Viel Porzellan zerschlagen: Der Gemeinderat Bissen und das Google-Projekt

Viel Porzellan zerschlagen: Der Gemeinderat Bissen und das Google-Projekt

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Im Rathaus in Bissen gibt es kein Porzellan mehr, das keine Risse aufweist. In den vergangenen Monaten ging viel zu Bruch – und alle Bemühungen, die Scherben wieder zusammen zu kleben, scheiterten. Seit den Kommunalwahlen im Oktober gab es an der Attert mehrere politische Paukenschläge.
Wie geht es im Streit an der Gemeindespitze weiter?

Bis zu den letzten Gemeindewahlen war Bissen mit einer Bevölkerungszahl unter der 3.000er-Marke eine Majorzgemeinde. Auch wenn die Ortschaft wegen verschiedener Vorfälle ab und zu in die Schlagzeilen geriet, herrschte im Gemeinderat größtenteils ein konstruktives und freundschaftliches Ambiente. Dies sollte sich aber bereits vor den Wahlen schlagartig ändern. Es begann mit heftigen Diskussionen bei der Zusammenstellung der Wahllisten, die erforderlich wurden, da die Bevölkerungszahl der Gemeinde in Zwischenzeit knapp die Zahl von 3.000 überstiegen hatte – und Bissen somit nach dem Proporzsystem wählen musste. Einige Ratsmitglieder, die bis dahin gut miteinander konnten, fanden sich auf zwei verschiedenen Listen (CSV und „Är Leit“) wieder.

Die CSV erhielt sechs der elf Mandate, die Gruppierung „Är Leit“ fünf. Der langjährige Bürgermeister Jos Schummer bildete mit zwei seiner CSV-Leute (Frank Clement und Carlo Mulbach) den Schöffenrat, was unter anderem dazu führte, dass der frühere Schöffe David Viaggi („Är Leit“) mit einem Schlag auf der Oppositionsbank saß. Das Versprechen der CSV-Mehrheit, stets eng mit der Opposition zusammenarbeiten zu wollen, löste sich binnen weniger Wochen in Luft auf. Im Laufe der darauf folgenden Gemeinderatssitzungen spitzte sich die Lage immer weiter zu. Die CSV hatte das absolute Sagen, die fünf „Är Leit“-Räte mussten sich mit Krümeln zufrieden geben. Die Oppositionsarbeit war sauber, doch die meisten Einwände und Vorschläge der „Är Leit“-Abgeordneten verhallten.

Dann gelangte das Projekt Google-Datenzentrum an die Öffentlichkeit. Was lange Zeit im Hinterstübchen besprochen wurde, war plötzlich in aller Munde. Obschon der Name auf keinem einzigen offiziellen Papier zu lesen war, war die Rede davon, dass der Internetgigant ein riesiges Datenzentrum in Bissen errichten will. Das dafür erforderliche Terrain sei bereits gekauft.

Keine Antworten

Ein großes Ratespiel begann: Was genau wird dort gebaut? Welche Auswirkungen wird das 25 bis 33 Meter hohe Gebäude auf das Landschaftsbild haben? Wie steht es um die Lichtverschmutzung? Was wird in Sachen öffentlichen Transport unternommen? Welche Konsequenzen wird das Datacenter auf die bereits jetzt alarmierende Verkehrssituation auf Roost und im Ortskern von Bissen haben? Und was wird unternommen, um diese Situation zu verbessern? Wie sieht es mit der Abführung des Oberflächenwassers aus? Werden deshalb Wasserrückhaltebecken eingeplant? Wie werden die lange andauernden Bauarbeiten organisiert? Auf welche Weise wird das Datacenter später gekühlt? Wie hoch werden der Wasser- und der Stromverbrauch sein?

Obwohl Bürgermeister Schummer in Interviews einräumte, dass er alle Zahlen zum Projekt kenne, wollte der CSV-Schöffenrat auf keine der oben erwähnten Fragen Antworten geben. Die Opposition drängte auf absolute Transparenz in dem „Mega-Dossier“ – aber Schummer und der zuständige Minister hüllten sich in den Mantel des Schweigens. Am 7. Januar dieses Jahres stand dann die provisorische Genehmigung zur punktuellen Änderung des Bebauungsplans auf „Busbierg“ auf der Tagesordnung der Gemeinderatssitzung. Dort hatte ein Unternehmen namens „London Bridge“ ein 35 Hektar großes Areal erstanden – mit dem Ziel, ein Datenzentrum zu errichten. Als Sprecher der fünfköpfigen Oppositionsfraktion „Är Leit“ stellte Rat David Viaggi damals einmal mehr die katastrophale Informationspolitik an den Pranger. Man werde die erwähnte provisorische Abstimmung über die punktuelle PAG-Änderung nur in der Hoffnung mittragen, bis zum definitiven Votum die Antworten auf die zahlreichen offenen Fragen zu bekommen.

Es folgten Informationsversammlungen, die diese Bezeichnung in keinster Weise verdient haben. Den Einwohnern wurde noch einmal anhand von Schemas und Karteneintragungen vor Augen geführt, wo genau das Areal liegt, auf dem eventuell ein Datenzentrum errichtet werden soll, dessen Gebäude rund 88.000 Quadratmeter der Gesamtfläche einnehmen sollen. Anschließend gab es noch eine kurze Übersicht über die angewandte Methodik der strategischen Umweltprüfung. Konkrete Resultate der Studien, für die das Büro Zeyen&Baumann verantwortlich ist, gab es wenige zu hören. Ein sichtlich genervter „Spezialist“ dieses Büros redete sich um Kopf und Kragen – das war’s.

Schlag auf Schlag

Dann ging es Schlag auf Schlag. Am 20. Juni stimmte der Gemeinderat definitiv darüber ab, ob die Agrarzone auf „Busbierg“ in eine „Zone spéciale Datacenter“ umgewandelt wird. Das Votum hatte es in sich: Die fünf „Är Leit“-Räte enthielten sich – und zwei der sechs CSV-Vertreter (Cindy Barros und Christian Hoscheid) stimmten gegen das Projekt. Die Umklassierung des Flächennutzungsplans wurde zwar mit den vier restlichen Ja-Stimmen der CSV angenommen, doch die Abstimmung hatte schwerwiegende Folgen.
Gleich nach der Sitzung schlug Bürgermeister Schummer gegenüber Journalisten um sich. Er war einerseits verärgert über die Haltung der beiden CSV-Neinsager, andererseits machte er keinen Hehl daraus, dass er in diesem Dossier zu keinem Moment die Rückendeckung seiner Partei erhalten habe.

Nur wenige Tage später schickte Jos Schummer ein Schreiben an die CSV-Parteileitung, in dem er seinen Parteiaustritt erklärte. „Ich will mit dieser Partei nichts mehr zu tun haben“, sagte er an jenem Tag gegenüber dem Tageblatt. „Ich finde es nicht normal, dass zwei Räte aus den eigenen Reihen gegen den Schöffenrat stimmten. Ebenso wenig schätze ich das Vorgehen der Parteispitze, die bis dato kein einziges Wort mit mir über das Projekt Datacenter gesprochen hat.“ Nur einen Tag später gab CSV-Rätin Cindy Barros ebenfalls ihren Austritt aus der Partei bekannt. „Ich habe nach langer Überlegung für mich persönlich den Entschluss gefasst, in Zukunft als politisch Unabhängige im Gemeinderat zu bleiben. Ich werde aber mit anderen Ratsmitgliedern das Gespräch suchen, da ich der Meinung bin, dass es viele gemeinsame Ideen gibt, die es zu verwirklichen gilt“, sagte sie.

Damit war das Kräfteverhältnis im Gemeinderat Bissen gekippt. Die CSV hatte nur noch vier Stimmen, „Är Leit“ fünf, dazu kamen nun zwei politisch unabhängige Räte. Diese Situation veranlasste die Opposition auf der letzten Sitzung vor den Sommerferien zu der Frage: Wie sieht der Schöffenrat in Zukunft aus?

Nächster Paukenschlag

Bürgermeister Schummer wollte zu Beginn der öffentlichen Sitzung keine Stellung zu dieser Frage nehmen, dafür zog CSV-Schöffe Frank Clement eine Rede aus der Tasche und las sie vor. Das brachte Schummer dann doch zu einer Reaktion, die heftiger nicht hätte sein können. Er fiel seinen beiden Schöffen in den Rücken, meinte, sie hätten doch in all der Zeit nichts vorzuweisen. Er werde in der bestehenden Besetzung jedenfalls keiner Schöffenratssitzung mehr beiwohnen. Mit einigem Abstand zu diesen Aussagen, die nicht nur bei den beiden Schöffen Clement und Mulbach für Empörung sorgten, wollten wir von den Betroffenen wissen, wie es denn weitergehen soll. Frank Clement weilt im Moment in Fernost – dafür erreichten wir aber Carlo Mulbach.

„Wie es weitergeht? Ich weiß es nicht!“, sagt er. Die Situation sei dermaßen verfahren, dass ein Ausweg nicht leicht zu finden sein werde. „Tatsache ist, dass wir als CSV keine Mehrheit mehr haben. Somit ist die Frage der Opposition nach der künftigen Zusammenstellung des Schöffenrats durchaus berechtigt.“

Ob der gesamte CSV-Schöffenrat denn nun seine Ämter freimacht? „Darüber haben wir bis jetzt nicht geredet“, sagt Mulbach. „Das war nach den Vorkommnissen in der letzten Gemeinderatssitzung auch schwer, um nicht zu sagen unmöglich.“ Jetzt seien erst einmal Ferien angesagt. „Vielleicht tut uns die Bedenkzeit gut – wir wollen nichts übers Knie brechen.“ Man sei sich jedoch bewusst, dass spätestens bei der Abstimmung zum nächsten Gemeindebudget im Dezember ein Misstrauensvotum blüht. „Es wäre also im Sinne der Gemeinde, wenn wir vorher eine Lösung finden würden“, betont Mulbach.

„Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen“

„Der Ball liegt bei der CSV“, sagt David Viaggi, Sprecher von „Är Leit“. „Nicht wir haben diese Situation heraufbeschworen. Wir waren zu keinem Moment darauf aus, den Schöffenrat zu stürzen.“ Jetzt sprächen die Fakten dafür, dass der Schöffenrat neu besetzt werden müsse. „Es gibt wohl nur die Möglichkeit, dass der Schöffenrat ‚en bloc‘ demissioniert“, meint Viaggi. „Das scheint man in den Reihen der CSV aber anders zu sehen.“

Nach allem, was CSV-intern vorgefallen sei, könne eine weitere Zusammenarbeit von Schummer, Clement und Mulbach im Schöffenrat kaum vorstellbar sein. „Wir sollten aber alles daran setzen, für September eine annehmbare Lösung auf dem Tisch zu haben – andernfalls werden die Geschäfte der Gemeinde unnötig blockiert“, warnt Viaggi.
Visiert Viaggi vielleicht selbst das Bürgermeisteramt an? „Ich möchte unterstreichen, dass nicht wir die Schuld an dieser Situation tragen, sondern die CSV“, betont der „Är Leit“-Sprecher. „Es kann uns keiner nachsagen, dass wir auf Posten im Schöffenrat scharf waren oder sind.“ Die lokale CSV-Fraktion habe sich selbst zerstört und damit aus eigenem Verschulden heraus ihre Mehrheit verloren.

„Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Mal sehen, was uns nach der Ferienzeit erwartet“, sagt Viaggi. Ganz will der Bissener dem Bürgermeisteramt aber keine Absage erteilen. „Warum nicht, aber das stand bis dato nicht zur Debatte. Solche Entscheidungen trifft man ja nicht von einem Tag zum anderen. Wir brauchen erst einmal Ruhe, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.“

Moggel
30. Juli 2019 - 7.08

Weider esou. Villäicht schaaft Luxusburg esou selwer of.

marc wollwert
29. Juli 2019 - 23.27

was soll diee dorfposse in bissen?wenn der garant unserer feinen lebensart beschliesst den bestmoeglichen standort fuer eiin dermassen strategisch wichtiges projekt,also luxemburg,zu nutzen,sollten wir alle schoen im gleichschritt marschieren.und wir werden das ganz sicher tun.

H.Horst
29. Juli 2019 - 20.00

Es besteht das reale Risiko, dass die Wachstumsrate des Verkehrs sich nicht progressiv entwickelt.

Jang
29. Juli 2019 - 14.14

GOOGLE ist bestimmt öko und bio. Wird unseren Fußabdruck doch nicht etwa verschlechtern :-)