LuxemburgUnterstützung in der kalten Jahreszeit: Winteraktion für Obdachlose beginnt früher

Luxemburg / Unterstützung in der kalten Jahreszeit: Winteraktion für Obdachlose beginnt früher
Insgesamt 1.043 Menschen ohne festen Wohnsitz haben bei der Winteraktion 2021/2022 das Angebot in den Räumlichkeiten in der Nähe des Luxemburger Flughafens genutzt Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Bald wird es draußen wieder merklich kühler und damit dann niemand frieren muss, wird seit 2001 in Luxemburg die sogenannte „Wanteraktioun“ (WAK) organisiert. In den Räumlichkeiten auf Findel bekommen Menschen ohne festen Wohnsitz unter anderem etwas Warmes zu essen und können dort auch übernachten. Bei einer Pressekonferenz haben die Verantwortlichen nun Neues zur kommenden WAK verkündet und eine Bilanz der vergangenen Aktion gezogen.

Menschen ohne festen Wohnsitz während der kalten Jahreszeit mit einer warmen Mahlzeit zu versorgen und ihnen eine Übernachtungsmöglichkeit zu bieten –  das ist unter anderem das Ziel der sogenannten „Wanteraktioun“ (WAK). Seit 2001 findet die vom Familienministerium in Zusammenarbeit mit der Caritas, Inter-Actions und dem Luxemburger Roten Kreuz (die gemeinsam den gemeinnützigen Verein „Dräieck“ bilden) organisierte Aktion im Großherzogtum statt. In diesem Jahr wird diese früher beginnen – wie bei einer Pressekonferenz in den Räumlichkeiten der WAK auf Findel am Dienstag mitgeteilt wurde. 

Ab dem 15. November werden Menschen ohne festen Wohnsitz das zeitlich begrenzte Angebot dann nutzen können. „Unter der Voraussetzung, dass die Abgeordnetenkammer das Budget absegnet“, wie Corinne Cahen (DP), Ministerin für Familie, Integration und die Großregion, auf der Pressekonferenz unterstrich. Rund 1,8 Millionen sind im Budget des Familienministeriums für die Aktion vorgesehen, im vergangenen Jahr wurden dafür 1,6 Millionen ausgegeben. Von 1.043 Menschen wurde das Angebot in den kälteren Monaten Ende 2021 und Anfang 2022 dann genutzt.

Mit einem Shuttle-Service oder dem öffentlichen Transport kommen sie in der Regel vom hauptstädtischen Bahnhof zu den rund sieben Kilometer entfernten Räumlichkeiten auf Findel – und zurück. Dort müssen sie sich am Empfang anmelden. Die Regeln sind klar: kein Alkohol und keine Drogen. Gleiches gilt für Waffen oder andere gefährliche Gegenstände. Gewalt gegenüber den 21 Angestellten, den zahlreichen Freiwilligen – 80 bei der letzten Ausgabe – oder anderen Nutzerinnen und Nutzern ist Tabu. Die Regeln werden auch in Form von Piktogrammen ausgehängt, damit auch jene sie verstehen, die nicht lesen können.

Mehr Zulauf bei Kälte

Ebendiese Regeln halten manche vom Kommen ab. Und: „Auch nicht jeder ist für diese Kollektivität gemacht – auf engstem Raum mit so vielen fremden Menschen zu schlafen“, erklärte Diana Pereira, Koordinatorin des „Foyer de nuit“ der Caritas, während Ministerin Corinne Cahen ergänzte: „Wenn es allerdings sehr kalt ist, kommen sogar die, die sonst zögern.“ Es sind Menschen aller Altersklassen, überwiegend Männer. Viele haben Arbeit und doch keine feste Adresse. „Sie machen Zeitarbeit, haben einen befristeten Vertrag und befinden sich in einer unsicheren Situation. Hier können sie kostenlos schlafen“, berichtete Diana Pereira. Bei der WAK geht man davon aus, dass in diesem Winter noch mehr Menschen das Angebot nutzen werden. 

Im sogenannten „Foyer du jour“ erhalten sie gegen Vorzeigen eines Gutscheines eine kostenlose warme Mahlzeit. Im Ruheraum können sie sich von Strapazen erholen oder fernsehen. Es werden aber auch Aktivitäten wie Fußball, Schachspiel oder Zeichnen angeboten. Zudem gibt es Hilfe bei zum Beispiel der Suche nach einer Arbeit oder einer Wohnung. Geöffnet ist die Tagesstruktur von 12 bis 16 Uhr. Erst am Abend um 19.15 Uhr öffnet dann das „Foyer de nuit“ mit getrennten Schlafräumen für Frauen und Männer und Platz für 250 Personen. Dort gibt es auch Duschen und medizinische Betreuung.

Bleiben können die Nutzerinnen und Nutzer bis morgens, 8.45 Uhr. Dass die Räumlichkeiten täglich während einiger Stunden geschlossen sind, hat einerseits praktische Gründe: Denn dann werden diese gereinigt. Anderseits sagte Ministerin Corinne Cahen aber auch: „Sie sollen rauskommen und sich bewegen. Für niemanden ist stundenlanges Sitzen auf der Couch gesund.“ Unter anderem aus dem Grund wird weiterhin nach neuen Räumlichkeiten für die Tagesstruktur gesucht, die sich bis 2020 noch in Bonneweg befand. Wegen eines Bauprojektes allerdings wurde der Mietvertrag mit dem Roten Kreuz damals nicht verlängert. 

Weniger los zur Mittagszeit

Seitdem spielt sich alles auf Findel ab. „Dass alles auf einem Gelände ist, war während Covid ganz praktisch, als die Menschen ohnehin nicht viel unterwegs sein sollten“, so Corinne Cahen. Bei der WAK hat man allerdings festgestellt, dass im Vergleich mit der Tagesstruktur in Bonneweg mittlerweile weniger Menschen zum Mittagessen kommen. So wurden bei der letzten Winteraktion während mehr als vier geöffneten Monaten in den Mittagsstunden 10.640 warme Mahlzeiten an 770 Personen ausgegeben. Frühstück und Abendessen wurden im selben Zeitraum 33.120 an 873 Menschen verteilt. „In den Jahren zuvor war es genau umgedreht: Mittags kamen mehr Menschen als abends“, stellte Diana Pereira fest.

Deshalb wird weiter nach Räumlichkeiten gesucht, um die Tagesstruktur wieder in das Zentrum der Hauptstadt zu bringen – zu den Menschen. Wie viele Obdachlose es genau im Großherzogtum gibt, ist laut Familienministerium aktuell übrigens nicht erfasst. Vor rund zwei Wochen wurde eine große Untersuchung in den Vierteln der Hauptstadt durchgeführt, für die Interviews mit Menschen ohne festen Wohnsitz geführt wurden. „Wir haben da noch keine Ergebnisse, werden diese allerdings so schnell wie möglich präsentieren“, erklärte Corinne Cahen am Rande der Pressekonferenz. 

Mögliche Übergangslösung für Foyer Ulysse wird geprüft

Ab Sommer 2023 soll das Foyer Ulysse der Caritas im hauptstädtischen Viertel Bonneweg während zwei Jahren wegen Renovierungsarbeiten geschlossen bleiben. Für die ganzjährig für Obdachlose geöffnete Unterkunft wird deshalb dringend Ersatz gesucht  – und nun wahrscheinlich in Gasperich gefunden: mit dem einstigen Gebäude der Tageszeitung Luxemburger Wort. In einem Radiointerview hatte Generalvikar und Weihbischof Leo Wagener – das Gebäude gehört dem Luxemburger Erzbistum – Anfang November gesagt, dass noch ein Stockwerk frei sei. Aktuell kommen dort auch Flüchtlinge aus der Ukraine unter. Momentan prüft die „Inspection du travail et des mines“ (ITM), ob das Gebäude als Ersatz für das Foyer Ulysse infrage kommt, wie Corinne Cahen auf Nachfrage hin mitteilte. 

Voraussichtlich am 15. April dann soll die diesjährige Winteraktion zu Ende gehen. Bis dahin werden übrigens noch helfende Hände benötigt – unter anderem bei der Essensausgabe oder beim Verteilen von Hygieneartikeln wie Rasierschaum, Zahnbürsten oder Zahnpasta. Insgesamt 59 Freiwillige haben sich bis dato gemeldet, es werden aber noch mehr gebraucht. Wer helfen will, kann sich per Mail an benevolat@draieck.lu melden.