EUVerteidigungsminister streiten über Waffeneinsatz in Russland

EU / Verteidigungsminister streiten über Waffeneinsatz in Russland
Josep Borrell, Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP/dpa

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Um mehr Investitionen in die europäische Abwehrfähigkeit geht es beim Verteidigungsministertreffen in Brüssel. Doch im Mittelpunkt stehen die Fähigkeiten der Ukraine – und damit auch die Möglichkeit, russische Angriffe dort zu bekämpfen, wo sie gestartet werden.

Das zweitägige Treffen der europäischen Außen- und Sicherheitsverantwortlichen ist seit 50 Jahren im „Gymnich-Format“ der Ort der offenen Aussprache. Ganz undiplomatisch und direkt geht es dann zu – hinter verschlossenen Türen. Doch EU-Außenbeauftragter Josep Borrell brennt an diesem Freitag ein Thema derart unter den Nägeln, dass er schon vor den vertraulichen Gesprächen der Verteidigungsminister jede Zurückhaltung auch öffentlich fallen lässt: „Lächerlich“ sei die Meinung, wenn die Ukraine militärische Ziele in Russland mit westlichen Waffen attackiere, befinde sich der Westen ebenfalls im Krieg mit Moskau. Das geht auch in Richtung deutscher Vorbehalte.

Offenbar steht Borrell noch unter dem Eindruck der Berichte des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba in der Ministerrunde vom Vortag. Kuleba habe „präzise Informationen“ über die „schwersten Angriffe seit Kriegsbeginn“ mit Hunderten von Kampfdrohnen und Raketen an diesem Montag geliefert, die schwere Schäden in der ukrainischen Stromversorgung anrichteten. Putin wolle die Ukraine im Winter ins Dunkle und in die Kälte bomben. Für Kuleba ist klar, wie sein Land sich dagegen effektiv wehren kann: Indem es die Flugplätze in Russland angreift, von denen Russland seine Angriffe auf die ukrainischen Städte starte.

Doch bislang gilt die Erlaubnis, westliche Waffen auch gegen Ziele in Russland einzusetzen, nur für die Region Charkiw. Die war zustande gekommen, nachdem es die westlichen Staaten nicht mehr hinnehmen wollten, dass Russland pausenlos vom eigenen Territorium die ukrainische Grenzregion mit Zerstörung überzieht, während die Ukrainer sich nicht dagegen wehren konnten. Die Attacken hörten schlagartig auf, nachdem die Ukraine die russischen Stellungen unter Feuer nehmen durfte. Nun verlangt Kiew eine Ausweitung auf ganz Russland.

Lockerung von Restriktionen

„Wir kennen keine Restriktion in Meilen oder Kilometern“, betont Ruben Brekelmans, der niederländische Verteidigungsminister, bei dem Treffen am Freitag in Brüssel. Wenn es sich um Selbstverteidigung und um militärische Ziele handele, stehe ein solcher Waffengebrauch in Übereinstimmung mit dem internationalen Recht. Auch Pal Jonson macht als schwedischer Verteidigungsminister die Position seines Landes fest: „Die Ukraine hat das Recht, sich gegen die russische Aggression zu verteidigen, ganz gleich, ob innerhalb oder außerhalb ihres eigenen Landes.“

Borrell schränkt ein, dass die Befestigung oder Lockerung von Restriktionen keine europäische Angelegenheit sei. Jedes Mitgliedsland müsse selbst entscheiden, ob es weitreichende Waffensysteme liefere und wie es deren Einsatz durch die Ukraine festlege. Zugleich betont er jedoch gleich mehrfach, für wie „lächerlich“ er die Argumentation betrachte, eine Bekämpfung von Zielen innerhalb Russlands bedeute, in einen Krieg gegen Moskau involviert zu sein. „Wir unterstützen die Ukraine. Die Ukraine wird angegriffen von russischem Territorium aus. In Übereinstimmung mit internationalem Recht kann die Ukraine die Plätze attackieren, von denen sie angegriffen wird.“

Borrell kündigte weiterhin an, den Umfang der Ausbildungsmission auf 70.000 auszuweiten. Diskutiert wird zudem ein Vorschlag Frankreichs, auch auf ukrainischem Boden die dortigen Streitkräfte von EU-Militärs zu trainieren. Darüber gehen die Meinungen jedoch stark auseinander. Einige bevorzugen, nicht nur aus Sicherheitsgründen, für die Trainer eine Ausbildung ausschließlich in der EU. Auch die Auszubildenden könnten sich besser auf den Stoff konzentrieren, wenn sie nicht mit ständigen russischen Angriffen rechnen müssten.

Gleichwohl soll es eine EU-Präsenz in Sachen Ausbildungsmission geben. Allerdings nur in Kiew selbst und konzentriert auf eine bessere Koordinierung mit den ukrainischen Streitkräften. In ihrer aktuellen Bestandsaufnahme der Hilfe aus der EU stellt die Runde fest, dass nun 55 Prozent der (bis März) versprochenen Artilleriemunition von einer Million Schuss geliefert seien. Die EU-Hilfe belaufe sich inzwischen auf 100 Milliarden, davon 43,5 Milliarden für Militärmaterial.