den Umgang mit der Öffentlichkeit bedauert Delcourt, sondern auch die Tatsache, dass der Austausch der Regierung mit den Parlamentariern immer wieder verschoben wurde. Nun hoffen die Abgeordneten, am Montag, wenn es zur gemeinsamen Sitzung von sämtlichen betroffenen Chamberkommissionen kommt, die gewünschten Erklärungen der Regierung zu bekommen. 

Miette
13. September 2024 - 22.05

Das Schweigen ist echt beunruhigend, es wird wohl wie in Luxemburg üblich solange geschwiegen, bis niemand sich mehr Gedanken darüber macht...Über was wird geschwiegen?

Nomi
13. September 2024 - 10.06

Waat mecht eigentlech den service "Information et Presse" vun der Justiz ?

Dei' Funkstille foerdert nemmen nach Zweifel un der Justiz . Zerstei'ert d'Vertrauen an d'Justiz !

Grober J-P.
13. September 2024 - 9.35

"hatten sich gegen eine Liveübertragung ausgesprochen. " Was gibt es denn zu verbergen? Wie weit sind die Ermittlungen? Was sagen die betroffenen Mitarbeiter, wurden die schon interviewt oder haben die einen Maulkorb verpasst bekommen?